Durchfälle sowie die Ödemkrankheit entstehen durch Colibakterien. Die Ferkel sterben oder bleiben in ihrer Gewichtsentwicklung zurück. Eine Impfung kann helfen.
Dr. Ines Spiekermeier, SGD Niedersachsen
Saugferkeldurchfall, Absetzdurchfall oder Ödemkrankheit sind den meisten Landwirten ein Begriff. Für alle drei genannten Symptomkomplexe kann derselbe Keim verantwortlich sein: Escherichia coli.
Dabei sind E.coli-Keime immer auch Bestandteil der natürlichen Darmflora von Schweinen. Viele Stämme sind harmlos und nur wenige können gefährlich werden.
Dies liegt an zwei Fähigkeiten. So muss sich das Bakterium mithilfe der Fimbrien an der Darmwand anheften können. Es gibt unterschiedliche Fimbrien, die mit z.B. F4, F5, F41 bezeichnet werden. Und das Bakterium nutzt die Möglichkeit, Giftstoffe zu bilden. Die wichtigsten Toxine sind das hitzelabile (LT) und das hitzestabile (ST) Enterotoxin.
Anheftungsfaktoren und Toxine werden als sogenannte Virulenzfaktoren bezeichnet. Sie können mit geeigneter Diagnostik nachgewiesen werden. Auf dieser Grundlage kann dann entschieden werden, ob es sich bei dem gefundenen E.coli-Stamm um einen krankmachenden Stamm handelt oder nicht. Außerdem spielen die Virulenzfaktoren eine entscheidende Rolle bei der Auswahl des Impfstoffes, denn nicht jeder Impfstoff deckt alle pathogenen E.coli-Keime ab.
Ferkeldurchfall nach Geburt
E.coli-bedingter Saugferkeldurchfall kann bereits wenige Stunden nach der Geburt auftreten. Häufig sind die Jungsauenwürfe betroffen. Erstlingssauen sind noch nicht vollständig an die Keimflora des Bestandes angepasst und können ihre Ferkel über die Biestmilch noch nicht mit den passenden, schützenden Antikörpern versorgen. In an-deren Fällen ist aber auch die komplette Abferkelgruppe oder nur einzelne Würfe, unabhängig von der Wurfnummer der Sau, betroffen.
Erkrankte Ferkel zeigen teils nur milden Durchfall, teils auch stark wässrigen, weiß- oder gelblichen Kot. Der Effekt der Austrocknung ist bei Colidurchfall besonders ausgeprägt, da bestimmte Toxine die Darmzellen dazu bringen, vermehrt wasseranziehende Elektrolyte in den Darm abzugeben. Die Quote verendeter Tiere kann bis zu 50 % betragen.
Der Nachweis der Colikeime kann durch Kottupfer aus dem Enddarmbereich entnommen werden. Alternativ kann die Probe aus dem Dünndarm erfolgen, die im Rahmen einer Sektion entnommen wird. Eine Typisierung des gefundenen E.coli-Keims macht in beiden Fällen Sinn, um zu entscheiden, ob es sich überhaupt um einen krankmachenden Vertreter handelt.
Bei der Therapie der Durchfallerkrankung ist Eile geboten. Der Ersatz verlorener Flüssigkeit und Elektrolyte erfolgt am besten mit einer Elektrolyt-Glukoselösung, die direkt ins Maul oder in die Kniefalte gegeben wird. Des Weiteren sollte der Wurf antibiotisch versorgt werden, wobei die Resistenzlage zu berücksichtigen ist. Hierfür empfiehlt sich in der Regel eine Infektionsbehandlung. Zusätzlich sollte ausreichend Tränkwasser zur Verfügung gestellt werden, am besten in flachen Schalen, damit zusätzlicher Bedarf auch von den Ferkeln selber gedeckt werden kann.
