Jens van Bebber und seine Frau Katja mästen Schweine in umgebauten Offenfrontställen. Für das Fleisch haben sie mit Partnern eine eigene Vermarktungskette aufgebaut.
Michael Werning, SUS
Deutschland setzt mit seinen Produktionsstandards international Maßstäbe. Doch die Margen der Erzeuger werden immer kleiner. „Das passt nicht zusammen“, meint Schweinehalter Dr. Jens van Bebber aus Samern, Grafschaft Bentheim. „Ein Kernproblem ist, dass unser Fleisch auf den Märkten zur anonymen Massenware verkommt“, argumentiert van Bebber.
Zusammen mit seiner Frau Dr. Katja Bodenkamp stieg er 2000 in den Betrieb der Schwiegereltern ein. Zu der Zeit wurden dort jährlich rund 30000 Schweine in konventioneller Haltung gemästet. Heute bedient das Landwirts-Ehepaar mit Offenfrontställen, Einstreu und alternativen Rassen mit Ringelschwanz immer mehr die Premiumfleisch-Schiene.
Direktvermarktung lernen
Doch bis dahin war es ein weiter Weg. Seinen Anfang nahm alles 2009 mit der Aufzucht und Vermarktung von Bunten Bentheimern. Diese Schweinerasse hat wie der Betrieb seinen Ursprung in der Grafschaft. „Wir betraten mit der Direktvermarktung absolutes Neuland. Da galt es, zur Risikominimierung erst einmal im kleinen Rahmen Erfahrungen zu sammeln“, beschreibt Katja Bodenkamp deren Herangehensweise.
Für sie war klar, dass bevor sich die ersten Bentheimer auf den Weiden des Betriebes tummeln können, der Absatz der schlachtreifen Tiere sichergestellt werden muss. Der herkömmliche Vermarktungsweg über den Viehhandel bzw. die Großschlachterei kam nicht infrage. Zudem stand von vornherein fest, dass die Vermarktung an den Endkunden, beispielsweise über einen Hofladen, nicht aufgenommen werden sollte. Daher suchten die Landwirte einen Schlachter und Wiederverkäufer.
Lange dauerte es nicht, bis in dem regionalen Fleischverarbeiter Schinkenmanufaktur H. Klümper ein geeigneter Partner gefunden wurde. Zusammen gründete man das „Grafschafter Genusskontor“, um unter der Marke „Specktakel“ feine Spezialitäten vom Bunten Bentheimer zu vertreiben.
Strukturen aufbauen
Nachdem der Absatz geklärt war, stand mit dem Zukauf der Tiere der vermeintlich einfachste Teil an. Doch hier musste die nächste Lösung gefunden werden, denn es waren kaum Bentheimer-Ferkel am Markt verfügbar. „Als ich nach 50 Ferkeln fragte, haben die vom Zuchtverband nur gelacht und gesagt, dass ich vielleicht fünf bekommen könnte“, blickt van Bebber zurück.
Da so eine stetige Belieferung des Fleischverarbeiters nicht möglich war, entschieden sie sich kurzerhand dazu, selbst in die Zucht einzusteigen. Mittlerweile zählen zu ihrer Zuchtherde 25 Sauen, die auf dem Biobetrieb eines befreundeten Berufskollegen gehalten werden. Mit rund 20 kg Lebendgewicht kommen die Ferkel auf den Betrieb, wo sie im Sommer auf zwei Weiden und im Winter im Offenstall gehalten werden.
Zwar ist das Grafschafter Genusskontor noch aktiv, die Hauptvermarktung erfolgt aber inzwischen über die Lastruper Wurstwaren aus dem Oldenburgischen Münsterland. „In deren eigener Premium-Schiene Kalieber ist das qualitativ herausragende Fleisch unserer Bentheimer bestens aufgehoben“, ist sich das Unternehmerpaar sicher.
