Schweizer Züchter haben Prüftiere mit weniger Aminosäuren versorgt. Müssen wir das Prüffutter an die Strategien der Zukunft anpassen?
Andreas Hofer, Suisag, Peter Spring, HAFL und Peter Stoll, Agroscope
In der Schweiz werden die Prüftiere der MLP-Sempach besser mit Aminosäuren (AS) und Rohprotein versorgt als die Norm. Damit sollen die Schweine die Möglichkeit erhalten, ihr Fleischansatzvermögen vollumfänglich zu zeigen.
Doch es stellt sich die Frage: Selektieren wir mit dieser Fütterungsstrategie auch Schweine, die mit tieferen Aminosäure-Gehalten im Futter auskommen würden?
Protein-reduziert gefüttert
Um dies zu klären, wurde an der Prüfstation Sempach ein Fütterungsversuch durchgeführt. Beteiligt waren die Forschungsanstalt Agroscope, die Hochschule für Agrarwissenschaften HAFL sowie die Futterlieferanten Egli-Mühlen und UFA. Das Projekt wurde vom BLW finanziell unterstützt.
Die Kontrollgruppe umfasste Tiere aus der regulären Nachkommenprüfung des Endproduktebers Premo, eine auf Fleisch selektierte Edelschweinlinie. Die Mütter der Prüftiere sind F1-Sauen aus Landrasse und Edelschwein. Insgesamt wurden 48 Zweier-Prüfgruppen bestehend aus einem weiblichen und einem kastrierten männlichen Tier einbezogen.
Aus den zu prüfenden Würfen wurden zwei weitere Geschwister, ein weibliches und ein männlich kastriertes, angekauft. Diese Tiere wurden parallel zur MPA-Prüfung mit einem Aminosäure-reduzierten Futter versorgt. Sowohl die Versuchs- als auch die Kontrolltiere wurden in 12-er Buchten mit Abruffütterungsautomat ad libitum aufgezogen.
Im Vergleich zum regulären Prüffutter (Kontrolle) verfügte das AS-reduzierte Futter über 77% (Anfangsmast) bzw. 68% (Endmast) des Lysin-Gehalts. Gegenüber dem Kontrollfutter enthielt das AS-reduzierte Anfangsmast- wie auch das Endmastfutter über 85% des Rohproteingehalts. Bezüglich des Energiegehaltes waren die zwei Futtervarianten identisch (siehe Übersicht 1).
100 g weniger Zunahmen
Insgesamt konnten 189 Prüftiere mit durchschnittlich 26 kg eingestallt werden. Die Ankunftsgewichte waren in der Versuchsgruppe heterogener als bei der regulären Nachkommenprüfung. Auch fiel auf, dass die Tiere der Versuchsgruppe häufiger medizinisch behandelt werden mussten. Zudem kam es während des Versuches in Buchten mit AS-reduziertem Futter vereinzelt zu Schwanzbeißen. Einige Tiere konnten die Prüfung nicht regulär abschließen, sodass von den 189 aufgestallten Tieren letztlich 177 Tiere in die Auswertung gingen.
Zu den Leistungen: Die Tiere mit proteinreduziertem Futter wuchsen im Schnitt langsamer (864 g vs. 965 g Tageszunahmen, siehe Übersicht 2). Zwar gab es auch Tiere aus der AS-reduzierten Gruppe, die mit den mit aktuellem Prüffutter versorgten Tieren mithalten konnten. Doch nicht alle Tiere hatten mit AS-reduziertem Futter das gewünschte Endgewicht von 110 kg erreicht, bevor die Prüfbucht geräumt werden musste.
Auch wenn das Zunahmeniveau zwischen den beiden Gruppen unterschiedlich ausfiel, war der durchschnittliche Futterverzehr pro Tag in beiden Gruppen etwa gleich. Das heißt, die Tiere aus der AS-reduzierten Gruppe haben die tieferen Proteingehalte nicht durch Mehrverzehr kompensiert.
Hingegen zeigten sich deutliche Unterschiede beim Futterverbrauch je kg Zuwachs zu Ungunsten der Versuchsgruppe (2,67 vs. 2,40 kg). Das AS-reduzierte Futter führte jedoch zu einer besseren Stickstoff-Effizienz.
Auch beim Magerfleischanteil stellten sich Nachteile bei einer AS-reduzierten Fütterung ein. Der IMF-Gehalt hingegen verbesserte sich (2,22% vs. 2,92%). Die Tropfsaftverluste waren etwas schlechter (3,46% vs. 4,27%).
