Sauenhalter und Mäster profitieren von einem saisonal untypischen Preishoch. Die Gründe und die weitere Marktentwicklung schildert Dr. Albert Hortmann-Scholten.
Fred Schnippe, SUS
Ferkel sind seit Monaten knapp. Was steckt dahinter?
Hortmann-Scholten: Schon im Herbst letzten Jahres verringerte sich das Ferkelangebot. Die saisonal übliche Preisschwäche fiel kürzer aus als in den Vorjahren. Seit der kurzen Herbstdelle zwischen der 42. und 46. Kalenderwoche 2016 hat sich der Ferkelpreis nochmals spürbar erholt. Die der Nordwest-Notierung der Landwirtschaftskammer zugrundeliegenden Stückzahlen haben sich nicht so stark reduziert, wie es die Verringerung der Zuchtsauenzahlen vermuten lassen. Allerdings stehen im nordeuropäischen Raum insgesamt weniger Tiere zur Verfügung.
Gibt es weitere Gründe?
Hortmann-Scholten: Ja, offensichtlich haben sich die internationalen Vermarktungsströme leicht verschoben. Die Dänen exportieren derzeit mit einem Jahresvolumen von knapp 5 Mio. Ferkeln immer mehr Tiere nach Polen. Und aus dem süddeutschen Raum werden momentan vermehrt Ferkel Richtung Südosteuropa vermarktet. Dies verknappt das Ferkelangebot in Deutschland zusätzlich.
Sind heimische Ferkel besonders gefragt?
Hortmann-Scholten: Sowohl in Norddeutschland als auch im Süden werden ausgehend von bestimmten Vermarktungswegen für Schlachtschweine im Rahmen der Labelproduktion heimische Ferkel preislich besonders ho-noriert. Im Norden lässt sich aufgrund der deutschen Geburt eine Preisdifferenzierung von 2 bis 3 € pro Ferkel beobachten. In Bayern kann aufgrund der speziellen Programmvermarktung im Rahmen des GQB-Siegels sogar ein Zuschlag von bis zu 5 € realisiert werden. Die Preiszuschläge gleichen allerdings kaum die Nachteile aus, die deutschen Sauenhaltern zurzeit aufgrund steigender Produktionsvorgaben seitens des Lebensmittelhandels und der Politik zuteil werden.
Geht unser Ferkelangebot weiter zurück?
Hortmann-Scholten: Kurzfristig sehe ich zumindest im nordwestdeutschen Raum den Tiefpunkt des Ferkelangebotes erreicht. Man darf nicht vergessen, dass wir bereits seit dem Frühjahr 2016 auskömmliche Ferkelpreise haben. Die Zahl der Sauenschlachtungen hat sich alleine in den ersten neun Wochen des Jahres 2017 gegenüber dem Vorjahr um fast 20 % reduziert. Daneben ist zu beobachten, dass die Leistungsfähigkeit der verbliebenen Betriebe im Mittel zu früheren Jahren nochmals steigt. Die Professionalisierung des Sektors schreitet voran. Die Ferkelzahlen verbessern sich zwar nicht mehr derart rasant wie in den Vorjahren. Allerdings steigt die Zahl der je Zuchtsau aufgezogenen Ferkel nach wie vor an.
Welche Entwicklung ist bei den Ferkel- Importen zu erwarten?
Hortmann-Scholten: Auch die Dänen und die Niederländer profitieren momentan von den guten Ferkelpreisen und dürften mittelfristig ihre Produktion weiter erhöhen. Nach wie vor ist aus Umweltgesichtspunkten der Ausbau der Ferkelerzeugung in beiden Ländern rentabler als die Erhöhung der Mastschweineerzeugung. So plant Dänemark eine deutliche Steigerung der Ferkelexporte in andere EU-Länder. Für Deutschland wird ein Jahresvolumen von 7 Mio. Exportferkeln anvisiert. Nach Polen wollen die Dänen mittelfristig mehr als 5,5 Mio. Ferkel pro Jahr ausführen.
Dämpft der hohe Ferkelpreis die Einstallbereitschaft der Mäster?
Hortmann-Scholten: Angesichts der hohen Ferkelpreise haben die Schweinemäster in den letzten Wochen deutlich geringere Deckungsbeiträge er-wirtschaftet. Ein Teil der gestiegenen Ferkelpreise konnte durch geringere Futterkosten kompensiert werden. Bislang ist nicht zu beobachten, dass die Mäster mit einem Käuferstreik drohen und Ställe leerstehen. Bei einem weiteren Notierungsanstieg dürfte die preisliche Schmerzgrenze für die Mäster erreicht sein.
Januar und Februar brachten 3% niedrigere Schlachtzahlen. Was sind die Gründe?
