Geteilte Meinungen zum staatlichen Tierwohllabel

Die Reaktionen auf das von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt vorgestellte staatliche Tierwohllabel fallen sehr unterschiedlich aus. Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, begrüßte das Label, mahnte aber einen breiten Ansatz an, der vielen Betriebe eine Teilnahme ermögliche. Erneut plädierte Rukwied dafür, das staatliche Tierwohllabel langfristig mit der Brancheninitiative zu verzahnen. Der Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv), Klaus Müller, bezeichnete Klarheit und Glaubwürdigkeit als wichtigste Voraussetzungen für einen Erfolg des Labels. Tierschutzpräsident Thomas Schröder sieht in dem Label „einen wichtigen Schritt“. Die Notwendigkeit weiterer gesetzgeberischer Maßnahmen bleibe davon jedoch unberührt. Schröder plädiert für möglichst anspruchsvolle Kriterien.
Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer kritisierte dagegen, dass mit Schmidts Label nur ein weiteres freiwilliges, unverbindliches und wenig aussagekräftiges Label eingeführt und damit der „Siegel-Dschungel noch unübersichtlicher“ werde. Er halte deshalb ein Scheitern des „Wischi-Waschi-Labels“ für wahrscheinlich. Die SPD-Bundestagsfraktion steht dem Tierwohllabel wiederrum positiv gegenüber. „Ein staatliches Tierwohllabel ist ein erster Schritt zur Verbesserung der landwirtschaftlichen Tierhaltung“, erklärte die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Ute Vogt. Die Politikerin betonte aber, dass das Siegel kein Alibi für zu niedrige gesetzliche Tierschutzstandards sein dürfe. Die Agrarsprecher der FDP-Landtagsfraktionen sehen in dem von Schmidt angekündigten Tierwohllabel eine „Herausforderung für die gesamte Branche“. Die Zertifizierung dürfe nicht zu einem unverhältnismäßigen Bürokratiezuwachs in den Betrieben führen und den Strukturwandel anheizen, heißt es in einem vergangene Woche verabschiedeten Positionspapier zur Zukunft der Nutztierhaltung.
Für die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) ist das staatliche Tierwohllabel bisher „noch mehr Schein als Sein“, denn substanzielle Informationen zum Inhalt und der Ausgestaltung fehlten noch. Sie sagte dennoch ihre Unterstützung zu, wenn es tatsächlich um praktikable Lösungen und nicht nur um politische Positionierung gehe. Der Lebensmittelhandel steht der Einführung des staatlichen Labels offen gegenüber, wenn dadurch der Tierschutz in der Breite verbessert und die Verbraucherakzeptanz durch Verfügbarkeit und Bezahlbarkeit erreicht wird. Um diese Ziele zu erreichen, bietet aus Sicht des Verbandes die Initiative Tierwohl perspektivisch gute Voraussetzungen, um als Einstiegsstufe für das staatliche Tierwohllabel zu fungieren, erklärte der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH).Unterstützung für sein Tierschutzlabel erhielt Schmidt auch von der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Ein staatliches Tierwohllabel sorge dafür, dass Verbraucher auf einen Blick erkennen könnten, aus welcher Tierhaltung das Fleisch stamme, teilte der Verband mit. Begrüßt werde das zweistufige System mit einer Einstiegs- und einer Premiumstufe. Die Qualitätsforderungen sollten sich aus Sicht des vzbv an den Anforderungen des Labels des Deutschen Tierschutzbundes orientieren. Wichtig sei bei der Einführung eines Tierwohllabels, dass es einfach und verständlich sei; zudem müsse es mit einer nationalen Kommunikationskampagne beworben werden.Für die Verbraucherorganisation foodwatch und die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz (TVT) ist das staatliche Tierwohllabel indes nicht geeignet, um mehr Tierschutz durchzusetzen, weil davon nur ein kleiner Teil der Tiere profitieren werde. TVT-Vorsitzender Prof. Thomas Blaha hält den freiwilligen Ansatz für inakzeptabel: „Aus ethischen Gründen ist Tierschutz unteilbar; die Lebensbedingungen aller Tiere sollten gleichermaßen gut sein, unabhängig vom Preis der von ihnen gewonnenen Lebensmittel.“ Bioland-Präsident Jan Plagge bezeichnete das Label als „Verbrauchertäuschung“. Es gaukle bessere Haltungsbedingungen vor, zementiere aber den Status quo und verhindere Investitionen in den Umbau zu artgerechten Stallsystemen. Der World Wide Fund For Nature (WWF) bemängelte die fehlende ökologische Nachhaltigkeit des geplanten Siegels. Eine gesellschaftlich akzeptierte Fleischproduktion müsse mehr im Blick haben als die Haltungsbedingungen der Nutztiere, so der WWF. AgE