Das Düngerecht erfordert neue Konzepte zur Nährstoff-reduzierten Fütterung. Möglichkeiten und Grenzen hat SUS mit zwei Experten besprochen.
Fred Schnippe, SUS
Wer Gülle abgeben muss, wurde in diesem Frühjahr kräftig zur Kasse gebeten. Regional lagen die Abgabepreise teils 5 €/m3 und mehr über dem Vorjahr. In einigen Schweinebetrieben blieb sogar erstmals Restgülle im Lager, die sich nicht vermitteln ließ.
Viele Praktiker suchen daher händeringend nach neuen Fütterungskonzepten, die den Bedarf an Gülleflächen senken. Jedoch dürfen die Leistungen und die Tiergesundheit nicht aus dem Lot geraten. SUS hat die Fragen aus der Praxis aufgegriffen und mit zwei Fütterungsexperten diskutiert.
Warum ist der Nährstoff-Druck in diesem Jahr besonders groß?
Meyer: Durch die neue Dünge-VO müssen viele Betriebe mehr Gülle abgeben. Gleichzeitig reagieren viele Ackerbaubetriebe in puncto Aufnahme von Wirtschaftsdünger zurückhaltend. Sie haben vor allem Sorge, dass Wirtschaftsdünger die N-Bilanz verhageln. Die Diskussion um Nitrat im Wasser kann das Problem weiter verschärfen.
„Große Reserven in der Mast“
Wo liegen die größten Potenziale bei der Fütterung?
Bunge: Wir sollten zunächst in der Mast ansetzen. Denn hier werden die größten Futtermengen verbraucht. Insbesondere in der zweiten Masthälfte können viele Betriebe die Protein- und Phosphorgehalte senken, ohne Leistunsgeinbußen zu riskieren. Hohe Sicherheitszuschläge sollten tabu sein.
Gilt das auch für Sauen und Ferkel?
Bunge: Auch hier gibt es Ansätze, den Nährstoffanfall zu senken. Jedoch haben wir in der Ferkelerzeugung weniger Erfahrungen, sodass wir die Absenkung der Nährstoffgehalte vorsichtiger angehen müssen. Die größeren Reserven sehe ich beim Ferkelfutter. Bei Sauen gibt es oft kaum Luft.
Meyer: Wir müssen die P-Versorgung der Sauen genau im Auge behalten. Geringere Gehalte müssen auch bei Hochleistungssauen in Gruppenhaltung stabile Fundamente gewährleisten. Zur Absenkung der Nährstoffgehalte in der Sauenfütterung benötigen wir weitere Versuchsergebnisse.
An welchen Empfehlungen können sich die Praktiker orientieren?
Bunge: Aufgrund des enormen Drucks setzen wir Konzepte um, die wissenschaftlich noch geprüft werden müssen. Hier gibt es einen erheblichen Nachholbedarf. Umso wichtiger ist, die Betriebe in der Einführungsphase eng zu begleiten.
Reicht künftig die zweiphasige Mast?
Bunge: Rechnerisch ist die Multiphasen-Mast im Vorteil. Doch in der Praxis funktionieren einfache Fütterungskonzepte oft besser. Auch mit zweiphasigen Mastrationen lassen sich niedrige Nährstoffausscheidungen erzielen. Da- für muss ich exakt wissen, welche Nährstoffe beim Tier ankommen.
Worauf ist vor allem zu achten?
Meyer: Insbesondere Hofmischer müssen regelmäßig ihre Rohkomponenten analysieren lassen. Dabei ist auch der Phosphorgehalt zu ermitteln. Denn dieser kann z.B. im Getreide stark schwanken. Wichtig ist zudem eine hohe Mischgenauigkeit. Um sie zu prüfen, sollte man Proben aus verschiedenen Trögen ziehen.
„Ohne Soja mästen“
Ist die Mast ohne Soja möglich?
Bunge: Ja, in der zweiten Masthälfte ab 50 kg Tiergewicht ist dies machbar. In unserem Beratungsgebiet setzen rund 100 Mäster dieses Konzept seit einigen Monaten um. Die ersten Schweine sind am Haken. Wir sehen keine Nachteile bei der Mast- und Schlachtleistung. Die Tiere sind sogar etwas ruhiger. Denn der geringere Proteingehalt entlastet den Stoffwechsel.
