Die Schweizer sind Vorreiter in puncto Langschwänze und freie Abferkelung. Florian Steiner züchtet Edelschweine, die bestens mit dieser Haltung zurechtkommen.
Heinrich Niggemeyer, SUS
Zur freien Abferkelung müssen Sau, Bucht, Geburtsgewichte und Management passen. Und Langschwänze vertragen keine Stressmomente“, bringt es Florian Steiner von der Schwizer Walenstadt AG auf den Punkt. Er züchtet Schweizer Edelschweine der Mutter- und Vaterlinie und ist einer der 30 Kernzuchtbetriebe der Zuchtorganisation Suisag.
Der 28-Jährige gelernte Landwirt hat 2011 auf dem Hof der Schwizers angefangen und konnte gut drei Jahre lang von Züchter Othmar Schwizer lernen und von seinem Wissen profitieren, bevor dieser 2014 verstarb.
Seit vier Jahren betreut der junge Betriebsleiter zusammen mit zwei festen Mitarbeitern die Schweinezucht mit 140 Sauen und koordiniert das Ausliefern der Zuchttiere. Auch der Weinbau auf 0,5 ha gehört zu seinen Aufgaben. Um die Finanzen, Buchführung und den Hofladen kümmert sich Claudia Schwizer, die den Betrieb nach dem Tod ihres Mannes in eine Aktiengesellschaft überführt hat.
Herde jung halten
Der Betrieb ist flächenlos, sodass das Futter komplett zugekauft sowie die Gülle an Ackerbaubetriebe abgegeben werden müssen. Die Entsorgungskosten liegen bei rund 10 €/m3. „Das Gute daran ist, dass ich mich so voll und ganz auf die Zucht konzentrieren kann“, erzählt der junge Züchter.
Die Sauenherde führt er im Drei-Wochen-Rhythmus. Die Remontierungsrate liegt bei gut 50%. Die Jungsauen werden bereits mit 180 bis 200 Tagen belegt. Aus der Sicht des Züchters hat dies folgende Vorteile:
- Das Generationsintervall ist recht kurz. Da Steiner zudem bevorzugt KB-Vererber mit Top-Zuchtwerten einsetzt, kann er das genetische Niveau der Herde auf hohem Niveau halten.
- Der Betrieb verzichtet auf eine hormonelle Zyklussynchronisation bei den Jungsauen. Die Rauschen werden durch Umstallen und gezielten Eberkontakt ausgelöst. Dies funktioniert bei sechs Monate alten Jungsauen in der Regel gut, bei älteren bereits zyklischen Tieren jedoch nicht immer.
- Dem Züchter ist ein enges Zeitfenster bei den Geburten wichtig, um die Würfe optimal auszugleichen und das Rein-Raus-System nicht zu unterwandern. Deshalb werden außerhalb der üblichen Besamungswochen belegte Jungsauen an Kundenbetriebe weitergegeben. Dies macht etwa 5% aller Jungsauenverkäufe aus.
- Dass aufgrund des relativ niedrigen Erstabferkelalters weniger Ferkel geboren werden, kommt dem Betriebsleiter sogar entgegen. „Der Herdenschnitt liegt bei 13,8 lebend geborenen Ferkeln. Wenn der erste Wurf etwas kleiner ausfällt, werden Ferkel zugesetzt“, so der Züchter.
- Auch fallen bei einem frühen Erstbelegalter weniger Futtertage an. Bei 80 zu remontierenden Jungsauen im Jahr schlagen so rund 2400 Futtertage weniger zu Buche.
Das frühe Belegen macht einige Sonderbehandlungen unumgänglich. So werden die Jungsauen z.B. nicht wie die Altsauen im Kastenstand, sondern einzeln in der Bucht besamt. „Ich möchte ihnen Stress ersparen, zumal die jungen Tiere sich im Kastenstand drehen würden“, argumentiert der Züchter.
