Können Ferkel trotz Sauenimpfung PRRS-positiv sein? Macht die Sequenzierung der Virusstämme Sinn? Antworten von Dr. Hendrik Nienhoff, SGD Hannover.
Heinrich Niggemeyer, SUS
Wie hoch ist die Impfdichte gegen PRRS?
Bei den Sauen haben wir eine Abdeckung von ca. 90%. Bei hohem Erregerdruck, z.B. wenn Sauen, Ferkel und Mastschweine unter einem Dach gehalten werden, sollten auch die Ferkel ins Impfprogramm einbezogen werden. In den Veredlungshochburgen fragen Mäster und Handel zunehmend nach Circo-, Myko- und PRRS-geimpften Ferkeln, auch wenn diese aus PRRS-negativen Betrieben stammen. Alles in allem wird in Nordwestdeutschland mittlerweile jedes dritte zur Mast eingestallte Ferkel gegen PRRS geimpft. Im Süden und im Osten Deutschlands sind es etwas weniger.
Trotz Impfung kommt es immer wieder zu Problemen. Woran liegt das?
Neben möglichen Impffehlern oder -lücken erklärt sich die scheinbar nur begrenzte Wirkung von PRRS-Impfstoffen mit zwei wesentlichen Eigenschaften des Virus: der erheblichen genetischen Variabilität und den sogenannten Immun-Evasions-Mechanismen. Will heißen: Die Wirkung von PRRS-Impfstoffen bleibt auf eine Verminderung der klinischen Symptomatik beschränkt, aber eine Infektion mit dem PRRS-Virus verhindern die Impfungen nicht.
Das heißt, dass trotz Sauenimpfung die Ferkel PRRS-positiv sein können?
Das ist möglich! In einer PRRS-positiven, aber stabilen Herde kann man es schaffen, von den geimpften Sauen PRRS-negative Ferkel abzusetzen. Werden diese dann in einem Flatdeck getrennt von den Sauen aufgezogen, bleiben sie häufig negativ und durchlaufen die Mast ohne größere Probleme. Jedoch ist es in intensiveren Regionen schwieriger die Sauenherden stabil zu halten, da andere Krankheitserreger eine Rolle spielen oder Neuinfektionen mit anderen PRRS-Stämmen die Herden nicht zur Ruhe kommen lassen. Zudem kommt es häufig in Flatdeck oder Mast zu einen Erregereintrag, z.B. über die Luft oder andere Vektoren. In diesen Situationen kann es sinnvoll sein, auch die Ferkel zu impfen.
Welche Infektionen treten häufig zusammen mit PRRS auf?
In unseren Schweinehochburgen ist die Influenza weit verbreitet. Sie kann in der Mast zu Verlusten und Minderzunahmen und bei Sauen zu Reproduktionsstörungen führen. Influenzaviren sind sehr wandlungfähig und können ihre Oberflächenstrukturen leicht neu kombinieren. Dadurch treten immer wieder neue Stämme auf, die das Immunsystem schädigen. Diese Eigenschaften in Kombination mit der Schwächung des Immunsystems durch PRRS stellt für viele Betriebe eine geradezu „tödliche“ Mischung dar. Die Probleme sind nur schwer zu beherrschen. In solchen Situationen satteln sich bakterielle Erkrankungen noch oben auf.
Werden die Bestände routinemäßig auf PRRS untersucht?
Mit Ausnahme der Zuchtstufe sind regelmäßige Untersuchungen auf PRRS leider nicht der Standard. Nur PRRS-negative Sauenbetriebe schicken regelmäßig Proben, um ihren Status zu bestätigen. In der Mast ist die Untersuchungsdichte noch geringer. Hier werden nur beim Vorliegen klinischer Probleme Proben zur Erregerbestimmung gesammelt.
Warum ist bei Problemen eine diagnostische Aufarbeitung so wichtig?
Weil jeder Fall sich anders darstellen kann. Zunächst muss geklärt werden, ob andere Erreger ursächlich bzw. beteiligt sind und das Problem verkomplizieren. Dann ist mittels Untersuchungen zu klären, ob der Betrieb PRRS-stabil oder -instabil ist. Zu diesem Zweck werden Proben in ausreichender Anzahl von Sauen, Saug- und Aufzuchtferkeln sowie Mastschweinen per PCR auf Feldviren untersucht. Gegebenenfalls ist eine Sequenzierung des gefundenen Virus-Stammes erforderlich.
Welche Erkenntnisse soll die Untersuchung des Virusgenoms bringen?
Die PCR ermöglicht nur einen direkten Nachweis des PRRS-Virus und eine Unterscheidung des amerikanischen und europäischen Genotyps. Die weitergehende Unterscheidung von Feld- und Impfvirus, insbesondere des europäischen Genotyps, ist entweder durch Gensequenzierung möglich oder mittels der sogenannten DV-PCR. Liegt bereits eine Sequenzierung von im Betrieb vorhandenen Stämmen vor, lässt sich über eine aktuelle Sequenzierung festgestellen, ob es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit noch um den gleichen Stamm handelt. Ist dies nicht der Fall, hat sich der Stamm zwischenzeitlich verändert oder es ist ein neuer PRRS-Stamm eingeschleppt worden.