Sauenimpfung kann helfen
Es macht keinen Sinn, die jungen Ferkel gegen Durchfall zu impfen. Hier kann die Impfung der Sauen vor der Geburt (Mutterschutzimpfung) eine Möglichkeit sein. Entsprechende Impfstoffe werden angeboten (siehe Übersicht 1). Die von der Sau gebildeten Antikörper werden dann über das Kolostrum an die Ferkel weitergegeben.
Die Grundimmunisierung der Sauen erfolgt durch eine Zweifachimpfung vor der Geburt, eine Wiederholungsimpfung vor dem nächsten Wurf reicht dann einmalig. Wichtig ist, bei sehr großen Würfen besonderen Fokus auf eine ausreichende Kolostrumaufnahme bei den kleinen bzw. zuletzt geborenen Ferkel zu legen, da diese besonders krankheitsanfällig und häufig unterversorgt sind.
Verschiedene kommerziell hergestellte Impfstoffe decken neben Coli-Keimen auch Clostridien ab. Sollte die Impfung nicht den gewünschten Erfolg bringen, kann versucht werden, aus den isolierten und eventuell nicht vom kommerziellen Impfstoff abgedeckten E.coli-Stämmen einen stallspezifischen Impfstoff herzustellen.
Da sich die passiv übertragenen maternalen Antikörper im Laufe der Zeit abbauen, bietet die Mutterschutzimpfung maximal einen Schutz bis zum Beginn der Ferkelaufzucht. Vor späteren Erkrankungen ist das Ferkel somit nicht geschützt.
Durchfall beim Absetzen
Auch für den klassischen Absetzdurchfall können pathogene ETEC-Stämme (enterotoxische E. coli) verantwortlich sein. Zum Stress des Absetzens kommt der Wegfall der Milch als Hauptnahrungskomponente hinzu, sodass Magen und Darm besonders gefordert und somit auch besonders anfällig gegenüber einer Vermehrung von Durchfallerregern sind.
Die Verläufe der Durchfallerkrankung sind sehr unterschiedlich. Sie reichen vom milden „Kleckern“ bis hin zu plötzlich auftretenden toten Tieren, bei denen kaum Durchfall zu sehen ist. Die Begleitsymptome sind ähnlich wie beim Saugferkeldurchfall und reichen von Austrocknen bis hin zu Apathie und Kreislaufversagen. Todesfälle sind nicht selten. Auch später sieht man den Tieren die Erkrankung häufig noch an.
Diagnostisch kann ähnlich wie beim Saugferkeldurchfall vorgegangen werden. Neben der Entnahme von Kotproben und Typisierung der gefundenen E.coli-Keime können sie auch durch eine Sektion direkt aus dem Darm isoliert werden.
Maßnahmen gegen E.coli
Während früher der Absetzdurchfall häufig mit Colistin behandelt wurde, ist das heute aufgrund des restriktiveren Einsatzes von Antibiose und der kritischen Diskussion des Wirkstoffes Colistin nicht mehr „state of the art“. Colistin wird als Reservewirkstoff auch in der Humanmedizin eingesetzt. Im akuten Fall geht aber häufig kein Weg an einer antibiotischen Therapie vorbei. Gerade bei stark geschwächten Tieren ist eine Injektionsbehandlung zu empfehlen, da sie häufig nicht mehr in der Lage sind, über Futter und Wasser ausreichende Mengen Wirkstoff aufzunehmen.
Vorbeugend ist insbesondere auf frisches Tränkwasser in sauberen Schalen zu achten. Diesem Wasser können bei Bedarf auch Elektrolyte zugesetzt werden, um Verluste durch den Durchfall auszugleichen. Auch bei der Fütterung sollte man möglichst gute Voraussetzungen schaffen. Bewährt hat sich der Einsatz organischer Säurepräparate. Außerdem hilft ein Futter, das aufgeschlossenes Getreide und hochverdauliches Eiweiß enthält.
Es gibt aber auch immer wieder Verläufe, bei denen eine Optimierung des Futters bzw. der Tränkwasserversorgung nicht ausreicht. Für diese Fälle gibt es einen Impfstoff, der direkt beim Ferkel eingesetzt wird (s. Übersicht 2). Die Lebendvakzine wird oral entweder per Drench oder durch Einmischen in das Trinkwasser ab dem 18. Tag verabreicht. Die Impfung bietet einen Schutz gegen bestimmte E.coli-Keime über das Absetzen hinaus.
