Eine schwedische Studie belegt die Wirksamkeit der lokalen Betäubung zur Kastration. SUS stellt die wichtigsten Ergebnisse vor.
Fred Schnippe
Seit Anfang 2016 führen Schwedens Ferkelerzeuger die Kastration mit lokaler Betäubung selbst durch. Dieser Weg wird sowohl von der Politik als auch von den kritischen schwedischen Tierschützern mitgetragen.
Studie mit über 500 Ferkeln
Basis hierfür ist eine umfangreiche Praxisstudie. Sie belegt, dass die lokale Betäubung mit dem bewährten Anästhetikum Lidocain auch bei der Ferkelkastration eine effektive Schmerzlinderung bzw. -ausschaltung ermöglicht.
Das schwedische Landwirtschaftsministerium hat die Studie bereits im Jahr 2010 gestartet, um genügend Vorlauf für das anstehende Verbot der betäubungslosen Kastration zu haben. Die Untersuchung sollte insbesondere drei Kernfragen beantworten:
- Kann das Anästhetikum Lidocain den Kastrationsschmerz ausschalten?
- Welchen Zusatznutzen bringt das Schmerzmittel Meloxicam?
- Ist die lokale Betäubung durch den Landwirt umsetzbar?
Die Studie erfolgte in fünf Praxisbetrieben. Die Untersuchung umfasste je Betrieb 25 bis 30 Würfe. Wobei je Wurf vier männliche Ferkel einflossen, die zur Kastration drei bis vier Tage alt waren. Insgesamt standen 557 männliche Ferkel zur Verfügung.
Die vier Ferkel jedes Wurfes wurden unterschiedlich kastriert:
- Ohne lokale Betäubung (Kontrolle),
- mit Schmerzmittel,
- mit Lidocain
- Mit Lidocain und Schmerzmittel.
Vor der Durchführung der lokalen Betäubung absolvierten die Landwirte eine ganztägige Intensivschulung. Das Betäubungsmittel Lidocain (10 mg/ml) wurde mit 0,5 ml je Ferkel eingesetzt. Dem Lidocain waren 5 µg/ml Adrenalin zugesetzt. Dies sorgt für eine längere bzw. stärkere Betäubung.
Die Landwirte haben das Lidocain mit einer sehr feinen Nadel (0,5 mm) zum Großteil in den Hoden injiziert. Beim Zurückziehen der Nadel haben sie einen Teil des Betäubungsmittels unter die Haut in den Hodensack gespritzt.Nach einer Wartezeit von drei Minuten wurden die Ferkel kastriert. Danach erhielten sie das Schmerzmittel Meloxicam in einer Dosis von 0,2 ml je Tier.
Als Parameter für den Behandlungserfolg diente das Schmerzverhalten der Tiere. Hierzu wurde zum einen die Stärke der Schmerzlaute gemessen. Wobei die lauteste Messung jedes Tieres in die Bewertung einfloss. Frühere Versuche zeigen, dass sich so das Schmerz- empfinden der Tiere gut quantifizieren lässt. Zum anderen wurden die Abwehrbewegungen der Tiere in vierstufigen Bewertungsbögen festgehalten.
Nach der Kastration standen die Tiere weitere 70 Minuten unter intensiver Beobachtung. Von den Tieren wurde zudem Blut entnommen und die Entzündungswerte bestimmt. Abschließend erfolgte eine Bewertung der Kastrationswunden. Drei Wochen nach der Behandlung wurden die Gewichte der Ferkel erfasst.
Betäubung lindert Schmerzen
Die Studie belegt die hohe Wirksamkeit der Lokalanästhesie mit Lidocain. So waren in dieser Variante deutlich geringere Schmerzlaute zu verzeichnen als ohne Betäubung (siehe Übersicht 1). Die Unterschiede sind statistisch absicherbar. Ein Einfluss des Betriebes bzw. der Genetik ließ sich statistisch ausschließen.
Die Schmerz-reduzierende Wirkung bestätigte sich auch bei den Fluchtbewegungen der Tiere. So zeigten bis zu 90 % der Kontrolltiere sowie der nur mit Schmerzmittel behandelten Ferkel sehr starke oder starke Fluchtbewegungen (siehe Übersicht 2). Hingegen waren nur bei gut 10 % der lokal betäubten Ferkel starke Abwehrbewegungen festzustellen. Der Großteil dieser Ferkel zeigte bei der Kastration geringe Abwehrreaktionen.
Schmerzmittel geben!
Die zusätzliche Gabe des Schmerzmittels Meloxicam war für die Phase nach der Kastration von spürbarem Vorteil. So traten mit Meloxicam deutlich weniger Schmerz-assoziierte Handlungen auf. Hierzu zählten die Versuchsleiter insbesondere das Zusammenkrümmen, Krämpfe, Kratzen am Rumpf, Steifheit und Niedergeschlagenheit. Der Vorteil der Schmerzmittelgabe zeigte sich sowohl am Kastrations- sowie am Folgetag.
Der positive Effekt des Schmerzmittels spiegelte sich in den Entzündungswerten im Blut wider. Als Maßstab dienten hier die Werte des sogenannten Serums Amyloid A (SAA). Die Schmerzmittelgabe konnte insbesondere den Anteil der Ferkel mit hohen SAA–Werten signifikant senken.
Hinsichtlich der Gewichtsentwicklung der Ferkel waren keine Unterschiede zwischen den Varianten feststellbar. Auch bei den weiteren Verhaltensparametern wie dem vermehrten Liegen unter der Wärmelampe bzw. der verzögerten Milchaufnahme traten keine Unterschiede auf.
Landwirte schulen
Im dritten Schwerpunkt der Studie ging es um die Eignung der Landwirte für die lokale Betäubung. Das Ergebnis ist positiv. So traten keine Unterschiede zwischen den an der Praxisstudie beteiligten Betrieben auf. Alle Landwirte haben die Schulungen erfolgreich ab- solviert und die Betäubung sachgerecht durchgeführt.
Bei der praktischen Umsetzung sind zwei Punkte wesentlich:
- Zwischen Betäubung und Kastration sind drei Minuten abzuwarten.
- Hoden und Samenstrang werden möglichst wenig herausgezogen.
Somit ist wichtig, nicht nur die Betäubung zu erlernen, sondern auch eine schonende Kastrationstechnik.
Fazit
Vor der Einführung der Kastration unter lokaler Betäubung hat Schweden die Wirksamkeit in einer großen Praxisstudie geprüft.
Das Ergebnis:
- Das Lokalanästhetikum Lidocain lindert den Kastrationsschmerz effektiv.
- Gegen postoperative Schmerzen soll- te zudem Meloxicam gegeben werden.
- Nach eintägiger Schulung können Landwirte die lokale Betäubung sicher und effektiv durchführen.