In einem Sauenbetrieb kam es durch Absetzdurchfall zu massiven Tierverlusten. Erst die Impfung gegen enterotoxische E. coli-Keime brachte Ruhe.
Tierärztin Dr. Catrin Unsicker, Köln
Erneut musste Arno Müller (Name geändert) tote Ferkel im Flatdeck beklagen, wieder eine Woche nach dem Absetzen. Die Ferkel waren gesund und kräftig. Auch die ersten Tage nach dem Absetzen waren unauffällig. Dann plötzlich an einem Nachmittag ein totes Ferkel. Am nächsten Morgen sind es weitere, die nach kurzem Krankheitsverlauf sterben.
Plötzliche Totalverluste
„Sie sind umgefallen wie die Fliegen“, berichtet der behandelnde Hoftierarzt Dr. Norbert Geiping. „Durchfall wie Wasser, Schwäche, dann Tod. Alles innerhalb kürzester Zeit.“ Der Fachtierarzt betreut den 180er-Sauenbestand von Müller seit mehreren Jahren. Pro Abferkelgruppe wachsen 250 bis 300 Ferkel heran. Nach vier Wochen werden sie abgesetzt. „In der Woche nach dem Absetzen entscheidet es sich, ob das Immunsystem stark genug ist, um in dieser kritischen Phase nicht zu erkranken“, erklärt Geiping.
Doch in manchen Gruppen waren es um die 20 bis 30 Tiere, die an Durchfall erkrankten und verstarben. Das sind ca. 10 % Verluste, ein enormer wirtschaftlicher Schaden. Tiere, die überlebten, waren häufig Kümmerer mit schlechten Gewichtszunahmen und einer hohen Anfälligkeit für weitere Erkrankungen.
Um das Problem in den Griff zu bekommen, hat der Landwirt verschiedene Fütterungs- und Managementmaßnahmen umgesetzt. Aber der Erfolg war nicht überzeugend, und es musste immer wieder antibiotisch behandelt werden. Bei den hochgradig erkrankten Ferkeln musste sogar ein Reserve-Antibiotikum eingesetzt werden, um sie zu retten. Spätestens die Auswertung des Antibiotika-Monitorings zeigte dem Landwirt, dass etwas verändert werden musste.
Coli-F4 war schuld
Den plötzlichen Todesfällen im Betrieb Müller ist Tierarzt Geiping wiederholt auf den Grund gegangen. Von einzelnen hochgradig erkrankten, unbehandelten Ferkeln wurden Kotproben ins Mikrobiologische Labor der Universität Gießen geschickt.
Hauptsächlich handelte es sich um enterotoxische E.coli-Stämme, sogenannte ETEC. Beim Anzüchten zeigten sich hämolysierende Stämme, die häufig pathogen sind. Molekularbiologisch konnten diese mittels Polymeraseketten-reaktion (PCR) noch weiter typisiert werden. Auf der Oberfläche der Bakterien wurde das krankheitsauslösende Fimbrienantigen F4 nachgewiesen, außerdem die Toxine LT und ST2.
Lebendvakzine eingesetzt
Plötzlich verstorbene Tiere wurden zudem pathologisch untersucht. Hierbei zeigte sich eine stark entzündete Darmschleimhaut im Dünn- und Dickdarm. Auch hier beherrschten ne-ben Clostridien und vereinzelt Salmonellen vor allem hämolysierende Colibakterien das Bild.
„Der Leidensdruck war sehr hoch, sodass wir uns im letzten Jahr für die Impfung gegen ETEC F4 entschieden haben“, erläutert Ferkelerzeuger Müller. Ein solcher Impfstoff ist in Deutschland erst seit Kurzem auf dem Markt.
Der Betrieb startete den Einsatz der Lebendvakzine zunächst bei zwei Gruppen, da die Impfung etwas mehr kosten sollte als die Behandlung mit Colistin. „Aus praktischen Gründen haben wir die Maßnahme zusammen mit der Circo-Impfung in der dritten Säugewoche durchgeführt“, so der Landwirt.
Müller und sein Tierarzt entschieden sich für das Drenchen. Dabei wird der Metallaufsatz der Drenchspritze ins Maul eingeführt und zwei Milliliter des Impfstoffes verabreicht. Diese Methode hat den Vorteil, dass die Tiere den Impfstoff sicher aufnehmen. Alternativ ist auch eine Gabe über das Trinkwasser möglich.
Ferkelverluste gegen Null
Der Impfstoff heftet sich nach oraler Gabe an die Oberfläche des Dünndarms an. Dort erfolgt zunächst eine Vermehrung. Im Anschluss kommt es zur Produktion von Antikörpern gegen ETEC F4. „Nimmt das Absetzferkel nun den krankmachenden Erreger auf, wird dieser direkt im Darm durch protektive Antikörper abgefangen. Das Ferkel bleibt gesund“, erklärt der Veterinär.
Wichtig ist neben der richtigen Verabreichung der Zeitpunkt der Impfung, der etwa sieben Tage vor dem erwarteten Durchfall liegen sollte. Der Impfschutz ist eine Woche nach der Behandlung voll ausgebildet und drei Wochen stabil. Tatsächlich blieben die geimpften Ferkel gesund und überstanden auch die folgenden Wochen unbeschadet. Deshalb wurden weitere Ferkel aus vier Gruppen geimpft, insgesamt also 1800 Tiere. „Wir haben alle ohne Einsatz von Colistin durchbekommen“, betont Geiping, „die Verlustrate ist massiv runtergegangen.“
Seit knapp einem Jahr sind keine neuen durchfallbedingten Todesfälle aufgetreten. Die toxinbildenden Coli-Stämme scheinen zurückgedrängt und Antibiotika gegen Durchfall werden nicht mehr benötigt. „Bei einem erneutem Ausbruch wäre der Einsatz des Impfstoffes denkbar, aber momentan ist zum Glück alles gut“, so Geiping. Er hat nun in einem weiteren Betrieb mit der Impfung gegen ETEC F4 begonnen.
Fazit
Enterotoxische E.coli (ETEC) kann die Ursache für Durchfall bei Absetzferkeln sein. Bei den betroffenen Tieren kommt es zu Dehydratation und Tod.
In einem Problembetrieb mit hohen Ferkelverlusten wurde nach eingehender Diagnostik die Ferkelimpfung gegen enterotoxische E.coli eingesetzt. Dadurch konnten die Coli-Stämme zurückgedrängt werden. Seitdem werden Antibiotika gegen Durchfall nicht mehr benötigt.