Tierärzte müssen nach neuer Hausapothekenverordnung bei Behandlung mit Antibiotika häufiger Resistenztests vornehmen. Welche Auswirkungen hat dies für die Praxis?
Dr. Sandra Löbert, Schweinegesundheitsdienst NRW
Übermäßiger Antibiotikaeinsatz und multiresistente Keime werden häufig mit der Landwirtschaft in Verbindung gebracht. Resistenzen gegenüber Antibiotika sind sowohl in der Human- als auch in der Veterinärmedizin ein ernst zu nehmendes Problem. Besonders Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) sowie ESBL-bildende Bakterien sind in beiden Bereichen problematisch.
Hoher Selektionsdruck
Dabei sind Resistenzen bei Bakterien etwas Natürliches und treten seit jeher zunächst spontan auf. Parallel dazu übt jedoch jede Antibiotika-Behandlung einen gewissen Selektionsdruck aus. Dieser Druck wird nicht nur auf die Zielkeime aufgebaut, sondern auf alle Bakterien im und am Tierkörper. Betroffen sind z.B. die Keime auf den Schleimhäuten in Nase und Mund sowie die Darmflora.
Dieser Selektionsdruck sowie die Möglichkeit, dass Resistenzen von einem auf den anderen Erregerstamm überspringen können, sind nicht zu unterschätzen. Gewisse Resistenzgene können auch zwischen tier- und humanmedizinisch relevanten Erregern ausgetauscht bzw. über Zoonoseerreger von Tier auf Mensch und umgekehrt übertragen werden.
Beispiele sind die o.g. MRSA- und ESBL-bildenden Keime. Dass die in den Ställen nachgewiesenen Erreger große genetische Unterschiede zu den Krankenhauskeimen aufweisen, spielt bei den Diskussionen kaum eine Rolle.
Bei einer Infektion mit multiresistenten Keimen werden die Wirkstoffe relevant, die landläufig als Reserveantibiotika bezeichnet werden. Dazu zählen die Cephalosporine der 3. und 4. Generation sowie Fluorchinolone wie z.B. Enro- oder Marbofloxacin sowie Polypeptid-Antibiotika wie Colistin. Die Wirksamkeit dieser wichtigen Wirkstoffklassen muss unbedingt erhalten bleiben.
Differenzierte Resistenzlage
Im Rahmen des Nationalen Resistenzmonitorings ermittelt das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) seit 2001 das Resistenzverhalten wichtiger krankmachender Keime. In die Auswertung gehen nur Resistenzdaten von Bakterien-Isolaten erkrankter Tiere.
Hier einige Trends zu wichtigen Erregern aus dem entsprechenden Resistenzbericht 2015:
Pasteurellen: Bei allen bedeutenden Wirkstoffen liegt das Resistenzniveau unter 5 %. Ausnahme ist Tetracyclin (15 %). Insgesamt ist ein moderater Rückgang der Resistenzraten im Vergleich zu den Vorjahren erkennbar.
APP: Insgesamt wird eine gute Wirksamkeit der relevanten Wirkstoffgruppen bescheinigt. Nur gegenüber Tetracyclin (14 %) und Sulfamethoxazol (12 %) wurden mehr Resistenzen nachgewiesen.
Bordetellen: Die Stämme zeigen eine gute Empfindlichkeit gegenüber den meisten antimikrobiellen Wirkstoffen. Von einer Behandlung mit Beta-Laktam-Antibiotika, Pleurromutilinen sowie Florfenicol ist jedoch abzuraten.
E.coli: Kolibakterien im Darm können Durchfall verursachen. Ihnen wird eine weniger gute Empfindlichkeit attestiert. Selbst Colistin zeigt nur eine eingeschränkte Wirksamkeit. Hohe Resistenzraten liegen gegen Tetracyclin, Ampicillin und Trimethoprim/Sulfomethoxazol vor, wobei keine gesteigerten Resistenzraten im Vergleich zu vorangegangenen Studien zu erkennen sind.
