Ralf Remmert entwickelt tierfreundliche Haltungssysteme und probiert sie aus. Der Direktvermarkter punktet damit bei Verbrauchern und Medien.
Fred Schnippe, SUS
Unsere moderne Tierhaltung verliert zunehmend die Akzeptanz in der Bevölkerung. Auch unser Betrieb stand vor einigen Jahren in der Kritik. Als Direktvermarkter müssen wir auf die Reaktionen der Kunden sensibel eingehen.
Schon 2015 wurde mir klar, dass wir unsere Schweinehaltung aktiv neu gestalten müssen. Die Umstellung unserer 1300 er-Sauenanlage auf Bio kam für uns aber nicht infrage. Denn in unserem Kerngebiet im nördlichen Brandenburg muss das Fleisch bezahlbar bleiben. Die Kaufkraft in der ländlichen Region ist begrenzt.
Wir haben uns daher bewusst für einen Weg zwischen der konventionellen und ökologischen Haltung entschieden. Mein Ziel ist dabei eine ganzheitliche Betrachtung vom selbst erzeugten Futter bis zum Fleisch in den hofeigenen Fachgeschäften.
Besucherraum gebaut
Für ganz wichtig halte ich Transparenz. Ich will dem Verbraucher die Tiere im Stall zeigen. Hierzu haben wir im neuen Abferkelbereich einen Besucherraum eingerichtet. Diesen können Schulklassen, Kindergärten oder andere Interessierte betreten, ohne die Biosicherheit zu gefährden. Die Erfahrungen sind durchweg positiv.
Doch das Öffnen der Stalltüren allein reicht nicht. Wir müssen auf die Kritik der Verbraucher eingehen. Viele Menschen stoßen sich an den Eingriffen am Tier. Wir versuchen daher, so weit wie möglich darauf zu verzichten.
Mit vertretbarem Aufwand ist uns der Umstieg auf die Ebermast gelungen. So kastrieren wir bereits seit einigen Jahren nicht mehr. Auch kommen wir mit flankierenden Maßnahmen weitgehend ohne das Zähneschleifen aus. Ein Kraftakt ist dagegen der Verzicht auf das Schwänzekupieren. Unsere Ferkelaufzucht ist das Nadelöhr. Hier tritt Schwanzbeißen meist zuerst auf.
Um Erfahrungen zu sammeln, haben wir bereits vor vier Jahren bei einigen Buchten die Schwänze nicht gekürzt. Schnell wurde klar: Die Haltung von Langschwänzen ist in konventionellen Ställen sehr schwierig. Es scheitert insbesondere an der Buchten- struktur und am Angebot von Strukturfutter.
So zeigten unsere Versuche, dass z.B. Heu die Tiere effektiv beschäftigt und Schwanzbeißen vermindert. Doch im Güllesystem führte das Strukturfutter zu massiven Verstopfungen. Nach einigen Tests stand fest, dass wir ein völlig neues Haltungssystem für unkupierte Ferkel brauchen. Vom klassischen Spaltenboden mussten wir uns verabschieden.
Da es hierzu praktisch keine Erfahrungen gibt, haben wir testweise einige Aufzuchtbuchten umgebaut. Die wichtigsten Anpassungen sind der komplett planbefestigte Boden und die klare Trennung der Funktionsbereiche für Fressen, Liegen und Koten.
Planbefestigte Böden
Eine Besonderheit ist das Kotband aus Kunststoff. Das Band lässt den Harn durchsickern und fördert den Kot aus dem Abteil. Die Technik kommt auch mit Resten vom langfaserigen Raufutter zurecht. Zudem sorgt die Trennung von Kot und Harn für weniger Ammoniak im Stall.
Die Festflächen streuen wir alle drei bis vier Tage mit einer kleinen Menge Sägemehl ein. Stroh im Liegebereich ist aus meiner Sicht nicht nötig. Im Gegenteil: Tiefstreu bringt hygienische Probleme und keinen höheren Komfort.
Die zweite wichtige Veränderung ist das permanente Angebot von Raufutter. Dieses füttern wir auf dem Boden im Aktivitätsbereich. Sehr gut funktionieren Luzernesilage und Heu. Wichtig ist, dass man das Raufutter zwei- bis dreimal täglich frisch vorlegt. So beschäftigen sich die Tiere über Stunden intensiv damit und neigen deutlich weniger zum Schwanzbeißen.
Kürzer im Ferkelschutzkorb
Wichtig ist mir auch, den ferkelführenden Sauen mehr Freilauf anzubieten. Von der Abferkelung in der Gruppe halte ich wegen der hohen Ferkelverluste und den Risiken für das Personal aber wenig. Wir haben daher mit einem Stallbauer ein Konzept eingebaut, wo wir den Ferkelschutzkorb zwei Wochen nach der Geburt öffnen. Wir haben das Management angepasst und kommen mit dem Freilauf gut zurecht.
Natürlich können wir nicht in einem Zug unsere ganze Anlage auf neue Haltungssysteme umstellen. Vielmehr testen wir in einigen Abteilen immer wieder neue Ansätze. Funktionieren sie, stellen wir nach und nach um.
Unsere Kunden und die Medien wissen das zu schätzen. So stehe ich für Anfragen der regionalen Presse bereit. Im Sommer besuchte der Tierschutzbeauftragte Brandenburgs unseren Betrieb. Der Fernsehsender RBB hat positiv darüber berichtet. Auch der Beitrag im ZDF-Mittagsmagazin hat unsere Bemühungen in puncto Tierschutz sachlich dargestellt und gewürdigt.
Ich zeige bei Betriebsbesuchen ehrlich, wie wir unsere Tiere halten und wo Verbesserungspotenziale sind. So wächst auch das Verständnis.