Die Preiskrise trifft die Schweinehalter in ganz Europa. Welche Einschnitte sind in Deutschland, Holland, Dänemark und Polen zu erwarten?
Die Preiskrise am Schweinemarkt hält weiter an. Mit knapp 1,40 € lag die Schlachtschweinenotierung 2015 im Mittel nochmals 0,15 € unter dem Vorjahr.
Trotz des Preisverfalls kamen die Mäster lange Zeit mit einem blauen Auge davon. Sie konnten sinkende Erlöse durch günstigere Ferkel- und Futterpreise abpuffern. Doch im Herbst sind die Mäster in tiefrote Zahlen gerutscht.
Sauenhalter stark betroffen
Noch härter trifft die Krise die Ferkelerzeuger. Im November letzten Jahres fehlten Sauenhaltern laut der Agrarmarkt Informationsgesellschaft (AMI) im Schnitt mehr als 15 € je Ferkel zur Deckung aller Kosten.
Die Hoffnung auf eine baldige Erholung ist nicht allzu groß. Denn der Schweinemarkt kämpft derzeit mit mehreren Problemen:
- Im Export wirkt der Wegfall des russischen Marktes nach. Zwar konnten die Schlachtbetriebe die Exporte nach China bzw. Hongkong ausbauen. Doch die Margen sind hier geringer.
- Der Inlandskonsum von Schweinefleisch ist weiter leicht rückläufig.
- Das Angebot an Schlachtschweinen lag 2015 sogar leicht über dem Vorjahr.
- Noch sind Ferkel nicht knapp. Die steigende Sauenfruchtbarkeit fängt den Wegfall aussteigender Betriebe ab.
Fachleute erwarten daher, dass sich die Situation am Schweinemarkt im ersten Halbjahr 2016 nur langsam entspannt. Mit nachhaltig besseren Preisen rechnen sie erst, wenn das Schlachtschweineangebot spürbar zurückgeht.
Neben der Schweineproduktion in Deutschland kommt es zunehmend darauf an, was in unseren Nachbarländern passiert. Denn das Schlachtschweine- und Ferkelgeschäft ist immer stärker international geprägt.
Strukturwandel im Süden
Zunächst zur Situation in Deutschland (s. Übersicht 1). Starke Bremsspuren zeigt die Preiskrise bereits in der Ferkelerzeugung. So ist der Sauenbestand zur Viehzählung im November 2015 erstmals unter zwei Millionen Tiere gesunken. Das ist ein Minus von 3,8 % gegenüber der Vorjahreszählung.
Besonders deutlich ist der Rückgang der Sauenbestände mit mehr als 6 % bzw. knapp 4 % in Baden-Württemberg und Bayern. Auch Nordrhein-Westfalen zählte zum Jahreswechsel fast 4 % weniger Sauen. Auffallend ist zudem der hohe Rückgang der Sauenzahlen in Sachsen-Anhalt und Thüringen. In den übrigen ostdeutschen Bundesländern sowie in Schleswig-Holstein ist der Sauenbestand recht stabil.
Der Rückgang der Sauenzahlen in Süddeutschland zieht einen erheblichen Strukturwandel nach sich. So sind in Baden-Württemberg binnen eines Jahres fast 8 % und in Bayern 7,4 % der Ferkelerzeuger ausgestiegen.
Auch in den veredlungsstarken Bundesländern Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen ist ein Minus der Sauenbetriebe um mehr als 4 % zu verzeichnen. Insgesamt mussten im letzten Jahr fast 6 % der deutschen Sauenhalter ihre Betriebe schließen.
Etwas abgemildert ist der Strukturwandel in der Mast. Bundesweit ging der deutsche Mastbestand im letzten Jahr um 3,6 % auf knapp 12 Mio.Tiere zurück. Die Zahl der deutschen Mastbetriebe sank um 4,8 %.
Regional gab es in der Mast erhebliche Unterschiede. Baden-Württemberg und Bayern sind mit einem Rückgang der Mastbestände um knapp 7 % bzw. 3 % ebenfalls stark betroffen. In beiden Bundesländern stiegen 2015 jeweils gut 4 % der Mäster aus.
Auffallend ist zudem der starke Rückgang der Mastbestände in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg um mehr als 25 bzw. 11 %. Aber auch in den Masthochburgen Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen gingen die Bestände um 3,4 bzw. 1,6 % zurück. Da meist kleinere Betriebe aussteigen, fällt der Strukturwandel stärker aus. In Niedersachsen wurden Ende 2015 gut 3 % und in Nordrhein-Westfalen sogar 4,5 % weniger Mastbetriebe gezählt.
Fachleute fürchten, dass der Strukturwandel anhält oder sogar zulegt. So ist die Finanzlage angespannt. „Trotz des jüngsten Preisanstiegs sind die Sauenhalter von der Vollkostendeckung weit entfernt. Die neue Dünge-VO erhöht den Bedarf an Güllenachweisflächen und vielfach auch die Kosten erheblich“, betont Dr. Albert Hortmann- Scholten, Marktreferent der Landwirtschaftskammer Niedersachsen.
