Wie lässt sich der Antibiotika-Einsatz in der Kette weiter minimieren? Eine Studie mit 350 Betrieben sollte zeigen, wo die Hebel anzusetzen sind.
PD Dr. Hubert Gerhardy, Garbsen
Antibiotika-Resistenzen sind weltweit auf dem Vormarsch und bedrohen die Gesundheit von Mensch und Tier. Von den Nutztierhaltern erwartet die Gesellschaft, dass sie ihre Antibiotika-Einsätze reduzieren.
Seit der Einführung der staatlichen Datenbank im Jahr 2014 ist der Einsatz von Antibiotika an Mastschweinen deutlich gesunken. Doch vor allem in der Ferkelaufzucht erfordern nachhaltige Verbesserungen betriebsspezifische Handlungsempfehlungen. Wie diese erarbeitet werden können, sollte ein interdisziplinär angelegtes Pilotprojekt zeigen (siehe Kasten auf Seite 22). Insgesamt waren über 350 VzF-Mitgliedsbetriebe in diese Projektarbeit eingebunden.
22000 AuA-Belege ausgewertet
Für die beteiligten Betriebe wurde der Antibiotika-Einsatz über drei Jahre auf der Basis von über 22000 AuA-Belegen erfasst. Anschließend wurde die Therapiehäufigkeit berechnet. Sie besagt, an wie vielen Tagen ein Tier in einem Bestand im Durchschnitt mit einem Wirkstoff behandelt wurde. Wobei in diesem Falle nicht der Durchschnittsbestand, sondern die angegebenen Stallplätze die Bezugsgröße waren.
Die Übersichten 1 bis 4 zeigen die Entwicklung der Antibiotika-Anwendungen bei Sauen, Saug-, Aufzuchtferkeln und Masttieren. Die Einzelheiten:
- Bei den Saugferkeln schwankte der Median der Therapiehäufigkeit in den sechs Halbjahren von 2013 bis 2015 zwischen 1,8 und 3,5, ohne eine Richtung anzuzeigen.
- Im Gegensatz zu den Saugferkeln wurde der Antibiotika-Einsatz bei den Sauen verringert. Dieses zeigt sich vor allem daran, dass die Therapiehäufigkeit in den 25 % Betrieben mit dem höchsten Einsatz (oberes Quartil) von 5,4 auf 2,2 sank.
- Auch bei den Aufzuchtferkeln ist im letzten Betrachtungsjahr 2015 die Therapiehäufigkeit gesunken, wobei der Median zwischen den Halbjahren ebenso stark schwankte wie die Therapiehäufigkeit des oberen Quartils. Auf 60 % der Betriebe blieb der Antibiotika-Einsatz bei den Aufzuchtferkeln stabil. Es gab allerdings mehr Betriebe mit steigendem als fallendem Verbrauch (12,5 vs. 8,3 %).
- In der Mast konnte die Therapiehäufigkeit stetig reduziert werden. Der Median sank von 3,2 auf 0,5. Auf den Betrieben, die zum oberen Quartil gehörten, fiel die Therapiehäufigkeit sogar von 8,6 auf 2,8, d.h. um fast 70 %.
Geringere Tierarztkosten in der Mast
Bleibt festzuhalten: In der Mast wurden im Mittel über alle Betriebe deutlich weniger Antibiotika eingesetzt. Vor allem die Zahl der „Vielanwender“ reduzierte sich. Dies führte insgesamt zu geringeren Tierarztkosten. Nach den Auswertungen sanken diese im Schnitt von 1,05 auf 0,72 € je 100 kg Zuwachs.
Auch die Sauen wurden zum Ende der Projektphase weniger oft antibiotisch behandelt, wobei sich dies nicht in den Tierarztkosten widerspiegelte. Denn gleichzeitig verbesserte sich zwischen 2013 und 2015 die Anzahl abgesetzter Ferkel je Sau und Jahr von 25,8 auf 27,4. Dementsprechend fielen auch höhere Kosten je Sau und Jahr im Bereich der Ferkelimpfungen an.