Bentheimer als Türöffner
Obwohl darin viel Herzblut steckt, mehr als eine Nische stellen die Bunten Bentheimer für die promovierten Landwirte nicht dar. Die buntgefärbten Tiere sollten aber maßgeblich dazu beitragen, dass ihre Zukunftspläne weiter Fahrt aufnahmen. „Sie waren praktisch unser Türöffner, denn darüber lernten wir sehr viele Leute mit ähnlichen Ambitionen kennen“, so van Bebber.
Einer davon war Paul Brand, der in seinem Schlachthof in Lohne rund 12000 Schweine die Woche schlachtet. Der Unternehmer beschäftigt sich schon lange mit Qualitätsfleischprogrammen. Verwundert darüber, dass ein konventioneller Mastbetrieb dieser Größenordnung in die Direktvermarktung von Bunten Bentheimern eingestiegen ist, suchte dieser das Gespräch mit den Schweinehaltern. „Als ich ihm erzählte, dass wir uns Ähnliches auch im deutlich größeren Umfang vorstellen können, war sein Interesse sofort geweckt“, beschreibt Jens van Bebber das erste Zusammentreffen.
„The Duke of Berkshire“
Über den Schlachter kam auch schnell der Kontakt zum Handelshof zustande. Der deutschlandweit agierende Großvertrieb vermarktet Fleischerzeugnisse für den Gastronomie- und Hotellerie-Bedarf. Um sich im Markt abzusetzen, setzt das Unternehmen seit 2014 auf die exklusive Vermarktung von „Duke of Berkshire“-Fleisch. Die Tiere sind eine Kreuzung zwischen dem Berkshire, welches aus Oxfordshire in Großbritannien stammt, und dem Large White. Das Fleisch dieser Tiere ist sehr fein marmoriert, womit es in seiner Zartheit dem Fleisch des japanischen Wagyu-Rindes ähnelt.
Weil nicht nur Spitzenköche dieses besondere Fleisch für sich entdeckten, hinkte die Erzeugung schnell der Nachfrage hinterher. Händeringend wurden weitere landwirtschaftliche Erzeugerbetriebe gesucht. „Unter diesen Bedingungen dauerte es nicht lange, bis sich alle Beteiligten einig waren, dass hier etwas Tolles entstehen konnte“, erzählt Betriebsleiterin Katja Bodenkamp.
Ställe jetzt mit Außenklima
Nun sahen die Schweinemäster ihre Chance gekommen, die Schweineerzeugung auf dem Betrieb im großen Stil umzubauen. Die teils über 40 Jahre alten Ställe bereiteten van Bebber schon lange keine Freude mehr: „Seit Jahren stand im Raum, Schweine in Offenfrontställen zu mästen. Bisher fehlte dafür aber schlichtweg die wirtschaftliche Perspektive.“
Am liebsten hätten die Landwirte die vorhandenen zwangsbelüfteten Ställe abgerissen und an selber Stelle neue Freiluftställe errichtet. Aufgrund der gewerblichen Bewirtschaftung erhielten sie aber keine Baugenehmigung. Nach langem Hin und Her wurde ihnen lediglich gestattet, die alten Ställe umzubauen. Zusätzlich galt die Auflage, dass die Baustatik des Gebäudes nicht verändert wird.
Nach einer Bestandsaufnahme entschlossen sie sich dazu, zuerst einen der beiden 1800er–Mastställe auf der Hofstelle umzubauen. Im April 2015 wurde der vorläufig letzte Durchgang ausgestallt und mit der Entkernung des Stalles begonnen.
Bereiche klar abgegrenzt
Soweit es das vorhandene Ständerwerk zuließ, wurden als entscheidender Teil der Umgestaltung die Seitenwände des Stalles abgetragen und durch Windschutznetze ersetzt.
Bei der Strukturierung der Buchten legten die Schweinehalter großen Wert darauf, dass sich klar die Funktionsbereiche Ruhen, Fressen und Koten herauskristallisieren. Der am Zentralgang gelegene Liegebereich bildet dabei mit seiner höhenverstellbaren Abdeckung den Mikroklimabereich. Das Einstreuen mit Stroh erfolgt direkt per Hand vom Gang aus.
