Für die Mykoplasmen-Impfung gibt es keine einheitlichen Empfehlungen. Erfahrungen zu Vakzinen und Impfsystemen aus der Sicht einer Tierarztpraxis.
Dr. Horst Gaumann, Vet-Team Vechta
Seit mehr als zwei Jahrzehnten gehört die Impfung gegen Mycoplasma hyopneumoniae zu den Routinemaßnahmen in den meisten Ferkelerzeugerbetrieben. Diese erste flächendeckende Ferkelimpfung war einer der größten Schritte in Richtung Antibiotikareduzierung.
Aufgrund der enormen wirtschaftlichen Bedeutung entwickelten etliche Hersteller Impfstoffe gegen diesen Erreger. Nachdem die ersten Impfstoffe klassische Two Shot-Impfstoffe zur zweimaligen Applikation waren, kamen One Shot-Systeme hinzu. Noch heute wird die Frage, ob eine doppelte Impfung nicht doch stärkeren oder längeren Schutz bewirkt, leidenschaftlich diskutiert. Viele der meist im Ausland durchgeführten Vergleichsstudien deuten auf eine gleiche Effektivität hin.
Bisheriger Schlusspunkt ist die Entwicklung von Kombinations-Impfstoffen zum gleichzeitigen Schutz gegen das Circovirus. Hier stehen Produkte zum Anmischen direkt vor der Anwendung wie auch Fertigimpfstoffe (ready to use) zur Verfügung.
Two Shot lang erprobt
Die bekanntesten Two Shot-Impfstoffe sind nach wie vor Suvaxyn® M.hyo (Zoetis)und Stellamune® Mycoplasma (Elanco). Sie haben sich seit den Anfängen als gut wirksam erwiesen. In wenigen Betrieben treten bei Stellamune® Mycoplasma Unverträglickeiten auf; bei Suvaxyn® M.hyo beobachten wir diese nicht.
Daneben spielt als reiner Two Shot-Impfstoff noch Porcilis® M Hyo (MSD) insofern eine Sonderrolle, als dass er mit seinem Lösungsmittel zum Lösen von Porcilis® PRRS bei der Zweitimpfung zugelassen ist. Dadurch ist eine kombinierte Gabe mit dem PRRS-Impfstoff möglich. Bei diesem Impfstoff beobachteten wir zuweilen Probleme mit der Verträglichkeit der Erstimpfung insbesondere bei leichteren Ferkeln. Der Impfstoff Mypravac® suis (HIPRA) ist wiederum erst zur Impfung ab dem siebten Tag zugelassen, was den Einsatz in den täglichen Arbeitsabläufen erschwert.
Eine Chimäre zwischen Two und One Shot-Impfstoffen stellt der Impfstoff M+PAC® (MSD) dar. Als Two Shot-Impfstoff ist er zur Impfung ab dem siebten Tag zugelassen und wird insgesamt zweimal mit 1 ml dosiert.
Ab dem 21. Tag ist er auch als Einmal-Impfstoff mit einem Volumen von 2 ml einsetzbar. Der Hersteller empfiehlt dieses bei geringem Mykoplasmendruck, der im laufenden Bestand routinemäßig jedoch schwierig zu diagnostizieren ist.
One Shot: Weniger Arbeit
Der Trend ging in den vergangenen Jahren vermehrt zu Einmal-Impfstoffen. Zunächst erlangte hier mit Stellamune®one (Elanco) als One Shot-Impfstoff zum frühen Einsatz ab dritten Tag die größte Bedeutung. Diese ist arbeitswirtschaftlich mit der Kastration, der Eisengabe u.a. zu verbinden. Sie verspricht einen Schutz bereits vor dem Umstallen ins Flatdeck (Frühinfektion). Es folgte die Zulassung von Suvaxyn® MH-One (Zoetis), der jedoch auch erst zur Impfung ab dem siebten Tag freigegeben ist.
Der Wechsel zur One Shot-Impfung hatte zunächst nur arbeitswirtschaftliche Gründe. Die früher gefürchtete Frühinfektion an der Sau hat angesichts bestehender Impfdecke und verbesserter Umweltbedingungen an Bedeutung verloren. Zudem ist daran zu denken, bei sehr frühen Ferkelinfektionen bei der Sau anzusetzen.