Im Fokus waren auch die Tierverluste, die in der Ferkelaufzucht und in der Mast jeweils stabil blieben. Während der dreijährigen Projektphase konnten die Mastbetriebe zudem die durchschnittlichen Tageszunahmen um rund 20 g auf 823 g verbessern.
Diese durchaus positive Bilanz wird allein durch die Entwicklung der Schlachthofbefunde getrübt. An dieser speziellen Auswertung waren insgesamt 220 Betriebe beteiligt, die von 2012/13 bis 2014/15 über 1,5 Mio. Schweine an die beteiligten Schlachthöfe lieferten.
Antibiotika runter, Lungenbefunde rauf?
Der Fokus richtete sich speziell auf die Lungenbefundungen. Ergebnis: Während des Auswertungszeitraums stieg der Anteil Lungenbefunde im Mittel von 5,8 % auf 10,8 % (siehe Übersicht 5). Dies deutet auf den ersten Blick auf eine Verschlechterung der Tiergesundheit hin. Möglicherweise ist aber auch die Methodik der Befundung auf dem einen oder anderen Schlachthof geändert worden. Insbesondere der Anstieg der Befundrate am Schlachthof G deutet darauf hin.
Unabhängig davon fallen die Unterschiede zwischen den Schlachtstätten auf. Auch auf den anderen Schlachthöfen ist die Entwicklung und der Anteil an Lungenbefunden unterschiedlich. Daher ist eine weitere Harmonisierung der Befunderhebung am Schlachtband anzustreben, ebenso eine überbetriebliche Analyse der Zusammenhänge zwischen Befundung und Tierwohlindikatoren auf den Betrieben.
Aus diesem Grund sind aus Sicht eines Mästers, der einzelne Schlachtpartien auswertet, die Rohergebnisse nicht dafür geeignet, Rückschlüsse auf die Tiergesundheit zu ziehen. Im Gegenteil: Allein durch den Wechsel des Schlachthofes könnte der Eindruck eines geänderten Tiergesundheitsstatus entstehen bzw. könnten falsche Schlüsse gezogen werden.
Stallhygiene: Arbeitsabläufe hinterfragen
Im Rahmen des Projektes wurde das Hygiene- und Tiergesundheitsmanagement auf 51 teilnehmenden Betrieben zu Beginn des Projektes und erneut auf 30 Betrieben nach einem Jahr bewertet. Die Beurteilung nahm der Schweinegesundheitsdienst vor. Ergebnis: Die Noten für das Tiergesundheitsmanagement zeigten keine Unterschiede zwischen den Produktionsrichtungen. Auch wurden offensichtlich keine nennenswerten Verbesserungen vorgenommen. Der Gesamteindruck sowohl beim ersten als auch beim zweiten Betriebsbesuch war gleich.
Gerade beim Hygienemanagement ist es sinnvoll, regelmäßig eingefahrene Arbeitsabläufe rund um das Reinigen und Desinfizieren zu hinterfragen. Das Ziel muss sein, einer Verbreitung von Schadkeimen vorzubeugen, bevor diese zum Problem werden.
Deshalb wurden ausgewählte Betriebe in puncto Stallhygiene intensiv beraten. Der Hygienestatus konnte verbessert werden, was sich in Einzelfällen auch in einer Verringerung der Therapiehäufigkeit widerspiegelte. Der Antibiotika-Einsatz ließ sich jedoch nicht in jedem Fall nach optimierten R&D-Maßnahmen senken.
Ferkelimpfungen checken
Ferkelimpfungen können ebenfalls einen nachhaltigen Beitrag zur Reduzierung des Antibiotika-Einsatzes in der Aufzucht und Mast leisten. Allerdings setzt dies voraus, dass die eingesetzten Vakzinen sowie das Impfkonzept auf die betriebliche Situation bzw. die Erregerlage abgestimmt sind.