Dramatische Finanzlage
In Nordwestdeutschland sind es vor allem Betriebe mit 150 bis 250 Sauen, die aussteigen. Viele von ihnen wollten ins geschlossene System wachsen. Dies ist aber oft an der Verfügbarkeit und Bezahlbarkeit von Flächen gescheitert.
Aber auch größere Ferkelerzeuger geraten in Not. Neue, gut erhaltene Ställe bleiben meist in der Produktion. Mitunter vollzieht sich allerdings hinter den Kulissen ein Wechsel der Inhaberstrukturen, indem z. B. die Futtermittelindustrie in die Betriebe einsteigt. Der Verkauf von Betriebsflächen kann zudem Liquidität schaffen und fällt oftmals nach außen nicht auf.
Auch Matthias Quaing, Marktreferent der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN), erwartet, dass der Druck am Ferkelmarkt bleibt. Denn viele Betriebe haben sich durch den Verkauf der Ernte, die Flächenprämien oder Kredite nur vorrübergehend Liquidität verschafft. Sollten die Ferkelpreise nicht spürbar steigen, könnten diese Reserven im späten Frühjahr aufgebraucht sein.
Insgesamt ist die Ausstiegsschwelle für die Ferkelerzeuger heute aber deutlich höher. Denn viele Betriebe haben inzwischen oft mit großem Fremdkapitaleinsatz eine Größe erreicht, bei der ein Ausstieg ohne erhebliche Verluste kaum möglich ist. Denn die Festkosten laufen weiter. „Und Sauenställe bis zu 300 Plätzen sind kaum zu verkaufen bzw. zu verpachten. Oft findet nur das Flatdeck einen Interessenten“, schildert ISN-Marktreferent Quaing.
Weniger dramatisch sehen Experten die Zukunft der deutschen Mäster. Denn künftig können sie vermutlich sinkende Erlöse weiter durch günstige Ferkel ausgleichen. Außerdem zeichnet sich bei den Futterkosten eine Entspannung ab. Insgesamt lässt sich aus früheren Preiskrisen ableiten, dass der deutsche Schweinebestand bis Ende 2016 um 3 bis 4 % zurückgehen könnte. So zeigt Übersicht 2, dass bei den Sauen und in der Mast weitere Abstockungen zu erwarten sind.
Holland: Minus 30 000 Sauen
In den Niederlanden ist die Lage ähnlich wie bei uns. So sind die Mäster bislang mit einem blauen Auge davongekommen. „Unsere Mäster sind oft langsam gewachsen und haben weniger Schulden. Etliche haben zudem weitere Standbeine“, schildert Robert Hoste, Agrarökonom der Uni Wageningen.
Hingegen stehen viele Sauenhalter in Holland mit dem Rücken zur Wand. Aufgrund der großen Export-Abhängigkeit steht der Ferkelmarkt enorm unter Druck. Hinzu kommt: Niederländische Sauenbetriebe haben gewaltige Wachstumsschritte absolviert und tragen eine hohe Fremdkapitalbelastung. Hohe Kosten für die Gülleabgabe von bis zu 20 €/m3 belasten sie zusätzlich.
Trotz Betriebsgrößen von mehr als 400 Sauen im Schnitt und hohen Ferkelzahlen schreiben die Betriebe tiefrote Zahlen. So weisen Auswertungen der Uni Wageningen für 2015 in der Ferkelerzeugung auf Basis der Vollkosten ein Minus von 75 000 € je nicht bezahlter Familienarbeitskraft aus.
Vor diesem Hintergrund fällt der Rückgang der holländischen Sauenbestände moderat aus. Laut Schätzungen von Vion und den Besamungsstationen haben die Niederländer 2015 etwa 30 000 bis 40 000 Sauen abgestockt. Das entspricht einem Minus von 3 bis 4 %.
Wie viele Sauenbetriebe im Zuge der Preiskrise aufgeben mussten, ist bislang nicht erfasst. Ähnlich wie in Deutschland werfen vor allem kleinere Betriebe und solche mit unterdurchschnittlichen Leistungen das Handtuch. Allerdings sind Ställe mit weniger als 300 Sauenplätzen praktisch unverkäuflich.
Es gibt zudem einige harte Fälle, in denen selbst größere, gut geführte Betriebe aussteigen müssen. Diese sind in der Regel überschuldet und werden von der Bank zum Ausstieg bewegt. Oft werden nur die Tiere und die Produktionsrechte bezahlt, während selbst neuere Ställe kaum Erlöse erzielen.
Fachleute halten es für möglich, dass sich der holländische Sauenbestand mittelfristig wieder auf das Niveau vor der Preiskrise erholt. „Einige Sauenbetriebe haben nur vorübergehend abgestockt“, schildert Robert Hoste.