Auch dies sprach für den Wechsel: Eine zweite Impfung ist eine zusätzliche Möglichkeit, dass Erreger wie Streptokokken eindringen. Dies kann selbst bei guter Hygiene nicht sicher verhindert werden. Die modernen Impfstoffe werden ohne das Bakterienwachstum hem-mende und konservierende Substanzen hergestellt. Deshalb bleibt eine Abtötung oder Begrenzung der Vermehrung solcher, begleitend eingebrachter Erreger durch den Impfstoff aus. Um zusätzliches Bakterienwachstum in der Flasche zu verhindern, müssen deshalb auch alle Impfstoffe nach Anbruch unmittelbar verbraucht werden.
Frühimpfungen vermeiden
Bei der heute üblichen Anzahl lebend geborener Ferkel und den teils herabgesetzten Geburtsgewichten sollten die Ferkel in der ersten Woche so wenig wie möglich belastet werden. Diese Diskussion gehört zu den Faktoren, welche einen Rückgang der One Shot-Frühimpfungen (Stellamune one®) auslöste.
Daneben scheint die Frühinfektion und -erkrankung mit Mycoplasma hyopneumoniae unter heutigen Bedingungen eine nicht mehr so ausgeprägte Rolle zu spielen. Bei der einmaligen Frühimpfung spielen zudem Wirkungen von maternalen Antikörpern, die hier nicht durch eine Zweitimpfung abgefedert werden, eine größere Rolle für den Impfschutz.
Betriebe mit hohen Ferkelzahlen weisen nicht selten auch überdurchschnittlich hohe Saugferkelverluste auf. Aus ökonomischen Gründen sollten jedoch Impfungen von Ferkeln, die bis zum Absetzen nicht überleben, vermieden werden. Auch dieser Aspekt förderte in vielen Betrieben den Wechsel zu neuen Strategien.
Der Trend zu späteren Impfzeitpunkten führte u.a. dazu, dass die Firma Ceva erst kürzlich einen neu entwickelten Impfstoff Hyogen® auf den bereits umkämpften Markt gebracht hat, der zur Impfung ab der dritten Lebenswoche zugelassen ist. Vorliegende Untersuchungen sind vielversprechend. Für eine Beurteilung von Verträglichkeit und Wirkung im Feld ist es noch zu früh.
Kombi-Impfstoffe von Vorteil
Um die Impfmaßnahme gegen Mykoplasmen arbeitswirtschaftlich weiter zu verbessern, haben mehrere Hersteller die Anwendung mit der Impfung gegen die Circovirus-Infektion kombiniert. Das sogenannte Flex-System der Fa. Boehringer stand am Anfang der Entwicklung von kombinierter Circo/Mykoplasmen-Impfung. Die neu entwickelte Vakzine Mycoflex® von Boehringer bekam die Zulassung sowohl als Einmalimpfstoff als auch für die Kombination mit dem bereits lange erprobten Circoimpfstoff des gleichen Herstellers (Circoflex®).
Beide Impfstoffe werden als Einzelimpfstoffe in der Dosis von 1 ml verabreicht, sodass bei gemeinsamer Anwendung die Dosismenge 2 ml beträgt. Die Impfung ist zugelassen für Ferkel ab einem Alter von drei Wochen.
Insbesondere Betriebe, welche Circoflex® aus jahrelanger Erfahrung als gut wirksam und gut verträglich kannten, stellten auf dieses Impfregime um. In unserer Praxis blieben fast alle Betriebe, die diese Umstellung vollzogen hatten, bei diesem System. Auch Schlachthofchecks, welche die Neueinführung von Impfungen immer begleiten, lieferten keine Hinweise auf Wirkungseinbußen im Mykoplasmen-Schutz. So entwickelte sich diese Kombination zu der im Markt wie in unserer Praxis am häufigsten eingesetzen Impfstrategie gegen Mykoplasmen und Circo.