Keine Behandlungsfehler
Erkrankte Tiere müssen umgehend behandelt werden, um ihnen Schmerzen und Leiden zu ersparen. Auch ein Antibiotikum muss verabreicht werden dürfen. Allerdings erfordert dies in jedem Fall eine fachgerechte Diagnose durch den Hoftierarzt.
Auf den Betrieben können sich Nachlässigkeiten im Umgang mit Antibiotika einschleichen. Diese Defizite sowie nicht gerechtfertigte Einsätze können die Entwicklung von Resistenzen begünstigen und müssen daher vermieden werden. Dazu wichtige Hinweise (siehe auch Übersicht 1):
- Geht es um einen bestimmten Erreger, sollte auf ein Antibiotikum mit möglichst schmalem Wirkspektrum zurückgegriffen werden, d.h., ein Antibiotikum, für das nur sehr wenige Bakterienarten empfindlich sind.
- Die Behandlung ist gemäß der Verschreibung des Hoftierarztes fortzuführen, auch wenn bereits keine Symptome wie Durchfall, Husten oder Milchfieber mehr erkennbar sind! Insbesondere wenn die Tiere Fieber gezeigt haben, sollte noch zwei bis drei Tage weiterbehandelt werden.
- Gruppenbehandlungen finden meist oral über das Futter oder Trinkwasser statt. Hier besteht die Gefahr, dass die schwer erkrankten Tiere zu wenig fressen und somit zu wenig Wirkstoff aufnehmen. Gegebenenfalls müssen solche Schweine zusätzlich per Injektion behandelt werden. Denn auch bei der Dosierung kann ein „zu wenig“ die Resistenzbildung fördern.
- Bei Bagatellinfektionen und viralen Infektionen, z.B. Influenza, dürfen keine Antibiotika eingesetzt werden. Auch die sogenannten Sicherheitsbehandlungen sind problematisch. Diese sind jedoch in den letzten Jahren durch das staatliche Antibiotikamonitoring ohnehin deutlich zurückgegangen.
Mehr Antibiogramme
Um den Einsatz insbesondere der kritischen Wirkstoffe weiter zu minimieren, wurde die Tierärztliche Hausapothekenverordnung (TÄHAV) zum 1.3.2018 geändert. Sie regelt die Abgabe von Arzneimitteln an die Schweinehalter, aber auch die Anwendung von Arzneimitteln durch den Tierarzt genauer.
Mit der Änderung der TÄHAV wurde auch die Antibiogrammpflicht bei Gruppenbehandlungen neu eingeführt. Sie gilt, wenn
- das Antibiotikum im Verlauf der Behandlung gewechselt wird;
- eine antibiotische Behandlung in bestimmten Alters- oder Produktionsstufen mehr als einmal stattfindet;
- eine antibiotische Behandlung länger als sieben Tage dauert und dies nicht in den Zulassungsbedingungen so vorgesehen ist;
- bei Anwendung mehrerer Antibiotika zum gleichen Krankheitsbild, außer es handelt sich dabei um Fertigarzneimittel mit fester Kombination, z.B. Arzneimittel, die Trimethoprim und Sulfonamid enthalten;
- Antibiotika auf eine andere Tierart umgewidmet werden;
- Fluorchinolone oder Cephalosporine eingesetzt werden.
Auch bei Einzeltierbehandlung sind Antibiogramme vorgeschrieben, z.B. wenn Antibiotika von einer anderen Tierart umgewidmet oder wenn Cephalosporine bzw. Fluorchinolone eingesetzt werden. In letzterem Fall muss kein Antibiogramm erstellt werden, wenn im Rahmen der tierärztlichen Bestandsbetreuung bereits aussagekräftige Resistenztests vorliegen, die den Einsatz dieser Wirkstoffgruppen rechtfertigen.
