Bei der freien Abferkelung kommt es auf ein angepasstes Verhalten der Sauen an. Bioferkelerzeuger Heigl berücksichtigt Charakternoten bei der Auswahl der Nachzucht.
Heinrich Niggemeyer, SUS
Meine Sau der Zukunft ist ruhig, fürsorglich und völlig problemlos im Umgang mit dem Menschen“, erklärt Sauenhalter Hubert Heigl. Der 51-Jährige bewirtschaftet zusammen mit seiner Fau Evi in Kallmünz (Oberpfalz) einen Biobetrieb mit 70 Sauen. Das Management ist auf den Dreiwochenrhythmus ausgerichtet. Die Ferkel werden mit rund 30 kg an feste Naturland-Mäster verkauft.
Kaltställe mit Liegehütten
Seit mehr als zehn Jahren bewertet Heigl das Verhalten der Sauen und zieht daraus Schlüsse für die Eigenremontierung. Warum ihm friedfertige Sauen so wichtig sind, wird bei einem Blick in seinen Stall klar. Der Landwirt setzt auf die freie Abferkelung, und zur Geburtskontrolle ist ein enger Kontakt zu den Sauen unvermeidlich.
Die Abferkelbuchten sind 2 m breit und in drei Abschnitte eingeteilt. Im Inneren des Kaltstalls befindet sich der abgedeckte Liegebereich sowie ein Zwischenbereich mit Trog und Tränke. Über eine Tür bzw. Klappe gelangen die Tiere in den überdachten und ebenfalls eingestreuten Außenbereich.
Die Geburten finden immer in den Hütten statt. Auch im Winter ist dieser Raum mindestens 15°C warm; mit genügend Stroheinstreu ist dies völlig ausreichend. Das Ferkelnest ist mit Brettern abgetrennt. Die Temperatur wird entsprechend den Bedürfnissen der Ferkel über eine Bodenheizung eingestellt.
Um die neugeborenen Ferkel zu versorgen, betritt Heigl die Hütten in gebückter Haltung. „Einige Sauen bleiben trotz Geburtsschmerz ruhig und tolerieren sogar, wenn ein Ferkel beim Hochheben quiekt. Doch es gibt auch ängstliche Typen, die sich nicht wohl fühlen und anfangen, sich zu wehren“, führt Heigl aus.
Der Agraringenieur betont, dass diese Abwehrreaktion nicht mit aggressivem Verhalten verwechselt werden darf: „Es geht lediglich darum, ob die Sau auch in Stresssituationen Nähe zulässt. Ferkelbeißen oder plötzliche Attacken gegen uns kenne ich nicht mehr.“
Relaxte Sauen erwünscht
Während der Geburt werden eventuell einzelne Ferkel angelegt oder der Landwirt leistet Geburtshilfe, was allerdings selten vorkommt. Auch wird am Tag danach nasses Stroh und Nachgeburt ausgeräumt und neu eingestreut. Und vom ersten bis fünften Tag wird die Temperatur der Sau gemessen.
Auch die Eiseninjektion erfordert das Betreten der Hütte. Ferner stehen später Impfungen gegen Myko und Circo an. Das Abwehrverhalten der Ferkel kann ebenfalls Reaktionen bei den Sauen hervorrufen. Das Kastrieren der männlichen Ferkel hingegen ist nicht mehr erforderlich, da sich Heigls Ferkelabnehmer mit dem Vermarkter auf die Improvac-Impfung geeinigt haben.
Nach all diesen Bewährungsproben vergibt der Landwirt eine sogenannte Charakternote von 1 bis 5. Mit der Bestnote 5 werden nur wenige Sauen ausgezeichnet. Diese müssen sich durch nichts aus der Ruhe bringen lassen, gleichzeitig aber sehr behutsam und fürsorglich mit den Ferkeln umgehen. Sehr häufig wird die Note 4 vergeben. Das heißt, dass das ansonsten entspannte Muttertier in Extremsituationen nervös werden kann.
Die Noten 2 oder 1 bedeuten, dass die Sau ausgesperrt werden muss, um die Ferkel behandeln zu können. Die Charaktereinstufung wird mit Kreide an die Buchtenwand geschrieben und später zusammen mit den Wurfdaten in den LKV-Sauenplaner übertragen.
„Ein entspanntes Verhalten der Sauen erleichtert uns die Arbeit ungemein“, meint Heigl. Dabei macht es keinen Unterschied, ob er selbst oder seine Frau die Arbeit verrichtet. Auch hat der Landwirt beobachtet, dass die Sauen beim nächsten Abferkeln ähnlich reagieren. Sie sind wiederum entweder entspannt oder ängstlich.
Wie legt sich die Sau ab?
So werden die 5er-Kandidaten konsequent bei den Anpaarungen zur Eigenremontierung bevorzugt. Sauen mit schlechten Noten hingegen gehen zum Schlachter. Denn nach Heigls Beobachtungen haben die eher ängstlichen Typen auch mit der Gruppenhaltung Probleme. Als Jungsauen stehen sie meist ganz unten in der Rangfolge. Selbst wenn sie als ältere Sau höhere Rangplätze einnehmen, sind sie dennoch oft auf Krawall gebürstet. „Zudem haben die Ängstlichen häufig Stress mit der Futterstation. Alles in allem sind mir die unerschrockenen Sauen viel lieber“, gibt der Sauenhalter zu.
