Isermeyer: Uneinigkeit bremst Tierwohl aus

Ernüchtert über den Stand der Tierwohldiskussion in Deutschland zeigt sich der Präsident des Thünen-Instituts (TI), Prof. Folkhard Isermeyer. „Zu den grundlegendsten Fragen der Nutztierhaltung gibt es nach wie vor keine gesellschaftliche Übereinkunft“, beklagte der Wissenschaftler im Interview mit AGRA-EUROPE.Solange jedoch zu den Kernfragen keine klare Linie existiere, „werden Tier- und Umweltverbände ebenso wie Journalisten weiterhin Missstände anprangern, und die Bedingungen für investitionswillige Landwirte werden sich weiter verschlechtern“. Ohne Investitionen könne es aber keinen verbesserten Tierschutz geben. Zwar räumte der Agrarökonom ein, dass die Einsicht in die Notwendigkeit einer nationalen Nutztierstrategie „an einzelnen Stellen“ wachse. Gleichzeitig hätten Bund, Länder und Wirtschaft vielfältige Aktionen gestartet, „die aber nicht miteinander vernetzt sind und wahrscheinlich nicht den erhofften Durchbruch bringen werden“. Für gerechtfertigt hält der Thünen-Präsident staatliche Finanzhilfen in der aktuellen Marktkrise. Voraussetzung sei jedoch, dass sie nicht als Dauersubventionen angelegt seien, „sondern als Notmaßnahme in einer besonders außergewöhnlichen Marktlage“.Die gegenwärtige Marktkrise bietet für Isermeyer neben gravierenden Folgen für viele Betriebe auch eine Chance für mehr Realismus in der gesellschaftlichen Debatte. So könne man derzeit viel leichter verständlich machen, dass höhere Standards etwa zur Erreichung von Tierwohlzielen nur in Verbindung mit Ausgleichszahlungen oder höheren Agrarpreisen umzusetzen seien. „Wer jetzt einfach nur die Auflagen verschärft, treibt viele Tierhaltungen in den Ruin und fördert die Verlagerung der Produktion ins Ausland“, warnte der Wissenschaftler. In Zeiten hoher Agrarpreise seien viele Politiker eher geneigt, der prosperierenden Landwirtschaft zusätzliche Auflagen ohne finanziellen Ausgleich aufzubürden.Laut dem Thünen-Präsidenten muss eine zukunftsfähige Nutztierhaltung zum einen Bilder liefern, „die den Betrachtern intuitiv vermitteln, dass es den Tieren gut geht“. Zum anderen brauche man akzeptable Messwerte, um nachzuweisen, „dass sich die Nutztierhaltung in Deutschland tatsächlich in die gesellschaftlich erwünschte Richtung bewegt“. Immer stärker kristallisiert sich nach Isermeyers Einschätzung für die Nutztierhaltung das Prinzip „Klasse statt Masse“ heraus: „Wir werden künftig weniger Fleisch konsumieren, und dadurch können wir es uns leisten, je Kilo Fleisch höhere Preise zu zahlen und gleichzeitig dem einzelnen Tier zu gönnen, ruhig etwas langsamer zu wachsen.“