Wann macht eine Sequenzierung Sinn?
Sie macht dann Sinn, wenn es z.B. um einen PRRS-Eintrag in eine vorher negative Herde geht und man wissen will, woher dieser Eintrag stammt. Eine weitere Indikation für eine Sequenzierung kann ein klinisches PRRS-Geschehen in einer vorher positiven aber durch die Impfung stabilen Herde sein. Hier kann dann über die Sequenzierung nachgewiesen werden, ob ein anderer, neuer Stamm für das Geschehen verantwortlich ist. Vorrausetzung dafür ist allerdings, dass der bis dato in der Herde zirkulierende Stamm auch sequenziert wurde, da ansonsten die Vergleichsmöglichkeit fehlt.
Kann die Sequenzierung Hinweise auf den anzuwendenden Impfstoff geben?
Vor diesem Hintergrund wurden in den letzten Jahren tatsächlich viele Isolate sequenziert. Für PRRS bzw. die verfügbaren Impfstoffe muss man allerdings feststellen, dass über eine Sequenzierung keinerlei Aussagen über die Schutzwirkung eines Impfstoffes getroffen werden kann. Somit macht eine Sequenzierung allein für die Auswahl des Impfstoffes keinen Sinn!
Wann sollte ein Impfstoffwechsel in Erwägung gezogen werden?
Uns stehen fünf Lebendimpfstoffe zur Verfügung, die alle bei 90 bis 95% der Stämme funktionieren. Ein Impfstoffwechsel kommt im Einzelfall nur dann in Frage, wenn ein neuer Stamm im Betrieb Probleme macht. Hier können regionale Erfahrungen des Hoftierarztes hilfreich sein. Ansonsten ist der Wechsel der Vakzine immer auch ein „try and error“. Aufgrund dieser Unsicherheit sollten erst alle anderen Maßnahmen ausgeschöpft werden, bevor über einen Impfstoffwechsel nachgedacht wird.
Können PRRS-Feldviren erfolgreich aus dem Bestand verdrängt werden?
Es gibt einzelne Beispiele für eine erfolgreiche Sanierung. Doch das Virus aus der Region zu drängen, ist bislang trotz des intensiven Einsatzes von Impfstoffen weder in den Intensivregionen Europas noch in den USA gelungen.
Wann ist der Ausstieg aus der Ferkelimpfung möglich?
Wie bereits beschrieben können in stabilen Sauenherden PRRS-negative Ferkel produziert werden. Dieser Umstand kann für den Ausstieg aus der Ferkelimpfung genutzt werden. Allerdings sollten die Ferkel so lange geimpft werden, bis kein ungeimpftes Tier mehr im Mastbereich steht. Zur Sicherheit sollten noch ein bis zwei weitere Ferkelpartien geimpft werden. Dann wird mittels PCR an Blut- oder Speichelproben überprüft, ob in der Ferkelaufzucht und Mast noch ein Feldvirus zirkuliert. Dabei sollte die Probenzahl nicht zu gering ausfallen. Um eine sichere Aussage zu bekommen, sollten es 15 bis 30 Proben sein, wobei diese auch gepoolt werden können. Zirkuliert kein Feldvirus mehr in Aufzucht und Mast und passen die Rahmenbedingungen kann man den Ausstieg wagen. Es sollte aber in der Folgezeit regelmäßig der Status überprüft werden.
Welche Maßnahmen minimieren das Risiko einer Re-Infektion?
Steht fest, dass das Krankheitsgeschehen im Bestand nicht ausschließlich durch PRRS verursacht wird, ist der zweite Erreger unter Kontrolle zu bringen. Wie dies im Einzelfall zu erreichen ist, muss mit dem Hoftierarzt besprochen werden. Daneben ist der Bestand über Biosicherheits-Maßnahmen zu stabilisieren. Häufige Probleme in diesem Bereich liegen in der Jungsauen-Eingliederung, dem Pig-Flow und typische Eintragsquellen zum Beispiel an der Verladerampe.
Wie sehen Sie die Rolle des Hoftierarztes?
Der betreuende Tierarzt ist extrem gefordert, denn die Komplexität eines PRRS-Geschehens im Betrieb, die leichte Übertragbarkeit und die hohe Mutationsrate von PRRS-Viren lassen immer wieder Probleme aufkommen. Hinzu kommen eventuell Schwierigkeiten bei der Interpretation der Diagnostik. Eine intensive tierärztliche Begleitung sehe ich als unbedingt notwendig an, auch in vermeintlich stabilen Beständen. Denn ein PRRS-Einbruch hat enorme finanzielle Auswirkungen.