Circoviren entwickeln sich genetisch weiter. Welche Bedeutung haben die neuen Varianten? Müssen die Impfstrategien angepasst werden?
Dr. med. vet. Matthias Eddicks, Klinik für Schweine, LMU München
Das Porzine Circovirus (PCV) wurde bereits in den 70er-Jahren entdeckt. Krankmachende Eigenschaften wurden dem Erreger zunächst nicht direkt zugeschrieben. Erst in den 90er-Jahren ergab sich ein Zusammenhang zwischen den porzinen Circoviren und einem Krankheitsbild bei Ferkeln, das später als post-weaning multisystemic wasting syndrome (PMWS) tituliert wurde.
Seit dem Jahr 1998 wird zwischen den Varianten PCV1 und PCV2 unterschieden.
Kümmerer und mehr
Das typische Krankheitsbild von PCV2 war zunächst gekennzeichnet durch eine auf Bestandsebene erhöhte Mortalität sowie kümmernde Ferkel in der Aufzucht. Ein Auseinanderwachsen wurde auch teils in der Mast beobachtet, weshalb viele von der sogenannten Kümmererkrankheit sprachen.
Mittlerweile sind verschiedenste Erkrankungen im Zusammenhang mit PCV2 beschrieben. Neben dem PMWS sind dies Atemwegs-, Durchfallerkrankungen sowie Reproduktionsstörungen bei den Sauen. Des Weiteren spielt PCV2 eine bedeutende Rolle bei der Entstehung komplexer Lungenerkrankungen, bei dem PCV2 gemeinsam mit anderen Krankheitserregern in der Lunge nachweisbar ist. Dies können Mykoplasmen, Schweineinfluenza-, PRRS-Viren, Pasteurellen oder Bordetellen sein.
Diese Erkrankung der Lunge ist gekennzeichnet durch Atemnot und Husten. Betroffene Tiere sind häufig schlecht zu therapieren. In den Beständen sind die Kennzahlen für den Antibiotikaeinsatz oft erhöht.
Seit 2007 wird bei uns sehr erfolgreich gegen Circo geimpft. Aktuell werden vermutlich rund 90 % der Ferkel vakziniert. PCV2-assoziierte Erkrankungen spielten seit der Einführung der Impfung nur noch eine untergeordnete Rolle.
Neue Virusvarianten
Das Virus wandelt sich und es wurden im Laufe der Zeit das Auftreten neuer PCV2-Varianten beschrieben (siehe Übersicht 1). Aktuell unterscheidet man sechs PCV2-Genotypen (PCV2a – PCV2f). Wobei die Varianten PCV2a, PCV2b und PCV2d regelmäßig in Deutschland nachgewiesen werden. PCV2c, PCV2e und PCV2f spielen zum jetzigen Zeitpunkt in deutschen Schweinebeständen keine Rolle.
Auffällig ist in den letzten Jahren eine Zunahme der Nachweisrate von PCV2d in Fällen von PCV2-assoziierten Erkrankungen auf Bestandsebene (siehe Übersicht 2). Aktuell liegt der Anteil PCV2d- positiver Proben aus eingesandten Untersuchungsmaterialien bei ca. 70 %. Auch in Nordkorea und den USA wird PCV2d mit einer Nachweisrate von 70 % als der in der Hausschweinepopulation dominierende Genotyp eingeschätzt.
Das Besondere daran: Die ersten Fallbeschreibungen stammen von Beständen mit routinemäßig gegen PCV2 geimpften Tieren. Somit kam die Frage auf, ob die Impfung noch schützt.
Wirkt die Impfung noch?
Alle derzeit verfügbaren PCV2-Impfstoffe basieren auf dem Genotypen PCV2a. Die Frage war also, ob sie in der Lage sind, Infektionen mit anderen PCV2-Genotypen zu kontrollieren.
Mittlerweile zeigen unter kontrollierten Bedingungen durchgeführte Infektionsversuche sowie Felduntersuchungen, dass mit den verfügbaren Impfstoffen vakzinierte Schweine auch gegen andere PCV2-Genotypen geschützt sind. Das heißt, dass alle kommerziellen Circo-Vakzinen (siehe Übersicht 3) trotz der genetischen Weiterentwicklung des Erregers wirksam sind.
Die genauen Ursachen für die oben beschriebenen Beobachtungen zu den Impfdurchbrüchen in PCV2d-positiven Herden sind noch nicht abschließend geklärt. Hierzu wird weltweit weiter geforscht. Jedoch sollte beachtet werden, dass es viele Faktoren gibt, welche die Impfeffektivität negativ beeinflussen können.