Für stabile Sauenbestände spricht zudem, dass sich die Produktionsrechte mit Preisen von 160 € je Sauenplatz behaupten. Offenbar gibt es Betriebsleiter, die mit Sauen wachsen wollen und Rechte aussteigender Betriebe kaufen.
Dänische Sauenzahl stabil
Recht robust hat sich auch die dänische Ferkelerzeugung im letzten Jahr gehalten. Trotz enormer Abhängigkeit vom Export und niedriger Ferkelpreise blieb der Bestand mit 1,25 Mio. Sauen stabil. „Unsere Betriebe setzen zwei Ferkel mehr ab als die deutschen. Zudem sind sie mit mehr als 550 Sauen im Schnitt sehr groß“, erklärt Markus Fiebelkorn vom Branchenverband Danske Svineproducenter.
Trotz stabiler Bestandszahlen leiden auch die Dänen unter der Preiskrise. Denn viele Betriebe sind hoch verschuldet. So liegt die Eigenkapitalquote im Mittel nur bei 6 bis 7 %. Und seit dem Einbruch der Grundstückspreise haben die Banken die Kreditbedingungen für Landwirte extrem verschärft.
Der Strukturwandel in der Sauenhaltung dürfte sich daher 2016 fortsetzen. Für Betriebe mit weniger als 300 Sauen sehen Fachleute kaum eine Zukunft. Größere Betriebe sind nicht selten so hoch verschuldet, dass sie nicht aussteigen können. Gerät die Finanzlage aus dem Ruder, steigen Berufskollegen ein und führen die Ferkelerzeugung fort. „Auch 2016 erwarten wir daher stabile Sauenzahlen“, erklärt Fiebelkorn.
Im Gegensatz dazu ist die Mast in Dänemark weiter auf dem Rückzug. Bereits im letzten Jahr ging der Bestand um 3 % auf gut 3,1 Mio. Mastschweine zurück. Für dieses Jahr erwarten Fachleute weitere Abstockungen um 1 bis 2 %. Denn seit Jahren wird in Dänemark kaum noch in die Mast investiert. Durch hohe Umweltauflagen und ungünstige Steuergesetze haben die Mäster an Wettbewerbskraft eingebüßt.
In der Folge muss Dänemark immer mehr Ferkel ausführen. 2015 legten die Exporte um 8 % auf rund 11,6 Mio. zu. Im laufenden Jahr wollen die Dänen weitere 5 % zulegen. Deutschland bleibt mit 6,5 Mio. Ferkeln wichtigster Abnehmer. Wachsende Ferkelüberschüsse wollen die Dänen vor allem in Polen und Tschechien absetzen, die bereits jedes dritte Exportferkel kaufen.
Polens Ferkeldefizit wächst
Die kleinstrukturierte Schweinehaltung Polens trifft die Preiskrise besonders stark. Binnen zehn Jahren hat sich der Sauenbestand halbiert und ist unter die 1-Mio.-Grenze gesunken. Zwar ist durch den rasanten Strukturwandel die durchschnittliche Betriebsgröße heute über 50 Tiere gestiegen. Doch der gut 11 Mio. Schweine umfassende Gesamtbestand verteilt sich immer noch auf mehr als 200 000 Tierhalter bis hin zur Hinterhofhaltung mit fünf Schweinen.
Durch den Kahlschlag in der Sauenhaltung muss Polen inzwischen mehr als 5 Mio. Ferkel im Jahr importieren, vorwiegend aus Dänemark, Holland und Deutschland.
Es ist zu erwarten, dass Polens Abhängigkeit von Importferkeln dieses Jahr wächst. Denn die Ferkelerzeugung verliert aufgrund ihrer Struktur- und Leistungsdefizite weiter an Boden. Für sie wird es immer schwieriger, die Nachfrage der Mäster nach großen Ferkelpartien mit stabiler Gesundheit zu decken.
Fazit
Die Preiskrise hat in ganz Europa einen verstärkten Strukturwandel ausgelöst. Am stärksten betroffen sind die Ferkelerzeuger. Wobei es regional große Unterschiede gibt:
- In Deutschland ist der Sauenbestand (-2,4 %) unter 2 Mio. gefallen. Der Strukturwandel ist im Süden am größten, er könnte sich 2016 weiter beschleunigen.
- Holländische Ferkelerzeuger haben 3 bis 4 % abgestockt. Doch der Bestand der großstrukturierten Betriebe könnte sich nach der Krise spürbar erholen.
- In Dänemark ist der Sauenbestand stabil und bleibt es vermutlich auch. Hingegen könnte die Mast jährlich weiter um 1 bis 2 % verlieren.
- Polens kleinstrukturierte Ferkelerzeugung verliert weiter an Boden. Das Ferkeldefizit wächst.
- Insgesamt entwickeln sich Dänemark und die Niederlande weiter zu Ferkelüberschuss-Ländern. Das Ferkeldefizit in Deutschland sowie insbesondere in Polen wird noch größer werden.