In Holland müssen die Sauen vier Tage nach Besamung in die Gruppe. Praxiserhebungen zeigen, worauf dabei zu achten ist.
Fred Schnippe, SUS
Seit dem Magdeburger Urteil zum Kastenstand ist klar: Deutsche Ferkelerzeuger müssen für die Sauen im Deckzentrum künftig mehr Freilauf einplanen. Derzeit deutet vieles auf das sogenannte dänische Modell hin. Hier stehen die Sauen nach dem Absetzen sowie zur Rausche bzw. zum Belegen in Einzelhaltung. Danach kommen sie bereits in die Gruppe.
Aktuell werden die Sauen erst vier Wochen nach dem Belegen gruppiert. Dies wird vor allem empfohlen, weil Rangkämpfe in der frühen Trächtigkeit zu Fruchtbarkeitsproblemen bis hin zu Aborten führen können. Daher gibt es in Deutschland bisher kaum Erfahrungen mit der frühen Gruppenhaltung.
Holland: 16 Jahre Schonfrist
Anders in den Niederlanden. Dort gilt seit Anfang 2013 die sogenannte Vier-Tage-Regel. Seither ist die Einzelhaltung der Sauen nur bis vier Tage nach dem Belegen erlaubt. Die Erfahrungen mit der frühen Gruppenhaltung sind gemischt. Es braucht Zeit, um sich darauf einzustellen.
Zwar haben die Niederländer nach dem Beschluss der Vier-Tage-Regel im Jahr 1998 eine Übergangsfrist von zehn Jahren vereinbart. Doch diese wurde um weitere fünf Jahre verlängert. So traten nach der Umstellung vermehrt Verletzungen, Umrauscher bzw. Früh-aborte sowie kleine Würfe auf.
Wegen dieses Wettbewerbsnachteils forderten Fachverbände die EU-weite Umsetzung der Vier-Tage-Regel. Dies lehnte Den Haag ab. Jedoch räumte die Regierung in begründeten Fällen ein Karenzjahr ein. Somit standen für den Umbau vorhandener Ställe bis zu 16 Jahre Übergangszeit zur Verfügung.
Als weitere Hilfe wurden Praxisuntersuchungen gestartet. Sie sollten zeigen, was den Erfolg der frühen Gruppenhaltung ausmacht. Auf dieser Basis wurden Beratungskonzepte entwickelt.
Gute Kondition wichtig
Ein zentraler Punkt ist die Fütterung. So führt ein Energie- oder Nährstoffmangel zu Störungen im Hormonhaushalt. Zudem erzeugen Futterneid bzw. Rangkämpfe am Trog chronischen Stress, der die Fruchtbarkeit schmälert.
Daher müssen die Sauen bereits mit guter Kondition in den Deckbereich kommen. Denn durch die verkürzte Einzelhaltung besteht weniger Zeit, um sie individuell auf Kondition zu füttern. Wichtig für eine gute Kondition beim Absetzen sind vor allem eine optimale Futteraufnahme, Tiergesundheit und Klimasteuerung in der Säugephase.
Ratsam ist, die Futtermenge bis zum 35. Tag nach dem Absetzen konstant zu halten. Dies hilft, Futterstress zur Einnistung der Eizellen zu vermeiden. Da- mit jede Sau ihr Futter bekommt, sollten Selbstfangbuchten über Trogteiler verfügen. Die Flüssigfütterung am Trog hat sich wegen großer Unterschiede beim Fresstempo nicht bewährt.
Trotz ausreichender Energiemenge spüren viele Sauen Hunger, was zu Unruhe führt. Mehr Sättigung lässt sich durch etwas höhere Futtermengen in der frühen Tragephase oder Raufuttergaben erzielen. Bei Selbstfangbuchten und Trogfütterung hilft es, die Sauen ein- statt zweimal täglich zu füttern.
Futterstress vermeiden
Neben der Futtermenge kommt es darauf an, dass jede Sau in Ruhe fressen kann. Dies stellt je nach Haltungssystem unterschiedliche Anforderungen:
- Gut umzusetzen ist das geschützte Fressen mit Abrufstationen. Wichtig ist, dass sie nicht überbelegt werden. Die tägliche Kontrolle der Futterprotokolle zeigt, wenn einzelne Tiere mit dem System nicht zurechtkommen.
- Selbstfangstände bieten auch guten Schutz beim Fressen. Sie müssen aber zur Futterzeit verriegelt sein, um das Verdrängen durch ranghöhere bzw. schnell fressende Sauen zu vermeiden.
- Die höchsten Anforderungen stellen die Trog- oder Bodenfütterung. Denn hier ist die Sau nicht geschützt. Besonders wichtig ist die Gruppenbildung nach Alter und Gewicht. Wird eine Sau beim Fressen öfter abgedrängt, muss sie sofort aus der Gruppe.
Insgesamt gewinnt die Tierbeobachtung an Bedeutung. Holländische Berater empfehlen, die Sauen kurz vor und während der Futterzeiten zu beobachten. Lautes Schreien, Unruhe oder Leerkauen zeigen Handlungsbedarf.
Genug Platz ist ein Muss!
Der zweite wichtige Erfolgsfaktor für die frühe Gruppenhaltung ist ein ausreichendes Platzangebot. Nur so können sich Sauen unterschiedlichen Ranges sicher ausweichen und es treten weniger starke Rangkämpfe mit Verletzungen auf. Genug Platz vermeidet auch, dass rangniedere Sauen den Weg zur Futterstation als stressig empfinden und u.U. zu wenig Futter abrufen.
