Wer als Video-Blogger beachtet werden will, muss witzig und informativ sein. Dirk Nienhaus gelingt dies von Anfang an.
Heinrich Niggemeyer, SUS
Einmal jährlich treffen sich bei uns im Ort die ansässigen Unternehmer zu einem traditionellen Frühstück. Auch ich durfte vor zwei Jahren dabei sein. Ganz nebenbei fragte mich ein Vertreter aus der Marketingbranche, wo er das Fleisch meiner Schweine kaufen könne. Ich zuckte mit den Schultern und erzählte, dass mein Schlachthof alle großen Handelsketten bedient, wir das Einzeltier nach der Schlachtung nicht im Blick haben.
Das entspricht der Wahrheit und ist nicht negativ zu sehen. Doch seit dem Treffen ging mir ein Gedanke nicht aus dem Kopf: Warum sollen die heimischen Metzger nicht Schweine aus meinem Betrieb beziehen? Also nahm ich Kontakt mit den Fleischerfachgeschäften vor Ort auf. Einige zeigten sich interessiert. Allerdings spiegelten sie zurück, dass sie zum Fleisch eine Geschichte erzählen möchten, um sich von den Supermärkten absetzen zu können. Die Tiere sollen etwas Besonderes darstellen sowie das Fleisch von hoher Qualität sein. Zudem forderten sie absolute Transparenz.
Bocholter Landschweine
Meine Familie und ich bewirtschaften einen 250er-Sauenbetrieb am Stadtrand von Bocholt mit rund 75000 Einwohnern. Den meisten Menschen geht es finanziell gut und sie legen großen Wert auf gute Nahrungsmittel. So kam uns die Idee, Bocholter Landschweine zu züchten. Es sollte zumindest ein Versuch sein.
Dabei hat die Rasse Schwäbisch-Hällische sofort Gefallen gefunden. Denn die Mohrenköpfle aus dem Ländle sind besonders umgänglich und bieten zartes, fein marmoriertes Fleisch. Über eine Kleinanzeige auf eBay gelang es, von privat ein Geschwisterpaar zu erwerben. So kamen Inge, inzwischen im dritten Wurf trächtig, sowie Waldi zu uns. Die etwas zierliche Inge läuft ganz normal mit den anderen Sauen mit, und Waldi ist unser Probiereber.
Als Inge das erste Mal abferkelte, habe ich kurze Videos mit dem Smartphone gedreht. Diese habe ich auf Facebook auf der Seite Bocholter Landschweine eingestellt. Auch in der öffentlichen Gruppe „Bocholt live!“ mit über 11000 Anhängern habe ich die Beiträge gepostet und viele „Likes“ bekommen.
Großes Echo im Netz
Die Resonanz auf meine Aktivitäten hat mich überwältigt. Anscheinend lieben die Leute solche Homestorys, sogar die lokale Zeitung berichtete darüber. Die Mohrenköpfle haben unseren Betrieb interessant gemacht. Doch ich wollte nicht nur die heile Welt zeigen, sondern erklären, wie moderne Landwirtschaft funktioniert. Deshalb packte ich auch ernstere Themen wie den Pflanzenschutz, die Gülledüngung und den Maisanbau an.
Im Video zum Pflanzenschutz habe ich eingeladen, bei mir vorbeizukommen. Denn am Wegesrand zum Hof legte ich zur Veranschaulichung extra ein Versuchsfenster ohne Pflanzenschutz an. Doch auf dieses Thema gab es leider auch persönliche und beleidigende Kommentare. Zum Glück hielten einige Kollegen dagegen, wobei man die übelsten Schmährufe wohl am besten ignoriert.
Witzig und authentisch
Unser Ziel bleibt aber, eine Sauengruppe von der Besamung bis zur Geburt und dem Absetzen der Ferkel zu verfolgen. Wir zeigen, dass die Sauen nach dem Absetzen im Kastenstand stehen und wie es ist, wenn vorzeitig die Stände geöffnet werden. Wir erklären das Scannen oder das Impfen und alles, was dazugehört. Wichtig ist mir, immer authentisch rüberzukommen.
Die Videos sollen witzig und kurzweilig sein. Hier hat mich der YouTuber „Heimwerkerking“ alias Fynn Kliemann inspiriert. Wenn er vor sich her mauert oder sägt, schauen Zigtausende zu. Dabei arbeitet er mit einer Aneinanderreihung vieler Sequenzen, um die Spannung zu halten. Leider ist das Zusammenschneiden der Sequenzen sehr zeitaufwendig. Meist beschäftige ich mich abends zwischen acht und zehn damit.
Auch unsere Azubis Janis Wiltink und Christin Borchers, die ich zum Beispiel bei einem Video über das Güllefahren eingebunden habe, haben Spaß daran. Sie haben sogar eigenständig ein Video gedreht, als ich einen Tag außer Haus war. Ich war begeistert und habe einen halben Tag Urlaub versprochen, wenn sie 25000 Klicks erreichen.
Netter Nebeneffekt
Mein Fazit nach zwei Jahren Facebook: Wir Landwirte sollten uns nicht verstecken, sondern aktiv auf die Verbraucher zugehen. Oft nehme ich die Kurzvideos spontan auf und bearbeite sie später. Jeder PC-begeisterte Berufskollege wird dies auch hinbekommen. Mit den Videobotschaften trete ich in den Dialog und lerne interessante Leute und deren Blickwinkel kennen. Solange uns allen die Bocholter Landschweine Spaß machen, werde ich auch die Idee der regionalen Vermarktung weiterentwickeln. Netter Effekt ist, dass wir aufgrund der Publicity im Netz als Ausbildungsbetrieb nun auf zwei Jahre ausgebucht sind.