Die Alternativen zur Ferkelkastration sehen in Europa sehr unterschiedlich aus. Welche Bedeutung hat die Ebermast in den verschiedenen Ländern?
Heinrich Niggemeyer, SUS
Der Termin gilt als gesetzt: Unabhängig vom Ausgang der Bundestagswahl wird die betäubungslose Ferkelkastration in Deutschland ab 2019 verboten sein.
Für den amtierenden Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt sind die Kastration unter Betäubung, die Immunokastration sowie die Ebermast gleichberechtigte Alternativen. Doch der Markt für intakte oder geimpfte Eber ist begrenzt und die Betäubung der Ferkel teuer, da sie nach jetziger Rechtslage vom Tierarzt durchzuführen ist. Deshalb fordert die Branche den sog. vierten Weg, also ein Betäubungsverfahren ohne Tierarztvorbehalt.
Bislang fehlt jedoch die Zulassung eines geeigneten Medikaments. Ob dies bis 2019 gelingt, wird auch im Ausland mit Spannung verfolgt. Schließlich sind die Handelsverflechtungen mit Deutschland groß. Hier ein aktueller Überblick, wie der Stand in Europa ist.
Wo Ebermast möglich ist
Spanien/Portugal: Auf der iberischen Halbinsel hat die Ebermast Tradition. Es werden jährlich 18,8 Mio. Eber gemästet; die Schlachtgewichte fallen eher niedrig aus (s. Übersicht). Rund 20 % der männlichen Ferkel werden kastriert, meist ohne Schmerzmittelgabe. Die Börge werden bis weit über 100 kg SG gemästet und für die Produktion des iberischen Schinkens (Serrano/Iberico) gebraucht. Um den Anteil kastrierter Schweine zu senken, müsste das Schlachtgewicht herabgesetzt werden. Die Situation in Portugal ist vergleichbar mit der in Spanien.
England/Irland: Auf der Insel dominiert die Ebermast. Entsprechend niedrig fallen die Schlachtgewichte aus. Tierwohl hat einen großen Stellenwert. Insgesamt werden auf der Insel schätzungsweise mehr als 5,5 Mio. Eber jährlich geschlachtet.
Niederlande: Dort mästen rund 60 % der Betriebe Jungeber für den heimischen Markt und den Export nach England. Bereits 2007 hatten sich die Niederländer in der Erklärung von Noordwijk für den Einsatz der CO2-Betäubung bei der Ferkelkastration entschieden. Dieses Verfahren wendet der Landwirt selbst an.
Belgien: Die Tiere für den heimischen Markt sind größtenteils immunovacciniert. Der LEH hat sich dafür entschieden. Damit nimmt Belgien diesbezüglich eine Vorreiterrolle ein. Für den Export werden die Ferkel jedoch nach wie vor chirurgisch kastriert. Hier hofft man auf eine europäische Lösung.
Geteilte Märkte
Frankreich: Die Kastration unter Narkose wird als zu teuer eingeschätzt, da die Betäubung der Hoftierarzt durchführen muss. In der Bretagne empfiehlt die Kooperation Cooperl ihren Betrieben die Ebermast. 80 % ihrer Mäster folgen der Empfehlung. Landesweit dürften es etwa 1,2 Mio. Eber pro Jahr sein. Der Anteil Eber wird auf 10 % geschätzt.
Deutschland: Ähnlich wie in Frankreich ist auch bei uns der Markt geteilt. Während die Ebermast vor allem in Nordwestdeutschland vorangekommen ist, weil sich die großen Schlachthöfe darauf eingelassen haben, stößt sie in Mittel- und Süddeutschland überwiegend auf Ablehnung. So verbleibt der Anteil der Ebermast bei 10 % bzw. 2,95 Mio. Schlachtungen pro Jahr.
Zu 100% Kastration
Schweiz: Seit 2010 ist die betäubungslose Kastration im Nicht-EU-Land Schweiz verboten. Die Landwirte dürfen selbst die Isoflurannarkose einsetzen. Auch die Schmerzmittelgabe vor der Kastration ist vorgeschrieben.
Norwegen (kein EU-Mitglied): Alle Schweine werden unter Betäubung durch den Tierarzt kastriert. Jetzt soll die Immunokastration erprobt werden. Die Ebermast hat keine Bedeutung.
Schweden: Seit 2016 ist in Schweden die betäubungslose Ferkelkastration verboten. Den Ferkelerzeugern bleibt eine Kastration unter lokaler Anästhesie mittels Lidocain nach vorheriger Schmerzmittelgabe. In Schweden führen die Praktiker die lokale Betäubung selbst durch. Ebermast und Immunokastration haben keine Bedeutung.
Kastration ohne Narkose
Dänemark: Derzeit werden rund 95 % der männlichen Ferkel unter Schmerzmittelgabe kastriert. Verschärfungen sind nicht geplant. Die Dänen sehen die Immunokastration kritisch. Exportferkel für Deutschland sollen nicht oder unter Lokalbetäubung kastriert werden. Hier will man auf schwedische Erfahrungen zurückgreifen.
Österreich: Die Ebermast wird vom österreichischen Markt bzw. vom Handel nicht ausreichend akzeptiert. Es gibt keine gesetzlichen Vorgaben – außer demnächst zum Schmerzmitteleinsatz. Dieser wird allerdings jetzt schon auf vielen Erzeugerbetrieben praktiziert.
Italien: Die Schlachtgewichte liegen deutlich über dem EU-Mittel. Vor allem wegen der Parmaschinken wird die Ebermast nicht als Alternative gesehen. Die Kastration erfolgt nur in einigen Betrieben unter Schmerzmittelgabe.
Osteuropa: In Polen, Tschechien, Rumänien, Ungarn und anderen östlichen EU-Ländern sind ebenfalls hohe Schlachtgewichte üblich. Aus diesem Grund ist die Ebermast bislang kein Thema. Auch gibt es bisher keine Pläne für eine Schmerzbehandlung oder gar Narkose bei der Ferkelkastration.
Fazit
Die Akzeptanz der Ebermast in den EU-Ländern ist sehr unterschiedlich. Diese Schiene dominiert in Spanien und Großbritannien und kann in den Niederlanden, Belgien, Deutschland und Frankreich zumindest Teilmärkte besetzen. In Italien, Österreich, Polen, Skandinavien sowie den osteuropäischen Ländern wird die Ebermast abgelehnt.
Auch die Vorgaben zur Ferkelkastration sind unterschiedlich. So werden einzelne Länder weiter ohne Schmerzbehandlung und Narkose kastrieren.