Hortmann-Scholten: Die in amtlichen Statistiken ablesbar niedrigen Schlachtzahlen spiegeln die Verknappung des Ferkelangebotes aus dem letzten Herbst wider. Mancherorts wird neben dem massiv abgelaufenen Strukturwandel im Sauenbereich auch dem Futter eine gewisse Mitverantwortung für das kleinere Ferkelangebot zugeschrieben. Futteranalysen haben ergeben, dass vielfach die Belastung mit Mykotoxinen bzw. Pilzgiften erntebedingt in der letzten Saison regional zugenommen hat. Hierunter dürfte die Sauenfruchtbarkeit gelitten haben.
Wie entwickelt sich das Lebendangebot?
Hortmann-Scholten: Das Lebendangebot hat sich momentan unter 1 Mio. Schlachtschweine pro Woche eingependelt. Nach wie vor strömen allerdings größere Anteile holländischer Schlachtschweine zu den westdeutschen Schlachthöfen. Das Lebendangebot muss allerdings immer auch zu den Schlachtkapazitäten in Relation gesetzt werden. Hier drohen insbesondere in Nordwestdeutschland strukturelle Veränderungen. Der Vion-Standort Zeven soll geschlossen werden. Das Unternehmen Vogler hat bereits Bremen ge-schlossen und Hannover in neue Hände übergeben. Die Zukunft des Standortes Steine ist unklar. Damit wird selbst bei einem leicht zurückgehenden Lebendangebot die Vermarktung nicht einfacher.
Welchen Einfluss haben Lebend-Importe?
Hortmann-Scholten: Im Jahr 2016 sind mit einem Plus von 400000 Tieren rund 4,7 Mio. Schlachtschweine aus dem Ausland importiert worden. Die Steigerung ist vor allem auf die Niederlande zurückzuführen. Ein nicht unwesentlicher Anteil waren niederländische Eber, die mit einem gewissen Preisvorteil von deutschen Schlachtbetrieben zugekauft werden konnten. Sollte sich im Nordwesten der Rückgang der Schlachtkapazitäten fortsetzen, könnten sich die Lebendeinfuhren wieder reduzieren.
Warum schwankt die Notierung trotz des knappen Angebots so stark?
Hortmann-Scholten: Die stark schwankenden Notierungen hängen nicht zuletzt auch mit äußeren Markteinflüssen zusammen. Der plötzliche Verlust von drei Exportlizenzen für den chinesischen Markt wird auf dem Rücken der Landwirte ausgetragen. Daneben konzentriert sich die Marktmacht in der Schlachtstufe auf immer weniger Unternehmen. Die Folge: In einem rückläufigen Markt können Hauspreise sehr niedrig festgelegt werden. Wenig später muss dann die Gegenbewegung der grünen Seite erfolgen.
Wie lässt sich die Preis-Rallye abmildern?
Hortmann-Scholten: Hier sind unsere Möglichkeiten begrenzt. Denn Preisschwankungen sind immer charakteristisch für freie, ungeregelte Märkte. Alternativ könnten die Landwirte Lieferverträge mit der Fleischindustrie abschließen bzw. diese im Rahmen von Integrationssystemen stärker nutzen. Darüber hinaus führen einige Vermarkter mittlerweile Mehr-Wochenpreise, z.B. im Rahmen eines gemittelten Vierwochenpreises ein.
Wie reagieren die Schlachthöfe auf das knappe Angebot?
Hortmann-Scholten: Die Schlachtkonzerne verfolgen verschiedene Strategien, um den Rohstoffbezug zu sichern. So hat Westfleisch die vertraglich gebundene Mast ausgebaut. Rund 75 % der 8 Mio. Schlachtschweine sind in Verträgen gesichert. Tönnies hat einen eigenen Viehhandel aufgebaut. Und Vion versucht durch ein neues Abrechnungsmodell, Kunden zu binden. Danish Crown will in Dänemark mit überdurchschnittlichen Auszahlungs- preisen die Auslastung optimieren. Neben der Rohstoffsicherung streben die Schlachtunternehmen auch an, mehr Einfluss auf die Haltunsgbedingungen im Mastbetrieb zu nehmen.
Wie entwickelt sich der Fleischabsatz im In- und Ausland?
Hortmann-Scholten: Marktbeobachter sehen in Deutschland den Schweinefleischverbrauch sowie die Wurstnachfrage weiter rückläufig. In Europa dürften konstante Verzehrmengen vorherrschen. Global gesehen ist der Schweinemarkt weiterhin ein Wachstumsmarkt. Allerdings profitieren zurzeit der Geflügel- und Rindfleischabsatz. Mit einer generellen Trendumkehr ist in diesem Jahr nicht zu rechnen.