Die Politik will über das Baurecht den Stallbau beschneiden. Gleichzeitig fordert sie mehr Tierwohl. Dieser Zielkonflikt lähmt den Standort Deutschland.
Peter Spandau, Landwirtschaftskammer NRW
Mitte der 90er-Jahre begann ein Boom der deutschen Schweineproduktion. Dieser hat den damaligen Selbstversorgungsgrad mit Schweinefleisch von unter 75% bis heute auf fast 120% hochkatapultiert. Sinkende Getreidepreise, steigende Nachfrage auf den globalen Märkten, aber auch technischer Fortschritt und steigendes Know-how waren die Motoren. Dieser Boom hat erhebliche Wertschöpfung in den Sektor Landwirtschaft getragen und damit zu einem bedeutenden Einkommensbeitrag in vielen Betrieben geführt.
Weniger Bauanträge gestellt
Seit 2015 hat diese Entwicklung jedoch einen deutlichen Knick bekommen. Erstmals sinken die Mastschweinebestände in Deutschland wieder. In der Sauenhaltung ist dieser Trend bereits etwas länger zu beobachten. Bislang wurde dies durch Leistungssteigerungen kompensiert.
Der Grund hierfür ist die nachlassende Bautätigkeit. Im Landkreis Cloppenburg spricht man sogar von einem dramatischen Einbruch der Bautätigkeit, der über die sehr geringe Zahl der beantragten Vorhaben bei den Genehmigungsbehörden dokumentiert wird (siehe Übersicht). Ausscheidende Produktionskapazitäten werden somit nicht mehr aufgefangen.
Sicherlich hat die Höhe der Schweinepreise einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Investitionstätigkeit in der Branche. Die schlechte Erlössituation in 2015 aber alleine für den starken Rückgang der Bautätigkeit verantwortlich zu machen, wäre viel zu kurz gegriffen.
Vielmehr ist es insbesondere die öffentliche Diskussion um die landwirtschaftliche Nutztierhaltung. Ob Tier- oder Umweltschutz, kaum ein Monat vergeht, in dem vermeintliche oder tatsächliche Missstände in der Tierhaltung angeprangert werden und ein Umdenken gefordert wird.
Allerdings: Proteste von Tier- und Umweltschutzorganisationen und oftmals einseitige Medienberichte allein reichen nicht, um die Entwicklung einer Branche zu stoppen. Viel entscheidender ist, mit welchen Maßnahmen die Politik im Rahmen von Gesetzgebungskompetenz auf die gesellschaftlichen Forderungen reagiert.
Novelle des Baugesetzbuchs wirkt
Die für die Veredlung in Nordwestdeutschland einschneidenste Gesetzes-änderung war die Änderung der Außenbereichsprivilegierung im Rahmen der Novelle des Baugesetzbuchs (BauGB). Diese trat im September 2013 in Kraft.
Zuvor waren größenunabhängig auch nicht landwirtschaftliche Stallbauvorhaben im Außenbereich privilegiert und damit genehmigungsfähig. Seit der Novellierung ist dies begrenzt auf Vorhaben, die keiner Vorprüfung oder Prüfung der Umweltverträglichkeit unterliegen. Diese Grenze liegt bei 1500 Schweinemast- bzw. 560 Sauenplätzen.
Größere Vorhaben sind demnach nur noch landwirtschaftlich genehmigungsfähig. Das setzt voraus, dass der Betrieb mehr als 50% des benötigten Futters zumindest theoretisch auf eigenbewirtschafteten Flächen erzeugen kann.
Diese Anforderung hat die Pachtpreise in den Veredlungshochburgen weiter nach oben getrieben. Zumal von einem Teil der Genehmigungsbehörden mindestens zwölfjährige Pachtverträge gefordert werden, wozu die Verpächter kaum bereit sind. Oder die erforderlichen Pachtflächen sind auf dem Markt schlichtweg nicht verfügbar!
Für Norddeutschland stellt diese Neuregelung einen Entwicklungsstopp dar, weil in den viehstarken Landkreisen immer mehr Betriebe die UVP-Schwellenwerte überschritten haben und Futterflächen nicht zur Verfügung stehen.
Ausweichmanöver getrennte Anlage!
Mit Inkrafttreten der BauGB-Novelle wurde natürlich sofort nach Lücken zur Realisierung von entsprechenden Bauvorhaben gesucht. Die Lösung schien in der „getrennten Anlage“ zu liegen: Erreicht man mit einem Neubauvorhaben eine räumliche und funktionale Trennung vom bisherigen Betrieb, hat der Betrieb die Möglichkeit, z.B. in der Mast noch einmal bis zu 1499 Plätze mit einem eigenständigen Verfahren ohne Futterfläche zu errichten. In der Vergangenheit hatten die Genehmigungsbehörden diese Möglichkeit recht großzügig gehandhabt.
Dieses Loch wurde jedoch in 2014 und 2015 durch mehrere OVG- und BVG-Urteile weitestgehend geschlossen. Sowohl der räumliche als auch der funktionale Zusammenhang wurden deutlich enger gefasst als in der Vergangenheit. So definiert sich ein getrenntes Betriebsgelände nicht mehr alleine durch ein eigenes Flurstück. Bereits der ausschließliche Ferkelbezug im Mastbetrieb des Sohnes aus dem Ferkelerzeugerbetrieb des Vaters ist ein Indiz für einen funktionalen Zusammenhang.