Meyer: In unserem Mastversuch ohne Sojaschrot traten keine Leistungsminderungen auf. Entscheidend sind bedarfsdeckende Nährstoffgehalte. Diese können auch andere Futtermittel als Soja liefern. Extreme Proteinabsenkungen sind bei Eigenmischungen nur für Top-Betriebe geeignet. Sie benötigen eine moderne Mischtechnik und müssen den Futterwert der Komponenten kennen. Nach unseren Versuchen scheint bei 12% Proteingehalt ab 80 kg LG eine Grenze erreicht zu sein.
Wie vermeidet man einen Eiweißmangel?
Bunge: Wir nutzen in unserem Konzept ein Mineralfutter mit sehr hoher Aminosäurenausstattung. Es enthält 18% Lysin und ist mit vier weiteren Aminosäuren bis zum Valin ergänzt. Letztere ist seit drei Jahren verfügbar. Wir setzen dieses hochwertige Mineralfutter in beiden Mastrationen mit 4% ein.
Reichen die Gehalte im Krankheitsfall?
Meyer: Schweine haben keinen Grundbedarf an Protein. Das heißt, auch im Krankheitsfall lässt sich die Versorgung mit adäquater Ergänzung freier Aminosäuren sicherstellen. Die hohe Verfügbarkeit freier Aminosäuren dürfte sich dabei positiv auswirken. Wir wissen, dass z.B. der Threoninbedarf bei Infekten steigt. Ob die nicht-essenziellen Aminosäuren in Mangel geraten, müssen Versuche zeigen.
Laufen Mineralfutter ohne Phosphor?
Bunge: Wir nutzen P-freie Mineralfutter seit mehr als fünf Jahren erfolgreich auch in der Vormast. Allerdings sind flankierende Maßnahmen nötig. So muss der Kalziumgehalt gesenkt werden und wir müssen qualitativ hochwertige Kalziumträger nutzen. Zudem sollten verstärkt organische Spurenelemente verfüttert werden. Sie fördern die Verdaulichkeit des Phosphors.
„Phytaseeffektiv nutzen“
Gibt es Reserven bei der P-Versorgung?
Meyer: Als der Phosphorpreis vor Jahren stark anstieg, sanken die P-Gehalte in den Rationen. Entscheidend ist die Versorgung mit verdaulichem Phosphor. Unsere Versuche mit starker P-Reduzierung zeigten geringere Mastleistungen, sodass wir weiteren Forschungsbedarf sehen. Fundament probleme traten in Versuchen ohne anorganischen Phosphor nicht auf.
Gibt es Phytase mit höherer Wirkung?
Bunge: Im Praxiseinsatz sehen wir keine Unterschiede zwischen den Produkten. Viel wichtiger ist, dass Phytase optimal wirken kann. Zu große Hitze bei der Pelletierung oder eine lange Lagerung des Futters können die Wirkung schmälern. Hohe Gehalte an Kalzium oder anorganischen Spurenelementen sind ebenfalls nachteilig.
Was ist mit P-reichen Futtern wie Kleie?
Meyer: Eine starke Nährstoffabsenkung gelingt nur, wenn wir auf Komponenten mit hohen P-Gehalten ganz oder weitgehend verzichten. Aber wo bleiben bewährte Nebenprodukte wie Weizenkleie? Auf welche Nebenprodukte greifen wir stattdessen zurück? Bei Sojaschalen, Schälkleien oder Strohmehl sind Preis, Qualität und Verfügbarkeit zu beachten. Auch der als heimisches Futter gewünschte Raps macht Probleme. Er enthält zwei Drittel mehr Phosphor als das Sojaschrot.
Reicht die Mischgenauigkeit?
Bunge: Je weiter die Nährstoffwerte sinken, desto besser muss die Mischtechnik sein. Kritisch sind vor allem kleine Dosiermengen beim Mineralfutter. Es kann helfen, die Mineralstoffe mit Getreide auf einen Mischungsanteil von 10% zu strecken. Das verbessert auch die Lagerstabilität bei hohen Gehalten an freien Aminosäuren.
Meyer: Voraussetzung ist, dass die Technik in kleinen Wiegeschritten dosieren kann. Auch auf die Verteilgenauigkeit kommt es an. Eine Futterprobe am letzten Trog zeigt, wo man steht. Komfortable Technik allein genügt nicht, man muss sie auch überprüfen.
Ist N- und P-reduziertes Futter teurer?