Genotyp-Futter-Beziehung
Mit dem Versuch sollte die Frage beantwortet werden, ob mit einem AS-reduzierten Prüffutter andere Zuchttiere selektiert würden als mit der heutigen Standardfütterung. Deshalb wurden statistische Tests auf Interaktionen zwischen dem Leistungsniveau eines Wurfes und der Futtervariante durchgeführt.
Signifikante Ergebnisse zeigten sich hier für Masttageszunahmen und Futtereffizienzmerkmale. Dies bedeutet, dass es eine Rolle spielt, mit welchem Futter Tiere geprüft werden, wenn auf Futtereffizienz gezüchtet wird. Zur Sichtbarmachung der Interaktion sind in Übersicht 3 die korrigierten Masttageszunahmen von sieben Ebern aufgezeigt. Die Eber wiesen in beiden Futtervarianten mindestens fünf geprüfte Nachkommen auf.
Ergebnis: Bei allen Ebern haben sich die Zunahmen reduziert. Drei Eber weisen einen moderaten (grüner Pfeil), drei weitere Vatertiere einen stärkeren Rückgang auf (roter Pfeil). Nachkommen des siebten Ebers reagieren ebenfalls wenig auf die AS-Reduktion, weisen aber auch mit normalem Prüffutter tiefe Zunahmen auf (schwarzer Pfeil).
Das heißt: Es ist offensichtlich nicht möglich, mit dem aktuellen Prüffutter die Eber zu finden, die bei einer Proteinabsenkung die höchsten Zunahmen vererben.
Künftige Strategien
Die Konsequenz dieser Versuchsresultate ist, dass das Prüffutter demjenigen Futter entsprechen sollte, welches wir in etwa zehn Jahren unseren Schweinen füttern werden. Aber wie sieht die künftige Eiweißversorgung aus? Eine Umfrage an der HAFL hierzu zeigt, dass die Branche sehr wohl von einer Reduktion des Rohproteingehalts (RP) im Schweinefutter ausgeht. Unklar blieb, ob auch eine entsprechende Absenkung der AS-Gehalte erwartet wird. Eine Reduktion um 20% wurde eher als unwahrscheinlich eingestuft.
Die Umfrage hat weiter deutlich gezeigt, dass der Markt keine Abstriche beim Tierwohl, der Fleischqualität oder den Produktionskosten duldet, um die Proteineffizienz zu steigern.
Unsere Ergebnisse mit Hinweisen zu einer möglichen Beeinträchtigung sowohl des Tierwohls, des Saftverlusts sowie der Wirtschaftlichkeit der Mast deuten an, dass eine künftige Reduktion der AS-Gehalte im Schweinefutter begrenzt ausfallen wird bzw. erst eine passende Genetik verfügbar sein muss, welche mit deutlich geringeren AS-Gehalten gut auskommt.
Eine Anpassung der Fütterung ist am einfachsten in der Prüfstation umzusetzen. Weit schwieriger dürften Anpassungen in praktischen Zucht- und Testbetrieben sein. Als erster Schritt sollten die aktuellen Fütterungsbedingungen in diesen Betrieben erfasst werden.
Derzeit sind im Schweizer Zuchtziel die Zunahmen in Zucht- und praktischen Testbetrieben stark gewichtet. Die Masttageszunahmen der Prüfanstalt hingegen sind wenig gewichtet. Will man Mastschweine züchten, die auch bei AS-reduzierter Fütterung gut wachsen, müsste daher neben dem Prüffutter auch das Zuchtziel angepasst werden.
Wie groß der erste Anpassungsschritt des Prüffutters sein könnte, muss in einem weiteren Versuch getestet und dabei mögliche Auswirkungen kritisch überprüft werden. Die verschiedenen Szenarien werden nun in den zuständigen Fachgremien für die Zucht von Suisseporcs und Suisag diskutiert und das weitere Vorgehen festgelegt.
Bleibt festzuhalten
- Der vorliegende Fütterungsversuch hat gezeigt, dass die Eiweißversorgung der Prüftiere mitentscheidet, welche Schweine als Ressourcen-effizient selektiert werden.
- Wie groß der Anpassungsbedarf ist, hängt von der künftig zu erwartenden Schweinefütterung ab.
- Eine Anpassung der Fütterung ist am einfachsten in der Prüfstation umzusetzen. Schwieriger wird sie in praktischen Zucht- und Testbetrieben werden.
- Um eine Änderung der Zuchtrichtung bewirken zu können, müssten die Masttageszunahmen der Stationsprüfung wieder stärker im Zuchtziel gewichtet werden.