Eingliedern ohne Stress
Nach der Besamung bleiben die Jungsauen bis zum 50. Trächtigkeitstag in ihren Buchten. Danach werden sie zusammen mit den Erstlingssauen in eine dynamische Gruppe mit Abruffütterung gegeben. „Dann sind die Jungsauen etwas robuster und lernbereit. Der behutsame Umgang beim Anlernen zahlt sich später bei der Abferkelung aus,“ meint der Sauenexperte. Auch das Aufsplitten der Herde in jung und alt hat sich bewährt. „Die Gewichtsunterschiede sind einfach zu groß. So kann ich Rangeleien auf ein Minimum einschränken“, betont der Betriebsleiter.
Das Umstallen in den Abferkelbereich geschieht bereits um den 104. Trächtigkeitstag. Das kommt gerade den Jungsauen zugute, die sich an die neue Umgebung gewöhnen müssen. Nach dem Abferkeln ist die Energieaufnahme entscheidend. Um diese bei den jungen Sauen sicherzustellen, setzt Steiner ein Top-Dressing mit 17 MJ ME ein. „Etwa ab der zweiten Säugewoche bekommt jede Erstlingssau zweimal pro Tag einen Becher des Spezialfutters. Das hilft, die Kondition zu halten“, so Steiner.
Ausgefeilte Abferkelbucht
Der Betrieb verfügt über zwei Abferkelabteile mit je 20 Freilaufbuchten. Vorne am Gang befindet sich das beheizte Ferkelnest, welches abgedeckt ist. Daran schließt sich der planbefestigte Liegebereich der Sau an, der mit Abweisbügeln ausgestattet ist. Zur Außenwand aus Beton schließt sich der Kotbereich an. Dieser ist zu 3/4 vom Liegebereich mit einer Buchtenwand abgetrennt sowie mit Metallrosten ausgelegt.
Der Verzicht auf den Ferkelschutzkorb macht sich bei Steiner nicht durch höhere Erdrückungsverluste bemerkbar. Im ersten und zweiten Wurf kommen seine Sauen bestens mit den 7 m2 zurecht. „Für die schweren Altsauen wäre sicherlich eine noch größere Bucht von Vorteil“, räumt Steiner ein.
Neben Größe und Struktur der Bucht spielt allerdings auch das Management eine große Rolle. In der Abferkelwoche werden freitags bei ca. 60% der Sauen die Geburten eingeleitet. „Am darauffolgenden Tag ist Geburtswache angesagt. Ich übernehme diese Sonderschichten gern, da ich gespannt bin, wie die Würfe aus den Eliteanpaarungen ausfallen“, verrät der Züchter.
Zur Vorbereitung auf die Geburt wird den Sauen genügend Nestbaumaterial in Form von Stroh vorgelegt. Wichtig ist, dass das Ferkelnest bereits vor der Geburt aufgeheizt wird. Mit MMA hat der Sauenexperte keine Probleme. Dies liegt daran, dass die Muttertiere genügend Bewegung haben und vor dem Abferkeltermin faserreiches Futter bekommen. Insgesamt bleibt der Sauenhalter bei den Ferkelverlusten deutlich unter der 10%-Marke, was die Basis für die erreichten 30 aufgezogenen Ferkeln je Sau und Jahr ist. Das Ziel ist allerdings, die 5%-Marke zu erreichen.
Heile Schwänze
In der Schweiz gilt seit 2008 das absolute Kupierverbot. Damit hat sich die Branche arrangiert, auch wenn es von den Schlachthöfen vereinzelt Hinweise auf verletzte Schwänze gibt. „Bei einem plötzlichen Wetterumschlag oder technischen Problemen mit der Fütterungsanlage kann das Schwanzbeißen auch bei uns vereinzelt auftreten,“ so Steiner.
Zur Absicherung bietet der Züchter ein ganzes Paket von Maßnahmen an:
- In allen Bereichen wird hochwertiges Heu angeboten. Im Jahr kommen so 10 t zusammen, die Steiner aus dem benachbarten Österreich bezieht. Zusätzlich bietet er geringe Mengen Häckselstroh auf den Liegeflächen an.