Probleme bei der Umsetzung
Viele antibiotische Behandlungen sind heute durch Optimierung von Haltung, Fütterung und Management sowie dem vermehrten Einsatz von Impfstoffen nicht mehr erforderlich. Auch die Einsatzmengen an kritischen Antibiotika sind rückläufig, wie eine Auswertung von QS zeigt (siehe Übersicht 2). Je weniger Antibiotika eingesetzt werden müssen, desto seltener ist ein Antibiogramm zu erstellen.
Allerdings ist ein solcher Resistenztest nicht immer möglich. Das kann zum einen daran liegen, dass durch die notwendige Probennahme der Gesundheitszustand des zu behandelnden Tieres ernstlich gefährdet würde. Dies ist dann der Fall, wenn ein Tier mit schwerer Störung des Allgemeinbefindens für die Probe noch in Narkose gelegt werden muss. Ein Beispiel wäre ein Schwein mit schwerer Streptokokken-Hirnhautentzündung.
Zum anderen kann die Erstellung eines Antibiogramms aber auch schlichtweg nicht möglich sein, weil der Erreger nicht in zellfreiem künstlichem Medium anzüchtbar ist, wie es z.B. bei Lawsonien der Fall ist. Außerdem kann es sein, dass für einen bestimmten Krankheitserreger keine geeignete Methode vorhanden ist, mit der die Empfindlichkeit gegenüber bestimmten Antibiotika festgestellt werden kann. Für diese Fälle ist in der TÄHAV eine Ausnahme von der Antibiogrammpflicht vorgesehen.
Tierärzte kritisieren Regelung
Wegen dieser Probleme hat der Bundesverband praktizierender Tierärzte (bpt) bis zuletzt versucht, gegenzusteuern und eine Optimierung der geänderten TÄHAV zu erreichen. So besteht für die behandelnden Hoftierärzte in einigen Punkten noch Rechtsunsicherheit.
Zudem müssen in den Anwendungs- und Abgabebelegen – ähnlich wie in der Antibiotika-Datenbank – die Wirktage der Arzneimittel angegeben werden. Allerdings gibt es hierfür weder von den Zulassungsbehörden noch von den Pharmafirmen selbst verbindliche Angaben.
Neben ausführlicheren Anwendungs- und Abgabebelegen müssen bei der Anwendung von Antibiotika einer Abweichung vom Umwidmungsverbot und der Nichtanfertigung eines Antibiogramms die Gründe hierfür dokumentiert werden. Auch im Rahmen der Erstellung eines Antibiogramms müssen Angaben zur Probennahme, dem verwendeten Test sowie dem untersuchten Probenmaterial gemacht werden.
Außerdem bedeutet die Anpassung der TÄHAV einen erhöhten Erfüllungsaufwand. Es müssen in Zukunft mehr Antibiogramme erstellt werden und die dafür anfallenden Kosten müssen von den Landwirten zusätzlich zu den bisherigen Behandlungskosten getragen werden.
Auch kritisiert der bpt, dass die nun vermehrt durchzuführenden Antibiogramme lediglich für die Einzelfallentscheidung genutzt werden, nicht aber, um ein nationales Antibiotikaresistenz-Monitoring auf die Beine zu stellen.
Fazit
Die Tierärztliche Hausapothekenverordnung wurde verschärft. Direkt betroffen sind die Hoftierärzte. Künftig sollen mehr Antibiogramme erstellt werden. Die zusätzlichen Kosten müssen die Landwirte tragen.
Die Tierärzte kritisieren, dass die neuen Regeln zum Antibiotikaeinsatz zum Teil nicht umsetzbar sind. Sie sehen in einigen Punkten noch Rechtsunsicherheiten.
Nur durch eine enge Zusammenarbeit von Human- und Tiermedizin können langfristig wichtige Wirkstoffe für die erfolgreiche Antibiose bei Mensch und Tier erhalten bleiben.