Bunge: Das hängt von den Preisen der Rohwaren ab. Derzeit ist Sojaschrot mit rund 40 €/dt relativ teuer, während die Preise für freie Aminosäuren gesunken sind. Zu beachten ist auch, dass der Platz des preisgünstigen Phosphors im Mineralfutter durch andere, teurere Produkte gefüllt werden muss. Unter dem Strich müssen Rationen mit starker Nährstoffabsenkung momentan nicht teurer sein.
Meyer: Unsere Versuche zeigen, dass die Tiere bei starker Nährstoff-Absenkung teils etwas mehr Futter benötigen. Die Betrachtung darf sich daher nicht allein auf den Futterpreis pro dt richten. Wichtiger sind die Futterkosten pro kg Zuwachs.
Wie gelingt die Rationsumstellung?
Bunge: Jeder Betrieb reagiert je nach Genetik, Stallsystem und Futtergrundlage anders. Der Wechsel zur Nährstoff-reduzierten Fütterung sollte daher schrittweise erfolgen. In der Mast sollte man im letzten Abschnitt z.B. ab 90 kg Tiergewicht beginnen. Bleiben Mast- und Schlachtleistung im Lot, kann die Nährstoff-Absenkung im nächsten Durchgang ab 80 kg beginnen. Man sollte besonders die leichtesten Tiere der Gruppe im Auge halten. Denn sie würden eine eventuelle Unterversorgung früher zeigen.
„Wachstum ist nicht alles“
Sind Leistungseinbußen vertretbar?
Meyer: Ja, dies scheint in bestimmten Fällen akzeptabel. Denn die gestiegenen Preise für die Gülleabgabe belasten die Wirtschaftlichkeit enorm. Für eine sachliche Betrachtung sollte der Nährstoff- bzw. Gülleanfall eines Fütterungsregimes künftig in die Wirtschaftlichkeitsrechnung einfließen. Aus der Praxis liegen dazu konkrete Anfragen vor. Manche Betriebe sind z.B. zu Abstrichen bei den Tageszunahmen bereit, wenn dadurch merklich weniger Nährstoffe anfallen.
Welchen Einfluss hat die Genetik?
Bunge: Unsere Feldbeobachtungen zeigen bislang keinen genetischen Einfluss auf die Nährstoff-Effizienz. Dennoch sollte sich die Zucht Gedanken machen und z.B. in den Prüfstationen auf Nährstoff-reduziertes Futter umstellen. Bislang weisen die Rationen hier hohe Sicherheitszuschläge auf.
Wie verändert sich die Nährstoffbilanz?
Meyer: Das neue Düngerecht bietet in der Klasse „stark Nährstoff-reduziert“ derzeit die geringsten Ausscheidungswerte. Wer von weiteren Nährstoffeinsparungen profitieren will, muss eine individuelle Stallbilanz vorlegen. Weist der Betrieb den geringeren Nährstoffanfall der Behörde plausibel nach, wird dieser im Nährstoffvergleich berücksichtigt. Wie die Umsetzung konkret erfolgen kann, wird derzeit von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen entwickelt.
Bunge: NRW ist hier weiter. Bei uns sind acht Berater für die Stallbilanzen zertifiziert. Weitere folgen bei Bedarf. Die Landesregierung in Düsseldorf unterstützt unser Konzept zur starken Nährstoff-Absenkung ausdrücklich.
„Bis zu 40% Güllefläche sparen“
Wie viel Güllefläche lässt sich einsparen?
Bunge: Das hängt davon ab, ob der Betrieb bereits Nährstoff-reduziert füttert. Dies ist regional unterschiedlich. Mastbetriebe, die bisher wenig auf den Nährstoffanfall achten, können durchaus 30 bis 40% Güllefläche sparen. Unser Fütterungskonzept ohne Eiweißträger in der zweiten Masthälfte kann den Nährstoffanfall bis zu 50% senken. Bei tragenden Sauen und Ferkeln lässt sich etwa 10% Güllefläche sparen.
Wie reagiert die Futterindustrie?
Bunge: Das Interesse ist groß. Vor allem in den Veredlungsregionen suchen viele Betriebe neue Fütterungskonzepte. Allerdings tun sich große, überregionale Mischfutterhersteller mit der Umstellung auf die starke Nährstoff-Absenkung teils schwer. Dies kann z.B. mit einer langfristigen Bindung beim Einkauf der Rohkomponenten zu tun haben. Kleinere Hersteller sind derzeit flexibler.