Von wegen Qualzucht und Überforderungen. SUS stellt Sauen mit über 200 aufgezogenen Ferkeln vor. Was zeichnet sie aus und was haben die Betriebe dafür getan?
Heinrich Niggemeyer, SUS
Nachdem ich Ihren Aufruf in der letzten SUS-Ausgabe gelesen habe, ist mir gleich meine Lieblingssau 82 eingefallen“, schrieb uns eine Sauenhalterin aus Norddeutschland. „Sie hat in 24 Würfen 280 Ferkel großgezogen und ist vor zwei Jahren leider abgegangen.“
Tatsächlich haben wir per E-Mail, Fax und WhatsApp zahlreiche Hinweise, Fotos oder Beschreibungen von besonders leistungsfähigen und langlebigen Sauen erhalten. Genau 48 Sauenkarten schickten uns Landwirte oder deren Berater direkt. Wobei wir nur maximal zwei Sauen je Betrieb in die Auswertung genommen haben. Einundzwanzig Supersauen konnte die VzF GmbH anhand der überbetrieblichen Auswertungen identifizieren. Ein Dankeschön an alle, die dem Aufruf gefolgt sind!
200 Ferkel großgezogen
Von den 69 Sauen sind 50 aktuell im Bestand und 19 ausgeschieden. Mit in die Auswertung kamen Sauen jenseits der zehn Würfe bzw. die weit über 100 Ferkel großgezogen haben. Das ist eine hervorragende Leistung. Im Gesamt-schnitt liegen wir bei knapp sechs Würfen und 70 aufgezogenen Ferkeln.
Die Einsendungen zeigen, dass in der Spitze weitaus höhere Lebensleistungen möglich sind. So haben sechs der ausgewerteten Sauen 20 Würfe und mehr geschafft. Elf der 48 von Landwirten eingereichten Supersauen haben in der Summe jeweils über 200 Ferkel großgezogen.
Eine kleine Auswahl von Sauen mit über 200 aufgezogenen Ferkeln ist in der Übersicht aufgelistet. Mit dabei sind auch aktive Sauen, die bereits 190 Ferkel großgezogen haben und mindestens einen weiteren Wurf schaffen.
Was zeichnet die Sauen aus?
Doch was zeichnet diese Supersauen aus? Wir haben uns die Sauenkarten einmal näher angeschaut:
- Es waren hochfruchtbare Sauen dabei. Ein Muttertier ferkelte bislang 16 Mal ab. Bei acht ihrer Würfe wies sie 20 lebend geborene Ferkel und mehr auf.
- Von einer anderen langlebigen Sau wurden über 50 Ferkel zu anderen Sauen versetzt. Dennoch wies sie überdurchschnittlich viele aufgezogene Ferkel auf.
- Eine andere im zehnten Wurf tragende Sau zog bislang im Schnitt 14,9 Ferkel je Wurf groß. Diese Sau ist noch im Bestand und kann locker 200 aufgezogene Ferkel schaffen.
- Die Sau A097 zog 19 Würfe und 218 Ferkel groß. Sie hatte selbst aber nur 206 Ferkel geboren und es wurden 12 Ferkel zugesetzt. Auch dies ist möglich.
- Unsere Supersauen haben auch Ammenwürfe großgezogen, die Sau 7064 beispielsweise fünf an der Zahl. Hinzu kommen elf eigene Würfe.
Etliche Herkünfte vertreten
Bei diesen Lebensleistungen kommt unweigerlich die Frage auf, ob die Betriebe etwas Besonderes unternehmen oder auf bestimmte Rassen oder Linien bauen. Letztere Frage kann anhand unserer Recherche jedoch verneint werden.
So waren sowohl Reinzucht- als auch Kreuzungs- oder Hybridsauen dabei und so gut wie alle namhaften Unternehmen vertreten. Uns schickten Eigenremontierer sowie Betriebe mit Jungsauenzukauf entsprechende Sauenkarten zu. Ebenso haben wir keinen Trend bei den Herdengrößen festgestellt. Auch Betriebe mit mehr als 500 Sauen waren dabei.
Von 42 Sauen in unserer Auswertung lag das Erstbelegalter (EBA) vor. Im Schnitt wurde bei diesen Supersauen ein Wert von 251 Tagen erreicht. Das EBA reichte von 215 bis 309 Tagen. Dies ist etwa die Streubreite, die man auch sonst aus umfangreicheren Auswertungen kennt.
Die Säugezeit hatte ebenfalls keinen erkennbaren Einfluss. So schickten uns Betriebe Karten ihrer Supersauen, die mit drei oder über vier Wochen Laktationsdauer arbeiten.
Ausrutscher tolerieren
Zwar haben wir nicht explizit nachgefragt, was das Geheimnis für so langlebige Sauen ist. Doch einige haben uns ihre Beobachtungen und Rezepte geschildert.
So wurde von der Wurfqualität und dem ruhigen Wesen geschwärmt. Andere wiesen darauf hin, dass man ruhig einen kleinen Wurf oder ein Umrauschen verzeihen kann. Eine der ausgezeichneten Spitzensauen hatte als Jungsau gleich zweimal umgerauscht, ist dann aber in die richtige Spur gekommen und hat 20 Würfe erreicht. In dem einen oder anderen Betrieb wäre dieses Tier bereits als Jungsau zum Schlachten gegangen.
