Atemwegsinfekte verschlechtern die Leistung und kosten Geld. Ein neues Tool erfasst den Husten im Stall und warnt, wenn es zu viel wird.
Heinrich Niggemeyer, SUS
Bekanntlich gibt es wirksame Impfstoffe gegen die wichtigsten Atemwegserreger beim Schwein. Dennoch treten immer wieder respiratorische Erkrankungen vor allem in der Ferkelaufzucht und in der Mast auf.
Die Folgen reichen von erhöhten Todesraten, verringerten Zunahmen, schlechten Futterverwertungen bis hin zu hohen Behandlungskosten. An einer respiratorischen Erkrankung sind meist mehrere Erreger beteiligt. Atemwegserkrankungen sind eine der Hauptursachen dafür, dass Antibiotika eingesetzt werden müssen.
Husten genau erfassen
Bei den Atemwegserkrankungen hat Mycoplasma hyopneumoniae nach wie vor eine Schlüsselfunktion, weshalb die Mykoplasmenimpfung eine hohe Bedeutung hat. Andere Primärerreger sind PRRS- oder Influenza-Viren, die die Lunge bereits im Ferkelalter schädigen können. Hinzu kommt die Actinobacillus-Pleuropneumonie (APP) mit ihren unterschiedlichen Verlaufsformen in der Mast.
Oft bewirken die Primärerreger eine erste Schädigung der Atemwege und Erreger wie Pasteurellen, Bordetellen, Streptokokken und Haemophilus parasuis kommen hinzu. Auch nichtinfektiöse Faktoren wie Zugluft, Staub und Schadgase können Reizhusten auslösen und bei Dauerbelastungen sogar Atemwegserkrankungen provozieren.
Dass ein einzelnes Schwein mal hustet, ist nicht ungewöhnlich. Doch wenn mehrere Tiere am Husten beteiligt sind, sollte verstärkt auf Mattigkeit, Appetitlosigkeit, verstärkte Atmung, wässriger Nasen- und Augenausfluss und Temperaturerhöhung geachtet werden. Auch die Art des Hustens, ob trocken oder mit Schleimabsonderung, ist von Bedeutung. Hieran kann der Tierarzt ableiten, wie weit die Erkrankung fortgeschritten ist und welche Art der Behandlung sinnvoll sein kann.
Doch die Bewertung des Hustens ist schwierig und eher subjektiv. Oft ist kein Vergleich zur Situation am Vortag möglich, weil z.B. die Kontrolle ein anderer durchgeführt und keine Infos hinterlassen hat. Hier kann eine einfache Husten-App helfen: In einem definierten Zeitkorridor werden die Huster gezählt und auf die Anzahl Schweine im Abteil umgelegt. Dieser Wert wird dann in der App hinterlegt. Weniger zeitaufwändig wäre jedoch ein System, welches das Hustengeschehen permanent erfasst und in Echtzeit auswertet.
Warnsystem per Ampel
Genau mit diesem Thema beschäftigt sich die belgische Firma SoundTalks, die jetzt mit Boehringer Ingelheim kooperiert. Ihr gemeinsam entwickeltes Diagnosesystem heißt „Somo“. Kernstück ist ein ins Abteil gehängtes Mikrofon, welches die Hustengeräusche von bis zu 250 Schweinen aufzeichnet. Kombiniert mit Temperatur- und Luftfeuchtemessungen werden die Daten zwischengespeichert und über eine Internetverbindung verschickt. Hierzu wird ein Kasten mit der entsprechenden Software im Abteil installiert.
Die Tonaufnahmen werden zunächst um Nebengeräusche wie Lüfter, klappernde Stalleinrichtung oder Quieken der Schweine bereinigt. Danach gilt es, jeden Huster einzeln zu erfassen. Mittels Algorithmen wird dann eine automatisierte Beurteilung der Tiergesundheit durchgeführt.
Bei Abweichungen schlägt das System Alarm – entweder per SMS oder einer Ampel am Stalleingang. Sobald die Hustenrate leicht ansteigt, schaltet diese auf „Rot“ und der Schweinehalter kann seinen Hoftierarzt verständigen. Praktische Beispiele zeigen, dass z.B. eine Influenza zwei Tage früher erkannt wurde und eher reagiert werden konnte. Ein Beispiel für die Entwicklung der Hustenrate ist in der Übersicht wiedergegeben.
Ziel: Antibiotika einsparen
Wie die Entwickler bestätigen, ist das System Somo nun marktreif. Der Einsatz des Prototyps hat gezeigt, dass das Hustendiagnosesystem den Schweinehalter sensibilisiert, der dann den Tierarzt stärker in den Betriebsablauf einbinden kann. Das Ziel ist, bei aufkommenden Erkrankungen schneller zu reagieren und so gegebenenfalls Antibiotika einzusparen. Auch ein Husten, der von einer falsch eingestellten Lüftung verursacht wird, wird gemeldet.
Bisher ist die Technik vornehmlich zur Unterstützung des Betriebsleiters eingesetzt worden. Doch es gibt auch überbetriebliche Ansätze, die heute noch Zukunftsmusik sind. So könnten z.B. Vermarkter an einer Vernetzung der Daten und automatisierten Auswertungen interessiert sein, um Hinweise zu bekommen, ob die angelieferten Schweine hustenfrei durch die Mast gelaufen sind.
Denkbar wäre bei einer entsprechenden Etablierung eines solchen Überwachungssystems eine epidemiologische Aufarbeitung der Daten aus verschiedenen Betrieben. Hier könnte viel über das Ausbreitungsverhalten und die -geschwindigkeit z.B. von aufkommenden Influenza-Infektionen in Erfahrung gebracht und benachbarte Betriebe gewarnt werden.
Fazit
Für die Entwicklung des Husten-Diagnosesystems „Somo“ kooperieren Boehringer Ingelheim und das belgische Unternehmen SoundTalks. Ein ins Abteil gehängte Mikrofon zeichnet die Hustengeräusche der Schweine auf.
Eine frühzeitige Alarmierung bei einer bevorstehenden Erkrankung bietet die Chance zur Reduzierung von Antibiotikagaben. Denkbar ist auch der Aufbau von Datennetzwerken sowie die überbetriebliche Überwachung.