In einer Kette mit einem Ferkelerzeuger, zwei Ferkelaufzuchtbetrieben und fünf angeschlossenen Mastbetrieben traten Hustenprobleme auf. Nach eingehender Diagnostik und Analyse des Problems wurde dem Ferkelerzeuger empfohlen, die Mykoplasmen-Impfung von One- auf Two-Shot umzustellen.
Nach Umsetzung dieser Empfehlung verbesserte sich der Gesundheitsstatus rasch, und es trat deutlich weniger Husten auf. Parallel dazu reduzierte sich auch die Therapiehäufigkeit in zwei angeschlossenen Mastbetrieben von 28,9 bzw. 37,0 im zweiten Halbjahr 2013 auf 0,5 bzw. 0,7 im ersten Halbjahr 2015.
Wichtig: Vor einer Umstellung des Impfregimes muss die Strategie diagnostisch abgesichert werden. Wobei wirtschaftliche und praktische Aspekte verschiedene Einsatzstrategien bedingen. Jeder Betrieb bzw. jede Kette stellt ein „Einzelsystem“ dar.
Dass die Impfstrategien regelmäßig auf den Prüfstand gehören, zeigen auch die Betriebsbesuche. So wurde festgestellt, dass teils Präparate miteinander kombiniert wurden, die nicht zusammen angewendet werden sollten.
Fütterung der Ferkel im Fokus
Auch ein gesunder Darm kann einen Beitrag zur Reduzierung des Antibiotika-Einsatzes leisten. Ein Großteil des Immunsystems ist hier repräsentiert. Mit einem stabilen Darm wird das Immunsystem gestärkt und die Erreger erfolgreich abgewehrt.
Gerade in der sensiblen Phase nach dem Absetzen stellen somit abgestimmte Fütterungskonzepte zur Verbesserung der Darmgesundheit eine Möglichkeit dar, den Antibiotika-Einsatz zu minimieren.
In einem Betrieb traten immer wieder Probleme mit Coli-Durchfall bei abgesetzten Ferkeln auf, und es wurde regelmäßig das Antibiotikum Colistin eingesetzt. Nach eingehender Analyse wurde empfohlen, die Fütterung anzupassen. Der Futtermittelhersteller war bereit, spezifische und auf den Betrieb ausgerichtete Futterrationen herzustellen.
Der Betrieb entschied sich für ein Ferkelaufzuchtfutter mit dem Zusatzstoff Crina. Die Rationen enthielten sog. Eubiotics, die eine modulierende Wirkung auf die Magen- und Darmflora haben. Darunter zählen Pro- und Prebiotika, ätherische Öle und Säuren.
Nach der Anpassung beschränkten sich die antibiotischen Behandlungen nur noch auf Einzelfälle. So konnte die Therapiehäufigkeit deutlich von über 30 auf 4,24 im ersten Halbjahr 2016 gesenkt werden. Des Weiteren verringerten sich die Verluste um 1,2 %.
Schlussfolgerung
Ein über drei Jahre laufendes Pilotprojekt in 350 VzF-Betrieben sollte den Antibiotika-Einsatz mindern. Die wichtigsten Ergebnisse:
- Der Antibiotika-Einsatz konnte bei Sauen und in der Mast deutlich reduziert werden. Optimierungspotenzial ist vor allem in der Ferkelaufzucht noch vorhanden.
- Die Lungenbefunde sind insgesamt etwas gestiegen. Ob dies auf den Rückgang des Antibiotika-Einsatzes in der Kette zurückzuführen ist, bedarf weiterer Analysen.
- Es wird empfohlen, die flankierenden Auswertungen zu den Schlachthofbefunden auszubauen. Diese sollten mit einer überbetrieblichen Analyse einhergehen.
- Anhand der gewonnenen Erkenntnisse und der in den Fallbeispielen aufgezeigten Zusammenhänge müssen Maßnahmenpläne zur Reduzierung des Antibiotika-Einsatzes betriebsspezifisch abgestimmt werden.
- Dies setzt eine enge Zusammenarbeit von Landwirt, Hoftierarzt und Berater voraus.