Ein anderer Sauenhalter berichtete: „Unsere Muttertiere werden im Wartebereich im Transponder-Strohstall gehalten. Spätestens 14 Tage nach der Besamung werden sie dorthin verbracht. Diese Haltung ermöglicht ihnen wahrscheinlich eine bessere Regeneration. So erklären wir uns die im Vergleich zu anderen Betrieben längere Lebensdauer.“
Den gleichen Standpunkt vertraten zwei weitere Einsender, die nicht die Gruppengröße oder das Haltungssystem als entscheidenden Faktor sehen, sondern dass sich die Sauen nach dem Absetzen schnell wieder erholen.
Kultsau im Stall?
Doch welche Leistungen sind ab dem 15. Wurf überhaupt möglich? Dazu eine Sauenhalterin aus Norddeutschland: „Die älteste Sau aus unserem Bestand hatte insgesamt 16 erfolgreiche Würfe! Sie hat kein einziges Mal umgerauscht! Ab den 14. Wurf wollte ich wissen, wie viele Würfe diese Sau schafft, da sie sehr vital und niemals krank war. Leider ließ sie beim 16. Wurf nach und man konnte ihr das Alter anmerken. Neben den Wehenschwächen kam sie nur noch schlecht auf die Beine. Deshalb ging sie zum Schlachten.“ Im Gegensatz dazu hat die auf Platz 1 unserer Hitliste gesetzte Sau 82 in ihrem 20. bis 24. Wurf jeweils elf Ferkel und mehr großgezogen.
Ein anderer Betriebsleiter schrieb uns: „Wir haben einige ältere Damen in unserer Herde, die bereits zehn Würfe erreicht haben. Bei uns schafft jede 20. Sau eine Lebensleistung jenseits der 150 aufgezogenen Ferkel. Kultsauen mit einer rekordverdächtigen Anzahl Würfe sind allerdings nicht dabei.“
Züchter melden sich zu Wort
Auch in der Zuchtszene wurde kontrovers diskutiert, wie wichtig das Durchhaltevermögen der Sauen ist. Ein Vertreter eines Zuchtunternehmens schrieb: „Der aktuelle Widerspruch liegt in dem Zuchtfortschritt unserer Linien. Wir empfehlen unseren Betrieben eine ausreichende Remontierung, um den genetischen Fortschritt nutzen zu können. Gleichwohl legen wir Wert auf eine ausreichend hohe Nutzungsdauer.“
Ein Züchter aus Süddeutschland schilderte: „Wir sind ein kleiner Zuchtbetrieb für eine der weißen Mutterlinien. Die Eber aus unserer Zucht werden in vielen Ländern Europas eingesetzt. Ein häufig genannter Grund unserer Käufer ist die Langlebigkeit unserer Tiere.“
Eine Sauenhalterin, die den Bestand selbst remontiert, schrieb: „Heute beendet unsere beste Sau mit der Nummer 705 ihren 15. Wurf. Damit hat sie 228 Ferkel lebend geboren und 215 Ferkel abgesetzt. In diesem 15. Wurf hat sie sogar noch einmal Zuchttiere für die nächste Generation geliefert und darf wegen ihrer Problemlosigkeit und Frische noch bleiben.“ Ein Zuchtberater aus Österreich schilderte: „Die beste Herdbuchsau zog im Schnitt über 12,1 Ferkel je Wurf groß. Als sie nach dem 18. Wurf aus der Herdbuchzucht ausschied, folgten weitere drei Würfe.“
„Man darf es nicht auf die Spitze treiben“, mahnt ein anderer Einsender. „Natürlich müssen wir darauf achten, dass unsere Sauen wieder älter werden. Viel wichtiger ist, dass keine ausgemergelten, verletzten Sauen zum Schlachten gehen. Dies wird mit Tierleid sowie schlechten Management- und Haltungsbedingungen gleichgesetzt. Wie alt unsere Sauen werden, ist doch zweitrangig.“
Neue Selektionstrends?
Ein anderer Sauenhalter dazu: „Wir sollten nicht meinen, kritische Verbraucher mit hohen Lebensleistungen beeindrucken zu können. 150 aufgezogene Ferkel sind für uns erstrebenswert. Verbraucher schrecken davor zurück.“
Neue Trends für die Sauenselektion sehen viele Betriebsleiter nicht. So sollte eine bestandsbezogene Strategie festgelegt und diese konsequent verfolgt werden. Im Mittel sollte die Sau sechs Würfe erreichen.
Bei der Sauenbewertung spielen bisherige Wurfdaten sowie das Gesäuge und das Fundament eine wichtige Rolle. Eine starre Altersgrenze ist meist nicht nötig bzw. wird von einigen Sauenhaltern sogar abgelehnt. Und wenn einzelne Muttertiere tatsächlich deutlich über zehn Würfe schaffen, darf man bei den nächsten Runden auch schon mal ein Auge zudrücken. Kultsauen im Bestand zu haben macht deutlich, wie wichtig das Einzeltier ist.
Fazit
- Unsere Auswertung zeigt: Einzelne Sauen schaffen 20 Würfe und mehr. Sie ziehen in ihrem Leben über 200 Ferkel groß. Dies spricht für das Einzeltier, aber auch für das Management im Betrieb.
- Topsauen findet man bei allen Sauenherkünften. Vordere Ränge bei den Lebensleistungen belegten auch hochfruchtbare Tiere mit großen Würfen von 20 Ferkeln.
- Auch bei Supersauen sind nicht immer alle Würfe perfekt. Ausrutscher bei der Wurfgröße oder ein Umrauschen sind zu tolerieren.
- Für den Betrieb ist die durchschnittliche Nutzungsdauer der Herde entscheidend. Diese sollte bei sechs Würfen liegen.