Im Alltag kann es zu Nachlässigkeiten bei der Hygiene kommen. Digitale Bewegungsprofile decken Lücken in der Biosicherheit auf.
Michael Werning, SUS
Das sogenannte Paket-Tracking ist vielen ein Begriff. Wer auf seinem Smartphone die passende App installiert hat, kann in Echtzeit nachverfolgen, ob das bestellte Paket Schuhe noch beim Händler liegt oder schon im Lieferwagen des Zustellers. Möglich wird dies, indem die Fracht an logistischen Knotenpunkten per Barcode erfasst wird und Ort und Uhrzeit direkt online gehen.
Nach gleichem Funktionsprinzip arbeitet das Bluetooth-gestützte Programm pTrack (Pathogen Tracking Kid) der Firma Boehringer Ingelheim. Nur soll hier keine Paketroute nachgezeichnet werden, sondern z.B. die Laufwege in einem Schweinebetrieb. Denn aus Sicht der Biosicherheit können hier gefährliche Wegkreuzungen und Kontaktsituationen entstehen, die in der täglichen Stallroutine kaum auffallen.
Keime kleben an Sohle
Um diese Schwachstellen in der Betriebshygiene ausfindig zu machen, wird zunächst im pTrack-Programm eine Lageskizze der Gebäude und Produktionsbereiche angefertigt. Dabei helfen Satellitenbilder aus Google Maps oder anderen Online-Kartenprogrammen.
Anschließend legt der Landwirt zusammen mit seinem Tierarzt fest, welche Laufwege bzw. Bereiche seuchenhygienisch von besonderer Relevanz sind. Auf einem Sauenbetrieb zählen dazu die Jungsauen-Quarantäne, die Kadaverlagerung oder das Krankenabteil. Diese Betriebsteile erhalten analog ihres Erregerpotenzials hohe Risiko-Einstufungen.
Dann kommt die eigentliche Tracking-Technik ins Spiel, und es werden an den Gefahrenstellen sowie in den einzelnen Produktionsbereichen Bluetooth-Sender, sogenannte Beacons, installiert. Diese haben ein handliches Format und halten einer Stallreinigung stand. Eine externe Stromversorgung brauchen sie dank leistungsstarker Batterien nicht.
App sammelt Wegdaten
Sind die Datensender angebracht, wird auf dem Smartphone der Person, dessen Laufwege erfasst werden sollen, die dazugehörige App aus dem Apple Store (iOS-Nutzer) oder Google Play Store (Android-Nutzer) geladen. Die Systematik hinter dem Tracking ist simpel. Sobald sich die Zielperson mit seinem Smartphone und aktiviertem Bluetooth auf eine individuell einstellbare Entfernung einem Beacon nähert, sendet dieser ein Signal an die App.
Beispiel: Ferkelerzeuger Hans Meyer beginnt seine tägliche Stallarbeit mit der Tierkontrolle im Abferkelstall. Hier wird sein Bluetooth-Signal als Erstes empfangen. Weil in der Nacht mehrere Sauen geferkelt haben und Behälter mit Nachgeburt entsorgt werden müssen, führt ihn sein Weg von dort zur Kadaverlagerung. Auch hier erfasst ein Beacon Meyers Signal. Anschließend setzt der Landwirt seinen Kontrollgang in der Ferkelaufzucht fort, wo der nächste Beacon seine Anwesenheit registriert.
Bewegungsprofil erstellen
Am Tagesende hat die App alle Arbeitswege von Meyer erfasst und ein Bewegungsprofil erstellt:
- Ein Blasendiagramm zeigt, wo sich Meyer den Tag über aufhielt und in welcher Reihenfolge er die verschiedenen Bereiche passiert hat;
- ein Säulendiagramm stellt die Anzahl der getätigten Wege dar und berücksichtigt dabei auch, wie risikoreich diese waren;
- ein Kurvendiagramm macht den Verlauf der Risiken über den Tag oder einen längeren Zeitraum deutlich.
Auf den ersten Testbetrieben sind ähnlich wie bei unserem fiktiven Sauenhalter Hans Meyer einige Hochrisikowege erfasst worden. Ein markanter Fehler war bei der täglichen Tierkontrolle die Nichteinhaltung der Hygieneregel „von jung nach alt“. Stattdessen wählten die Betreuer häufig den Weg, der die größte Zeiteinsparung brachte.
Zudem wurde mehrfach erfasst, wie Testpersonen den Weißbereich für die Kadaverentsorgung verließen, um dann ohne eine Hygienisierung in Form eines Stiefelwechsels oder Ähnlichem den Stall wieder zu betreten. Auch der Gang zur Werkstatt stellte häufig einen Bruch in der Biosicherheit dar.
Katze als Seuchenfaktor
Ein Bewegungsprofil der besonderen Art lieferte auf einem weiteren Testbetrieb das Tracking der Hofkatze (siehe Übersicht). Dem Betriebsleiter war zuvor aufgefallen, dass das Tier regelmäßig das Hofgelände verlässt und rumstreunt. Da Katzen als potenzielle Überträger gefährlicher Viren, wie beispielsweise des Porcine Respiratory and Reproductive Syndroms (PRRS), gelten, wurde dem Tier ein Halsband mit Signalempfänger umgeschnallt.
Die ermittelten Bewegungsdaten waren alarmierend. So suchte die Katze mehrmals am Tag den ebenfalls Schweine haltenden Nachbarbetrieb auf. Außerdem nutzte sie auf beiden Höfen bauliche Missstände aus, um in die Ställe zu gelangen. Als Konsequenz haben beide Landwirte sofort die letzten Eintrittstore für die Katze versiegelt.
Zukünftig ist geplant, das Tracking auch auf Gegenstände auszuweiten. Auf Schweinebetrieben würden sich z.B. Treibbretter und -paddel anbieten. Diese Hilfsmittel sollten durch einen Farbcode bestimmten Produktionsbereichen bzw. Ställen zugeordnet sein und ausschließlich dort verwendet werden. Verstöße gegen diese Hygieneregel würde die Nachverfolgung über die App schnell aufdecken.
Fazit
- Das Bluetooth-basierte Ortungssystem pTrack erstellt vom Tierbetreuer ein digitales Bewegungsprofil. Dadurch werden seuchenhygienisch gefährliche Wegkreuzungen und Kontaktsituationen aufgedeckt.
- In den Testbetrieben zählten zu den häufigsten Schwachstellen die Unterwanderung der Schwarz-Weiß-Trennung und das ständige Wechseln zwischen verschieden alten Tiergruppen.
- In einem Fall wurde über das Tracking eine Katze als Seuchenfaktor identifiziert. Zukünftig sollen auch Gegenstände geortet werden.