An den Liegebereich schließt sich der ebenfalls planbefestigte Fressbereich an. Einen Trog oder Breiautomaten sucht man vergeblich. Gefüttert wird per vollautomatischer Bodenfütterung. „Das gemeinsame Fressen vom Boden stellt die natürliche Futteraufnahme der Tiere dar. Dadurch, dass das Futter auf dem Boden verteilt wird, erhöht sich die Zeitdauer der Futtersuche und Aufnahme. Die Tiere sind in natürlicher Weise beschäftigt“, berichtet van Bebber. Direkt an der offenen Außenseite der Bucht befindet sich der gut definierte Kotbereich. Die übrigen Bereiche werden sauber gehalten.
Die Kernsanierung und die Erweiterung des Platzangebotes auf 1,5 m2 pro Tier hat allerdings einiges an Stallkapazität und Geld gekostet. „Die verbliebenen 1000 Mastplätze hätten wir für das Geld auch fast neu bauen können“, resümiert der Landwirt.
Mehrarbeit wird bezahlt
Nach einer Bauzeit von gut sechs Monaten konnten im Oktober 2015 die ersten Duke of Berkshire-Schweine eingestallt werden. Alle drei Wochen erhält der Betrieb 160 Ferkel von Johannes Erchinger aus Leer. Der Outdoor-Sauenhalter ist ebenfalls ein Kontakt, der über die Bunten Bentheimer zustande kam.
Dessen im Freiland aufgezogenen Ferkel sind unkupiert, aber kastriert. „Wir würden gerne darauf verzichten. Da wir aber in einem engen Verhältnis zu unseren Endkunden stehen, fürchten wir die 3 bis 5% Stinker“, erläutern die Grafschafter.
Ihr Auszahlungspreis orientiert sich nicht an der VEZG-Notierung. Im Vorfeld wurde mit den Kooperationspartnern ein Festpreis ausgehandelt, der die Produktionskosten und eine Gewinnmarge abdeckt. Dabei müssen sie unter anderem die schlechtere Futterverwertung der Tiere und den hohen Arbeitszeitbedarf von ca. 1,5 Stunden pro Mastplatz und Jahr einkalkulieren.
Da die Rechnung bisher aufgeht, wird derzeit der zweite 1800er Maststall umgebaut. Im Anschluss daran sollen die restlichen 2400 Plätze folgen, die sich – auf mehrere Ställe verteilt – ebenfalls auf der Hofstelle befinden. Hier werden derzeit noch Ferkel dänischer Genetik konventionell gemästet.
Der Stall für 4000 Tiere, der in den 80er-Jahren rund 3 km vom Betrieb entfernt gebaut wurde, ist verkauft worden. Selbst mit größtem Aufwand sahen die ambitionierten Schweinemäster hier keine Chancen, ohne einen Eingriff in die Gebäudestatik auf ein freibelüftetes Haltungssystem umzustellen.
Sind alle verbliebenen Ställe umgebaut, ist der Schweinebestand von ehemals 10000 Tieren auf 3500 geschrumpft. Für van Bebber nur ein logischer Schritt: „Unser Ziel ist ganz klar, mit weniger Schweinen eine höhere Wertschöpfung zu erzielen und das werden wir auch schaffen!“
Fazit
Die Schweinemäster Jens van Bebber und Katja Bodenkamp haben sich mit viel Engagement, Ideenreichtum und gleichgesinnten Geschäftspartnern eine eigene Wertschöpfungskette aufgebaut, die auch eine innovative Schweinehaltung stützt.
Zwar ist die Produktion durch die kostenintensive Haltung und den Einsatz einer weniger leistungsstarken Genetik teurer. Das hohe Vermarktungspotenzial ihres Schweinefleisches rechtfertigt aber diesen Mehraufwand.