Dazu zählt z.B. die Impfstoff-Lagerung sowie die korrekte Anwendung. Des Weiteren spielt auch die Impffähigkeit der zu vakzinierenden Ferkel eine bedeutende Rolle (siehe Kasten auf Seite 37).
Sauen infizieren ihre Ferkel
Eine weitere Möglichkeit stellt der Neueintrag von PCV2d in Sauenherden dar, der möglicherweise zu einer zeitlich begrenzten Episode bereits intrauterin relevant PCV2-infizierter Ferkel führt. Das heißt, dass die Ferkel der Sauen, die den Erreger in sich tragen, möglicherweise bereits im Uterus oder direkt nach der Geburt infiziert werden. Bei diesen Ferkeln kann die Impfung gegen PCV2 im Alter von drei Wochen nicht die gewünschte und gewohnte Effektivität erreichen. Dies könnte zu den klinischen Erscheinungen geführt haben, die in der Praxis beobachtet wurden.
Für den Fall, dass das PCV2-Virus neu in die Sauenherde eingetragen wird, kann deshalb eine Sauenimpfung sinnvoll sein. Zumindest sollte man besonderen Augenmerk auf die zuzuführenden Jungsauen legen. Denn Untersuchungen zeigen, dass diese häufig PCV2-positiv sind. Dies lässt sich mithilfe molekularbiologischer Untersuchungen abklären.
Ist dies der Fall, sollte die Impfstrategie optimiert und die jungen Sauen mit einbezogen werden. Denkbar ist eine Auffrischungsimpfung bei den Zuchtläufern ab der zwölften Lebenswoche. Dies ist mit dem jeweiligen Hoftierarzt abzustimmen.
Kommt jetzt PCV3?
Neben den bereits erwähnten PCV1 und PCV2 wurde Anfang 2017 aus Nordamerika von dem Auftreten eines bis dato nicht beschriebenen porzinen Circovirus berichtet. Derzeit wird dieses Circovirus als PCV3 bezeichnet. Diese Variante wurde mitterweile auch in anderen europäischen und asiatischen Ländern nachgewiesen.
Auch deutsche Bestände sind betroffen: In drei von vier Fällen war diese Variante in Proben von Mastschweinen aus Problembetrieben nachweisbar. Die Tiere hatten unterschiedliche Krankheitssymptome.
Inzwischen ist klar, dass es sich bei PCV3 nicht um ein neues, sondern eher um ein neu entdecktes Virus handelt. So wurden in einer schwedischen Studie Proben aus 1993 untersucht. Darin konnte PCV3-DNA retrospektiv nachgewiesen werden.
In der Erstbeschreibung wurde PCV3 mit dem porzinen Dermatitis- und Nephropathie Syndrom (PDNS) und Todesfällen bei Sauen in Verbindung gebracht. Auch Reproduktionsstörungen wurden im Zusammenhang mit PCV3 beschrieben. Untersuchungen aus der eigenen Routinediagnostik zur Abklärung von infektiösen Abortursachen haben ebenfalls in Einzelfällen Nachweise von PCV3-DNA sowohl in Mumien als auch in totgeborenen Ferkeln erbracht.
Inwieweit PCV3 tatsächlich klinische Relevanz hat, ist schwer abzuschätzen. Ebenfalls nur schwer beurteilbar sind die Berichte von PCV3-DNA-Nachweisen aus Schweinen mit multisystemischen Entzündungen oder Lungenerkrankungen.
Um die krankmachende Eigenschaft nachzuweisen, müsste es ein Virusisolat für kontrollierte Infektionsversuche geben. Aussagen zur Pathogenität von PCV3 sind daher spekulativ, eine krankmachende Eigenschaft kann jedoch nicht gänzlich ausgeschlossen werden.
Die Frage, ob es eine Kreuzimmunität von PCV2 gegenüber PCV3 gibt, kann derzeit ebenfalls noch nicht beantwortet werden.
Fazit
- PCV2 ist an verschiedenen Krankheitsbildern beteiligt. Sie betreffen die Atemwege, den Magen-Darm-Trakt sowie die Fruchtbarkeit bei den Muttertieren.
- In Deutschland tritt der Genotyp PCV2d immer häufiger auf. Unter ungünstigen Umweltbedingungen kann sich die Klinik verstärken.
- Kommerzielle Impfstoffe sind nach wie vor wirksam.
- Wird der Genotyp PCV2d neu in den Sauenbestand eingetragen, sollten zumindest die jungen Sauen beim Impfkonzept einbezogen werden.
- Inwieweit der „neue“ porcine Circovirus (PCV3) eine klinische Relevanz hat, bleibt abzuwarten.