Fertig gemischt
Sogenannte „Ready to use“-Kombinationen, also fertige Kombinationsimpfstoffe, folgten. Dazu zählen bisher die Präparate Suvaxyn Circo®+ MH RTU (Zoetis) und Porcilis® PCV M hyo (MSD). Neben dem arbeitswirtschaftlichen Vorteil, nicht anmischen zu müssen, ist auch die eher theoretisch denkbare bakterielle Kontamination bei unsachgemäßem Anmischen ausgeschlossen.
Bei der Markteinführung und -durchdringung hemmend gewirkt haben dürfte, dass zeitgleich die 2d-Genomvariante des Circovirus auftrat. Dieses hatte zwar ursächlich nichts miteinander zu tun. Die klinischen Erscheinungen in einigen Betrieben, welche gerade diese Impfstoffe ausprobierten, führten zu weiterer Verunsicherung.
Zunächst waren beide Impfstoffe als Einmalimpfung gegen Ende der Säugezeit zugelassen. Für beide Impfstoffe wurden anfangs jedoch Empfehlungen gegeben, bei hohem Erregerdruck oder dort, wo eine Zweifachimpfung dem Handelspartner zugesichert war, mit den entsprechenden Mykoplasmenimpfstoffen aus gleichem Hause vorzuimpfen.
Die Zulassung von Porcilis® PCV M hyo (MSD) wurde später erweitert und entspricht damit der variablen Impfstruktur des M+PAC® (MSD), also eine einmalige Impfung mit 2 ml spät oder eine zweimalige Impfung mit 1 ml früh. Dieses bedeutet nicht, dass die Mykoplasmen-Komponenten die Erwartung als Einmalimpfstoff nicht erfüllen. Die Empfehlungen führten bei Tierärzten wie Landwirten jedoch zu zusätzlicher Verunsicherung.
Off Label-Gebrauch riskant
Ein Gebrauch außerhalb der in Zulassung und Beipackzettel genannten Bedingungen ist in der Praxis nicht selten (Off Label-Use). Dort, wo es Abmachungen zwischen Ferkelerzeugern und Mästern über Impfungen gibt, ist die Impfung jedoch eine „zugesicherte Eigenschaft“.
Wer in Dosis, Zeitpunkt oder anderen Vorgaben von der zugelassenen Anwendung abweicht, sieht sich im Fall der Aufdeckung Rückforderungen vom Käufer für mögliche Impfzuschläge ausgesetzt. Bei längeren Zeiträumen können das hohe Summen sein. Werden zudem noch Schäden geltend gemacht, muss der Ferkelerzeuger beweisen, dass nicht die geänderte Dosis oder die geänderte Anwendung die Ursache sind.
Wenngleich weniger dramatisch als bei Dosiskürzung gilt dieses auch bezüglich der Zusicherung einer doppelten Impfung. Eine Ergänzung eines One Shot-Impfstoffs, gleich welchen Herstellers, wird auch nicht durch eine Vorimpfung eines Two Shot-Impfstoffs zu einer Impfung, welche eine mögliche Zusicherung „Two Shot-Impfung“ erfüllt. Jeder Off Label-Einsatz ist in diesem Zusammenhang riskant.
Resümee
- Der Zuwachs an lebend geborenen Ferkeln je Wurf sowie der Wunsch, Impfstress und Injektionsinfektionen zu vermeiden, beeinflussen die Impfstoffwahl auf den Betrieben.
- Der Trend geht vom früheren Two Shot-Standard zu One Shot-Lösungen, bei denen zunehmend einzeln oder in Kombination auf die spätere Impfung gesetzt wird.
- Die Impfstrategie ist immer gemeinsam von Tierhalter und -arzt festzulegen. Bei der Impfstoffauswahl steigt der Stellenwert von Verträglichkeit.
- Vom Gebrauch der Impfstoffe außerhalb der in Zulassung und auf Beipackzettel genannten Bedingungen ist dringend abzuraten.
- Betriebliche Unterschiede führen dazu, dass in unserer Praxis auch heute noch sechs Mykoplasmen-Impfstoffe gleichzeitig eingesetzt werden.