Bei zweireihigen Selbstfangbuchten muss der Laufbereich 2,5 bis 3 m breit sein. Bei einreihiger Aufstallung sind 2 m Laufgangbreite nötig. Leider haben niederländische Betriebe in der frühen Umstellungsphase mitunter schmalere Laufgänge gebaut. Diese sind ein großer Risikofaktor für die Gruppenhaltung.
Bei Abrufstationen und Trogfütterung sind mindestens 2,25 m2 je Sau einzuplanen – auch wenn der Gesetzgeber bei größeren Gruppen weniger Platz vorschreibt. Wichtig ist zudem bei der Raumplanung, dass es keine Engstellen mit unter 2 m Breite gibt.
Auch in den Niederlanden werden diese Zielmaße nicht immer erreicht. Insbesondere bei Umbaulösungen ließen sich Kompromisse teils nicht vermeiden. In diesen Betrieben zeigen sich oft die größten Probleme.
Brünstige Sauen separieren
Der dritte wichtige Erfolgsfaktor ist, Unruhe durch brünstige Sauen zu vermeiden. In der frühen Gruppenhaltung kommt es diesbezüglich häufiger zu Problemen, da einige Sauen die Brunst zum Ende der Einzelhaltung nicht vollständig abgeschlossen haben.
Ziel ist, diese Sauen früh zu erkennen und erst ein oder zwei Tage später in die Gruppe zu geben. Die holländische Gesetzgebung lässt dies zu. Zudem ist für eine möglichst gleichzeitige Brunst zu sorgen. Eine gute Kondition beim Absetzen, Lichtprogramme und Brunststimulation stehen hier im Fokus.
Großes Augemerk gilt zudem der ersten Trächtigkeitskontrolle. Denn im Gegensatz zur vierwöchigen Kasten- standhaltung stehen die Sauen zur Kontrolle bereits in der Gruppe. Hier können nervöse Umrauscher großen Schaden anrichten.
Um dies zu vermeiden, muss der Betriebsleiter viel stärker auf Rauschesymptome achten. Nach holländischen Erfahrungen sind bereits ab dem 15. Tag nach der Belegung erste Anzeichen für Umrauscher erkennbar. So sind die Sauen aktiv, während alle anderen Tiere schlafen. Ziel ist, unruhige Tiere aus der Gruppe zu nehmen, bevor sie mit dem Aufspringen beginnen. Oft dauert es eine Weile, bis der Betriebsleiter sein Auge geschult hat.
Sauen trainieren
Ein gutes Händchen ist auch bei den Jungsauen gefragt. Sie sind Grundstein für die Gruppen-taugliche Sau. Es gilt:
- Futterneid wird schon als Jungsau erlernt. Starke Rationierung oder Fress- platzmangel sind daher tabu.
- Bei Abruffütterung bieten Anlernstationen große Vorteile.
- Treten Sie regelmäßig in die Jungsauenbucht – nicht nur mit der Spritze.
- Planen Sie genug Zeit zum Umstallen der Jungsauen ein.
Die Niederländer starten die Gruppenhaltung in der Regel nach Abschluss der Rausche, also zehn bis zwölf Tage nach dem Absetzen. Das Gruppieren direkt nach dem Absetzen ist selten. Denn hier besteht aufgrund gefüllter Gesäuge mehr Verletzungsgefahr.
Anders lautet die Empfehlung, wenn die Ziele zum Platzangebot, z.B. bei Umbaulösungen, nicht einzuhalten sind. Hier wird empfohlen, die Sauen sofort nach dem Absetzen zusammenzuführen. Dann ist unbedingt eine ausreichend große Arena einzuplanen.
Hinsichtlich des optimalen Gruppenhaltungssystems haben die Holländer ebenfalls klare Erfahrungen: Die frühe Gruppenhaltung ist mit jedem gängigen Haltungs- bzw. Fütterungssystem erfolgreich umsetzbar. Auch der Umstallzeitpunkt in den Wartestall – direkt nach dem Belegen oder nach vier Wochen – hat keinen Einfluss.
Wichtig ist bei früher Umstallung in den Wartestall, dass bis zum 35. Trächtigkeitstag an 16 Stunden täglich eine ausreichende Lichtstärke erreicht wird. Sonst können vor allem zur lichtarmen Jahreszeit Aborte auftreten.
Seit dem Wechsel zur frühen Gruppenhaltung klagen holländische Betriebe vermehrt über Gruppen- Aborte. Betroffen sind insbesondere kleine, stabile Gruppen, in denen bis zu 50 % der Sauen abortieren. Auslöser ist offenbar eine Kettenreaktion durch die Aufnahme abgestoßener Früchte. Denn hiermit können Prostaglandine in die Sauen gelangen, was wiederum Aborte hervorrufen kann.
Der genaue Zusammenhang ist wissenschaftlich nicht geklärt. Vermutlich handelt es sich um ein multifaktorielles Geschehen. Vorsorglich sind alle Risikofaktoren wie Unruhe, Energiemangel, Toxine etc. zu prüfen.
Fazit
Die Niederlande haben mehrjährige Erfahrungen mit der frühen Gruppenhaltung im Deckstall. Ihre Tipps:
- Sauen sollten sich nach dem Absetzen in guter Kondition präsentieren.
- Zweireihige Selbstfangbuchten brauchen 2,5 bis 3 m breite Laufbereiche.
- Futtermangel und Stress am Trog sind strikt zu vermeiden.
- Brünstige Sauen und Umrauscher sind konsequent zu separieren.
- Jungsauen sind frühzeitig auf das Leben in der Gruppe vorzubereiten.
- Tierkontrolle ist das A und O.