Tödliche Ödemkrankheit
Die Ödemkrankheit, die auch Coli-Enterotoxämie genannt wird, ist ein weiterer Komplex der Erkrankungen im Zusammenhang mit E.coli. Sie kann äußerst heftig verlaufen. Die Tiere erkranken in der Regel erst im Verlauf der Aufzucht. Zum Teil treten die Probleme aber auch noch zu Beginn der Mast auf.
Mit ihren F18-Fimbrien schafft es der Keim, sich an der Darmwand anzuheften und das gefäßschädigende Shiga-Toxin freizugeben. Es ist ein hochpotentes Gift, das die Blutgefäßwände angreift, sodass Flüssigkeit austritt und Ödeme entstehen. Die Ödeme zeigen sich häufig als geschwollenes Augenlid oder Nasenrücken. Die begleitenden Symptome können sehr unterschiedlich sein. In einigen Fällen findet man nur verendete Ferkel, die häufig in einer Robbenstellung mit nach hinten gestreckten Vordergliedmaßen gefunden werden.
Bei erkrankten Tieren können Teilnahmslosigkeit oder zentralnervöse Störungen beobachtet werden, die zum Teil ähnlich einer Streptokokkenerkrankung sein können. Durchfall ist nicht immer vorhanden, kann aber als Begleitsymptom auftreten. Fast alle erkrankten Tiere verenden, da die Wirkung des hochpotenten Shiga-Toxins meist micht mehr aufzuhalten ist, wenn die typischen Symptome sichtbar sind.
Für die Diagnostik eignet sich entweder eine Sektion oder der Nachweis des Shiga-Toxin produzierenden Stammes aus einer Kotprobe. Charakteristisch für die Ödemkrankheit auslösende E.coli-Keime sind die F18-Fimbrien und das Shiga-Toxin. Bei einer Behandlung mit E.coli wirksamer Antibiose kann es vorerst zu einer Erstverschlimmerung kommen, da durch das Absterben der Bakterien weitere Toxine frei werden und zu einem Anstieg der Verluste führen können.
Neben einer therapeutischen Behandlung kommt diätetischen Maßnahmen eine besondere Bedeutung zu. Eine Erhöhung der Fütterungsfrequenz mit kleineren Portionen ist eine Option. Hierbei ist allerdings ein 1:1-Fressplatzverhältnis nötig. Gut umsetzbar ist eine Absenkung des Proteinanteils der Ration auf unter 18 % und eine Erhöhung des Rohfaseranteils auf über 6 %. Auch der Zusatz organischer Säuren kann zur Stabilisierung des Magen-Darm-Traktes beitragen.
Sollte die Optimierung des Managements nicht den gewünschten Erfolg bringen, ist bei regelmäßigem Auftreten auch eine Impfung in Erwägung zu ziehen. Dabei stehen zurzeit zwei verschiedene Impfstoffe zur Verfügung (siehe Übersicht 3).
Zusammenfassung
- E.coli-bedingte Durchfälle und Ödemkrankheit spielen in der Ferkelerzeugung seit jeher eine große Rolle. Sie können zu Todesfällen oder massiven Einbußen der Leistung führen.
- Bei den ersten Anzeichen müssen schnellstmöglich Maßnahmen ergriffen werden, um die Erkrankung einzudämmen. In Problembetrieben muss eine detaillierte Diagnostik Grundlage für weiteres Handeln sein.
- Neben antibiotischer Behandlungen sind Impfungen zur Prophylaxe möglich. Für die Mutterschutzimpfung stehen u.a. Kombipräparate gegen E.coli und Clostridium perfringens zur Verfügung. Ferkelimpfungen können ebenfalls in Problembetrieben vor colibedingten Absetzdurchfall und Ödemkrankheit schützen.