Bessere Öffentlichkeitsarbeit - aber wie?

Die Landwirte benötigen mehr Selbstbewusstsein im Gespräch mit dem Handel und mehr Gelassenheit in der Diskussion mit gegenteiligen Meinungen. Darin waren sich die teilnehmenden Wissenschaftler beim jährlichen Symposium der Edmund-Rehwinkel-Stiftung der Landwirtschaftlichen Rentenbank am vergangenen Mittwoch in Berlin einig.
Unerwartetes wird erwartet
Prof. Rainer Langosch von der Hochschule Neubrandenburg riet der Agrarbranche dazu, mehr auf Produktvielfalt zu setzen und eine Diversifizierung des Angebots nicht zu fürchten. Es sei keinesfalls so, dass neue Premiumprodukte automatisch herkömmliche Standards diskreditierten. Mit Blick auf die stärker beworbene Regionalität von Produkten empfahl er den Landwirten, Trends frühzeitig zu erkennen und dann auch fordernder gegenüber dem Handel aufzutreten. Langosch und Harth untersuchten mit ihrem Team und Studenten in vier Projektphasen, wie ein „pfiffiger Landwirt im Netz“ die sozialen Medien als Chance für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit verstehen, aber auch die Risiken im Auge behalten kann. Unter anderem erwarte die Netzgemeinde „das Unerwartete“, betonte Langosch. Personen gingen vor Organisationen, Emotionen vor Informationen. Es reiche nicht aus, Pressestatements und Argumentationsketten abzuspielen. Der Absender dürfe sich auch nicht in ein Thema verbeißen, warnte Langosch. Die Netzkommunikation lasse sich nicht auf ein bestimmtes angestrebtes Ergebnis hin optimieren. Kommunikationsziele ließen sich nicht durchsetzen, sondern müssten immer wieder verhandelt werden. Trotz mancher Unsicherheiten böten die sozialen Medien Chancen, denen sich die Landwirte nicht verschließen könnten und dürften, auch um die Deutungshoheit über manche Begriffe nicht zu verlieren, so Langosch. Das Wort „Massentierhaltung“ werde schon von anderen bestimmt.
Verbände sollten untereinander abrüsten
Von einer „fröhlichen Aggressivität“, die nötig sei, sprach Carl Vierboom. Die Branche und ihre Interessensvertretungen sollten dringend Regionalkonzepte erarbeiten. Der Boom der Regionalität stehe in direktem Zusammenhang mit der zunehmenden Globalisierung der Agrarproduktion. Die Branche müsse ihren Anteil an der Wertschöpfung vor allem bei Regionalprodukten stärker kommunizieren, insbesondere gegenüber dem Handel. Schließlich sei dieser für seine Regionalmarken auf entsprechende Zulieferer angewiesen. Die Verbände untereinander sollten indes abrüsten und nicht die unterschiedlichen Produktionssysteme gegenüberstellen. Die Verbraucher wollten und könnten über den Markt entscheiden. In Reaktionen und Bewertungen von Kritik sollte die Branche aus der „Tretmühle der Meinungsbildung“ heraustreten und ihre Kommunikation beziehungsweise Argumente neu erfinden. Auf ein „abgenutztes Indoktrinationsmuster“ sei zu verzichten, so Vierboom. Schnell fingen Landwirte an, zu dozieren und sich zu rechtfertigen, stellten selber jedoch keine Fragen mehr. Verbraucher gerieten dann ihrerseits in einen sogenannten „Bekenntnisstress“. Wichtig sei es, direkt zu kommunizieren und alle Arten der Kontaktaufnahme immer wieder durchzuspielen, unterstrich Vierboom. Auch innerhalb der Branche seinen viele Einstellungen zu klären.
Vor allem junge Akademiker Veganer
„Reflexartige Reaktionen“ des Deutschen Bauernverbandes (DBV) kritisierte Prof. Ulrich Hamm von der Universität Kassel. Die Rufe von DBV-Vertretern nach einem Boykott von Volkswagen nach deren Ankündigungen zu veganen Essen im Autostadt-Restaurant bezeichnete Hamm als „unverhältnismäßig“. In seiner Studie untersuchte der Wissenschaftler den Einfluss des Images der Landwirtschaft auf die steigende Zahl an Veganern. So lange Medien Negativbeispiele thematisieren könnten, werde vermutlich eine steigende Zahl von Verbrauchern auf tierische Produkte in der Ernährung verzichten, mutmaßte Hamm. Bei den veganen Käufer handle es sich vor allem um junge Akademiker. Die Höhe des Einkommens spiele jedoch für die Kaufentscheidungen eine geringere Rolle als bisher angenommen. Hamm erinnerte daran, dass in Deutschland der Anteil der Ausgaben für Lebensmittel am Haushaltseinkommen weit unter dem EU-Durschnitt liege. Die Käufer seien also bereit, bei anderen Haushaltsposten Abstriche zu machen. Überraschend sei zudem gewesen, dass drei Viertel der befragten veganen Einkäufer bereits Kontakt zur Landwirtschaft gehabt hätten. Auch seien manche „Veganer“ nicht grundsätzlich gegen den Fleischkonsum und würden beispielsweise Wildfleisch akzeptieren. Hamm empfahl den Landwirten im eigenen Interesse „daran mitzuwirken, tierquälerische Haltungsformen in ihrer Branche zu eliminieren und Artgerechtigkeit zu stärken“. Ein besseres Image werde nicht durch mehr Informationen, sondern durch persönlichen Kontakt erreicht.
Auf dem Weg sein
Prof. Achim Spiller von der Universität Göttingen untersuchte die Wahrnehmung und Akzeptanz von Bildern bei Landwirten und Verbrauchern. Er fand deutliche Unterschiede in der Interpretation desselben Bildmotivs. Liegende Schweine in einer Laufbox würden beispielsweise von den Einen als krank und den Anderen als entspannt eingeschätzt. Die Aufmerksamkeitsspanne, die die meisten Betrachter für Bilder aufwenden, liegt laut Spiller bei zwei Sekunden. Bei Tierbildern würden dann vor allem Körper und die Gesichter der Tiere betrachtet. Um diese Spanne zu verlängern, sollten Bilder neugierig machen und müssten auch Unbekanntes, Überraschendes enthalten. Dies sei für bildliche Darstellungen auf Plakaten, im Internet oder bei Webcams im Stall zu beachten. Gleichzeitig sei klar geworden, dass es bei weitem nicht ausreiche, eine Webcam in jeden Stall aufzuhängen. Verbrauchergerechte Erklärungen seien dringend geboten, betonte Spiller. Die Tierhaltung habe allerdings nicht nur ein Kommunikationsproblem; die Branche müsse deutlich machen, dass sie Verbesserungen anstrebe und auf dem Weg sei.
Die Studien sind im Band 31 der „Schriftenreihe der Rentenbank“ veröffentlicht. Sie wurden von Prof. Ulrich Hamm und seinem Team von der Universität Kassel, von Prof. Rainer Langosch und Prof. Michael Harth sowie ihrem Team von der Hochschule Neubrandenburg, Prof. Achim Spiller und seinen Mitarbeitern von der Universität Göttingen, den Forschern von der Universität Kiel um Dr. Silke Thiele sowie von Carl Vierboom und seinem Team aus Wirtschaftspsychologen aus Hennef erstellt. (AgE)

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