Doch Heigls Vorstellungen einer idealen Sau umfassen weitere Bereiche des Verhaltens, z.B. wie sie sich ablegt. Ideal ist, wenn die Sau zunächst vorsichtig zwei, drei Runden dreht und den Ferkeln signalisiert, dass sie sich hinlegen will. Damit dieses Ritual von Anfang an praktiziert wird, hat Heigl als Orientierungshilfe in der Mitte der Hütte eine Stange verbaut. „Dieser Lenkpfosten spielt als Ableghilfe überhaupt keine Rolle“, versichert der Betriebsleiter.
Leider gibt es Sauen, die sich trotz des positiven Rituals des Drehens anschließend fallen lassen. Dies ist natürlich ein Minuspunkt, weil so Ferkel erdrückt werden können. Allerdings hat das Abliegeverhalten auch etwas mit dem Gewicht der Sauen sowie der Beinstabilität zu tun. „Schwere und lahme Sauen neigen eher zum unvorsichtigen Ablegen“, hat der Bioferkelerzeuger beobachtet.
Unterschiede zwischen den Genetiken
Seit Beginn der Bioferkelproduktion hat Heigl bewusst auf den Jungsauenzukauf verzichtet. Doch 2011 zwang ihn ein Umstand, von diesem Prinzip abzuweichen. Der Bioferkelerzeuger hatte große Probleme mit der Ödemkrankheit. Um hier nachhaltig bessere Voraussetzungen zu schaffen, startete er einen Versuch mit Coli-F18-resistenten Sauen.
Zu diesem Zweck kaufte er neun Edelschwein-Jungsauen von einem Schweizer Züchter. Nach den ersten Abferkelungen war er völlig überrascht. Die Edelschweinsauen schienen mit der freien Abferkelung besser zurecht zu kommen als die Landrassesauen. Trotz Geburtsstress waren die Tiere aus der Schweiz völlig entspannt.
War das Zufall? In Sachen freie Abferkelung ist die Schweiz Vorreiter. Dort werden bereits seit dem Jahr 2007 keine Sauen mehr im Abferkelstall fixiert. Bei Neu- und Umbauten mussten bereits seit 1997 Bewegungsbuchten installiert werden. Die Schweizer Züchter haben zumindest indirekt auf eine problemlose Sau selektiert, die mit der freien Abferkelung zurecht kommt. In der konventionellen Zucht hingegen war das Verhalten der Sauen bei freier Abferkelung bislang kein Thema.
Inzwischen hat Heigl komplett auf Coli-resistente Edelschweine umgestellt. Auf der Vaterseite setzt er überwiegend den ebenfalls Coli-resistenten Premo-Eber ein, damit die Mastendprodukte reinerbig resistent sind. „Die Nährstoffversorgung der abgesetzten Ferkel bleibt in der Öko-Haltung die große Herausforderung. Mit der Coli-Resistenz machen wir das System sicherer“, legt sich Heigl fest.
Neben den Verhaltensmerkmalen und der Coli-Resistenz ist dem Bioferkelerzeuger auch die Wurfgröße wichtig. So wünscht sich Heigl im Schnitt 12 bis 13 lebend geborene Ferkel je Wurf. Momentan liegt er bei 11 lebenden Ferkeln. Allerdings darf eine Leistungssteigerung nicht zulasten der Ferkelvitalität gehen, weshalb die Zucht weiter die Robustheit bearbeiten sollte.
„Mein persönliches Ziel ist, durch weitere Optimierungen stabil 23 Ferkel pro Sau abzusetzen. Dabei darf man ruhig die 25-Ferkel-Marke im Blick behalten. Bei 40 Säugetagen wäre das schon eine beachtliche Leistung“, bringt es Hubert Heigl auf den Punkt.
Projekt soll Zusämmenhänge klären
Klar ist, dass relaxte, fürsorgliche Sauen weniger Ferkel verlieren sowie weniger Arbeit machen. Doch spielen auch die Geburtsgewichte sowie die Streuung der Gewichte innerhalb eines Wurfes eine Rolle. „Einheitlich hohe Geburtsgewichte sind die Grundlage für einen guten Start“, meint der engagierte Betriebsleiter.
So war es für ihn keine Frage, an einem Projekt des LFL-Instituts für Ökologischen Landbau in Freising teilzunehmen, das sich der Mütterlichkeit von Sauen in ökologischen Ferkelerzeugerbetrieben widmet. Insgesamt nehmen elf Betriebe teil, die für jede Sau das Nestbauverhalten, den Geburtsverlauf, die Wurfqualität, das Säugeverhalten, das Ablegen sowie das Verteidigungsverhalten bewerten. Der Zeitaufwand für dieses Projekt ist nicht unerheblich. Um z.B. das Ablegen zu bewerten, beobachtet Heigl seine Sauen direkt nach dem Füttern, wenn sie zurück zu ihren Ferkeln gehen. Die Note vergibt der Sauenhalter erst nach der dritten Beobachtung.
Noch spielen die Muttereigenschaften in der ökologischen Schweinehaltung eine größere Rolle als im konventionellen Bereich. Für die Eigenremontierung kann man allerdings durch die Selektion geeigneter Mutterlinien eine gute Grundlage bilden, wenn die Kastenstände irgendwann aufgemacht werden müssen. Dazu Heigl: „Vielleicht können die konventionell arbeitenden Kollegen eines Tages von unseren Vorarbeiten und Erfahrungen profitieren“.
Fazit
- Bioferkelerzeuger Heigl berücksichtigt bei der Eigenremontierung, wie mütterlich und friedlich sich die Sauen bei der freien Abferkelung verhalten.
- Mittelfristig erhofft sich der Ferkelerzeuger Zeitersparnis bei der Betreuung sowie optimale Aufzuchtergebnisse.
- In einem Projekt werden die Zusammenhänge bezüglich Handling, Fürsorglichkeit und Aufzuchtleistungen geklärt.