Auch wird die Kumulation von Bauvorhaben nicht mehr nur in der Errichtung zum gleichen Zeitpunkt gesehen, sondern auch eine nachträgliche Kumulation durch zeitversetztes Bauen kann heute die UVP-Vorprüfungs- bzw. -Prüfungspflicht auslösen.
Letzte Hoffnung Bebauungsplan
Ein letzter Hoffnungsschimmer für die Realisierbarkeit eines Bauvorhabens liegt in der Aufstellung eines Bebauungsplans. Hier kommt insbesondere der Vorhabens- und Erschließungsplan nach §12 BauGB infrage. Dieser wird im Zusammenhang mit einem konkreten Bauvorhaben aufgestellt und überplant den landwirtschaftlichen Betriebsstandort. Aus „Außenbereich“ wird dadurch ein scharf abgegrenztes „landwirtschaftliches Gewerbegebiet“ in Größe des Betriebsgeländes.
Der Haken ist jedoch, dass die Planungshoheit bei den Städten und Gemeinden liegt und kein Rechtsanspruch auf die Einleitung eines Planungsverfahrens besteht. Mit anderen Worten: Ist der öffentliche Druck gegen einen weiteren Ausbau der Tierhaltung in Stadt oder Gemeinde spürbar, wird kein Bürgermeister mit Blick auf zukünftige Kommunalwahlen ein Planungsverfahren befürworten. Die Aussichten sind also eher mau!
Dies gilt um so mehr, sollte sich Bundesumweltministerin Barbara Hendricks mit ihren Plänen durchsetzen. Sie möchte landwirtschaftlichen Betrieben generell das privilegierte Bauen aberkennen. Das soll immer dann der Fall sein, wenn 1500 Mast- oder 560 Sauenplätze überschritten werden. Ab dieser Größenordnung soll das Vorhaben nur über einen von der Gemeinde abgesegneten Bebauungsplan möglich sein.
So scheinen die BauGB-Novelle und deren Konsequenzen für die weitere Entwicklung der deutschen Schweinehaltung eine Katastrophe zu sein. Aber wie so häufig hat die Medaille zwei Seiten. Die Frage ist, welche Perspektive denn ein weiterer Ausbau der deutschen Schweineproduktion hätte. Der Schweinefleischverzehr in Deutschland ist rückläufig, jede weitere Produktion kann also nur über Export abgesetzt werden. Wir haben aber gelernt, dass gerade diese Märkte sehr preisanfällig und durch wirtschaftliche und politische Parameter in den Importländern bestimmt sind. Sichere Absatzwege sind es allemal nicht!
Tier- und Umweltschutz ausgebremst?
Neben den Problemen am Weltmarkt werden unweigerlich die Produktionskosten in den kommenden Jahren steigen. Übrigens nicht nur in Deutschland, sondern sicher auch bei den niederländischen und dänischen Berufskollegen. Für diese Entwicklung sind die rechtlichen Pflöcke schon weitestgehend eingeschlagen, sei es die Forderung nach Abluftreinigung, die Verschärfung der Düngeverordnung oder die steigenden Anforderungen an Tierwohl und Tierschutz.
In Nordwestdeutschland sind schon heute Mastschweine mit bis zu 15 € durch Gülleverwertung und Abluftreinigung belastet. Tendenz steigend! Im Gegenzug rüsten insbesondere südamerikanische Länder in der Veredlung auf, um Importländer zu erobern. Dies mit deutlich niedrigeren Produktionskosten als in Mitteleuropa üblich.
Dass weiteres Wachstum nicht mehr möglich scheint, wird zu verkraften sein. Die eigentliche Katastrophe hingegen ist, dass mit der Verhinderung von Stallbauten jegliche Innovation insbesondere auch in Richtung Tier- und Umweltschutz unterbunden wird.
Fakt ist, dass heute in der Schweinehaltung fast nur noch Investitionsbereitschaft in den Größenordnungen vorhanden ist, die an den UVP-Schwellenwerten kratzen oder sie schon überschreiten. Genau diese Betriebe wären in der Lage, eine entsprechende Entwicklung voranzutreiben. Was nutzen womöglich bereitgestellte Fördergelder für mehr Tierwohl, wenn Betriebe mit Investitionsbereitschaft keine Genehmigungen mehr erhalten?
Das gilt gleichermaßen auch für bereits vorhandene Bestände. Denn die BauGB-Novelle greift nicht nur bei Neubau und Erweiterung von Anlagen, sondern auch schon bei deren Änderung. Ist der Betrieb UVP-vorprüfungspflichtig und möchte dieser z.B. den Schweinen mehr Fläche anbieten, wird er ausgebremst. Ein Bärendienst für Tier- und Umweltschutz!
Fazit
Die deutsche Schweineproduktion ist gut aufgestellt. Die Entwicklung der letzten 15 Jahre hat maßgeblich dazu beigetragen. Diese Stellung am Markt sollte bewahrt werden.
Unter anderem durch die Novellierung des Baugesetzbuchs werden viele investitionswillige Schweinehalter ausgebremst. Dies wird über die sehr geringe Anzahl aktuell eingereichter Bauanträge dokumentiert.
Mit der Verhinderung von neuen Stallbauten wird Innovation insbesondere auch in puncto Tier- und Umweltschutz unterbunden. Ein Masterplan für die deutsche Schweineproduktion lässt sich darin nicht erkennen.