- Neben dem Rohfaserangebot ist der Gesundheitsstatus wohl der zweitwichtigste Faktor. Der Betrieb ist PRRS- und Mykoplasmen-frei. Der Betrieb verzichtet selbst auf die Circo-Impfung.
- Steiner schwört auf Sauermolke, die einmal wöchentlich geliefert und über die Flüssigfütterung zugeteilt wird. Zusätzlich setzt er Obsttrester ein. „So halten wir den Darm gesund, was sich positiv auf das Verhalten auswirkt“, meint der Schweinespezialist.
- Die 28 Tage lange Säugezeit und das Anfüttern der Ferkel sind wichtig, damit die Tiere beim Absetzen reif und stabil sind. Das Absetzgewicht beträgt im Schnitt 7,8 kg.
- Auch die Flüssigfütterung in der Ferkelaufzucht sowie die Zucht auf Coli-Resistenz helfen, die Absetzphase gut zu überstehen.
- Lüftung und Außenklimareiz können ebenfalls Problemen vorbeugen. In der Jungsauenaufzucht stehen wie für die tragenden Sauen überdachte Ausläufe zur Verfügung.
Strenge Selektion
Steiners Edelschweinsauen sollen ruhig und dennoch sehr aufmerksam sein. Zwar zielt die Zucht auf die Wurfgröße, Ferkelverluste und Geburtsgewichte ab. Neben den Zuchtwerten hat Steiner bei den Zuchtanpaarungen immer im Blick, dass die Sau leicht zu händeln ist. Das fängt damit an, dass die Sau auch bei Sommerhitze pünktlich rauschen muss. Wichtig ist ihm auch das Gesäuge. Das Ziel sind 8/8 Zitzen, wobei 4/4 Zitzen vor dem Nabel platziert sein sollten. Und das Fundament muss ebenfalls in Ordnung sein.
Schließlich lebt der Betrieb vom Jungsauenverkauf. Dies sind in der Summe etwa 700 Stück im Jahr, 60 % reine Edelschweine und 40 % Kreuzungstiere. Zusätzlich werden rund 150 Premo-Eber aufgezogen, wobei 70 bis 80 Tiere in den Verkauf gehen.
„Einerseits züchten wir Sauen, die kräftige und robuste Ferkel zur Welt bringen sowie gegen einige wichtige Krankheiten resistent sind. Andererseits steht natürlich die Fleischqualität im Vordergrund“, so der Betriebsleiter weiter. Gerade bei der Eberlinie Premo wird diesbezüglich auf viele unterschiedliche Faktoren geachtet, z.B. auf einen perfekten Anteil von intramuskulärem Fett, viele gute Fettsäuren und möglichst wenig Tropfsaftverlust. Die Fleischqualität wird regelmäßig analysiert – pro Stammsau gibt Steiner ein männliches und ein weibliches Ferkel an die Prüfstation in Sempach. Die Ergebnisse fließen dann in die Zuchtwertschätzung mit ein.
Was dem Endverbraucher wichtig ist, bekommt Claudia Schwizer täglich beim Fleischverkauf im Hofladen zu hören. „Die Kunden erwarten, dass unser Fleisch besser schmeckt als das, welches man hinter der Grenze in Deutschland oder Frankreich kaufen kann. Das ist ein hoher Anspruch, den wir täglich erfüllen müssen.“
Fazit
- Florian Steiner und Claudia Schwizer züchten Schweizer Edelschweine. Die 140er-Sauenherde wird im Drei-Wochen-Rhythmus geführt.
- Die Sauen werden streng nach Wurfleistung und Umgänglichkeit selektiert. Die Eliteanpaarungen erfolgen in Absprache mit dem Zuchtverband.
- Dank angepasster Buchtenstruktur und Top-Management liegen die Saugferkelverluste unter 10 %. Der Betrieb zeigt, dass auch mit Freilaufbuchten 30 aufgezogene Ferkel möglich sind.
- Das Fleisch der ausselektierten Tiere wird z.T. über den Hofladen verkauft. Mit dieser Wertschöpfungstiefe schafft der Betrieb, die hohen Poduktionskosten abzudecken und ein auskömmliches Einkommen zu erwirtschaften.