Schlachtbefunde können ein Indikator für Tierwohl und Gesundheit sein. Hierzu muss die amtliche Erfassung besser harmonisiert werden, wie ein Projekt zeigt.
Fred Schnippe, SUS
Die Erhebung von Schlachtbefunden ist in Deutschland Standard. Den Ablauf regeln u.a. die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Lebensmittelhygiene (AVV LmH) sowie ein QS-Leitfaden. Die Befunde stehen mit der Tiergesundheit und dem Tierschutz im Zusammenhang. Das heißt: Die Befunde ließen sich als Indikator für die Situation im Mastbetrieb nutzen.
Doch zeigt sich, dass die Befunde verschiedener Schlachthöfe kaum vergleichbar sind. Denn die Bedingungen am Schlachtband, die Bewertungsschemata sowie die Wahrnehmung der Erfasser beeinflussen die Ergebnisse.
16 Schlachtbetriebe befragt
Hier setzt das Projekt an, das die ISN- Projekt GmbH, die Landwirtschaftskammer Niedersachsen, das Veterinäramt Cloppenburg und der Schlachthof Böseler Goldschmaus unter Leitung der Tierärztlichen Hochschule Hannover durchgeführt haben. Das Land Niedersachsen hat das Projekt gefördert.
Im ersten Schritt hat die Projektgruppe den Status Quo der Befunderhebung erfasst. Hierzu erfolgten Befragungen in 13 großen Schlachtbetrieben in Niedersachsen, einem großen Schlachtbetrieb in Nordrhein-Westfalen, einem Schlachtbetrieb von Neuland sowie bei einem Metzger. Ansprechpartner waren die Amtsveterinäre als Leiter der Fleischuntersuchungsstelle sowie die Mitarbeiter, die im Schlachthof die Qualitätssicherung verantworten.
Die Befragung zeigt, dass die Befund- erheber unterschiedliche Bedingungen vorfinden. So variiert die Zahl der geschlachteten Schweine zwischen 60 und 720 pro Stunde. Daher agieren die Veterinäre in kleineren Betrieben allein, während in den größeren Schlachthöfen mehrere Veterinäre und Assistenten pro Schicht anwesend sind. Diese haben 20 bis 50 Schweine pro Stunde zu bewerten, im Schnitt sind es 38 Tiere je Stunde.
Die Untersuchung zum Tierschutz erfolgt direkt beim Entladen. Die Veterinäre achten insbesondere auf transportbedingte Verletzungen und Verluste, Lahmheiten, Verschmutzung, Kümmerer und Schwanzverletzungen.
Befundung mit Checklisten
Zur Erfassung der Tierschutzindikatoren verwenden rund zwei Drittel der Befragten standardisierte Checklisten, wie sie in Niedersachsen ein Länder-erlass vorgibt. Diese werden in Papierform oder zunehmend digital geführt. Digitale Eingaben können direkt dem Untersuchungspersonal am Schlachtband zugespielt werden. Dies bietet vor allem bei der Risiko orientierten Fleischuntersuchung Vorteile.
Besonders wichtige Tierschutzkriterien wie Teil- und Hautschäden sowie Gelenkveränderungen werden in allen bzw. fast allen befragten Schlachthöfen erfasst. Die Erhebung weiterer Tierschutzfaktoren findet nicht immer statt, da sie nicht vorgeschrieben ist. Bei gravierenden Tierschutzverstößen können zusätzlich Fotos erstellt werden.
Zu 100 % umgesetzt wird die Befundung der Organe am Geschlinge. Die Verwaltungsvorschrift legt fest, dass die Befunde für Lunge, Leber, Herz und Brustfell je nach Anteil der Veränderung in Kategorien einzuteilen und mit Befundschlüsseln zu erfassen sind.
Für die Eingabe der Befunddaten nutzen die Veterinäre die Hard- und Software des Schlachthofes. Deshalb erfolgt keine standardisierte Rückmeldung der Daten an die Kreisbehörde. Nur für die amtliche Statistik werden anonymisierte Daten zurückgespielt.
Auch die Weiterleitung der Befunde an die Mäster ist ausbaufähig. Zwar sehen die Einsender monetär relevante Befunde auf der Abrechnung. Weitere Daten werden aber vom Viehhandel oft nicht an den Landwirt weitergegeben.
Probleme bei Datenqualität
Hinzu kommt: Nur 29 % der befragten Schlachthöfe werten die Befunddaten zur Einordnung ihrer Einsender intern aus (siehe Übersicht 1). Weitere 29 % stellen die Befunde zusätzlich zum Abruf in eine Online-Plattform. Doch 42 % der befragten Schlachthöfe werten die Befunde gar nicht aus.
Um die Datenqualität zu verbessern, werden wiederholt Schulungen ins Feld geführt. Zwar gibt es in der Regel einmal jährlich eine Schulung zur Befundung. Doch nur jeder dritte Befragte konnte auf ein konkretes Schulungskonzept verweisen. Zwei Drittel organisieren nur einmal jährlich eine Mindestschulung bzw. führen keine oder nur individuelle Schulungen durch.
Weiterbildung ist für die Risiko orientierte Fleischuntersuchung wichtig. Denn hier fließen u.a. die Befunde aus früheren Lieferpartien in die Entscheidung über die Untersuchungsmethode ein. Wie Übersicht 2 zeigt, setzen 79 % der Schlachthöfe auf die Fleischuntersuchung ohne Messer.
Auch müsste die Harmonisierung der Befundung von großem Interesse sein. Denn die Schlachthöfe wollen verhindern, dass standortbezogene Unterschiede zum Wettbewerbsfaktor werden. Unsicherheit herrschte bei einzelnen Veterinären, wann Befunde, wie Nabelbrüche, tierschutzrelevant sind.
Neues Schulungs-Konzept
Der zweite Projektteil zielt daher auf spezielle Schulungs-Konzepte für die Befunderheber ab. Diese wurden im Schlachtbetrieb Böseler Goldschmaus in Garrel erarbeitet.
Das Konzept startet mit intensiven theoretischen Schulungen. Hierzu wurden die Erfasser zunächst für die Bedeutung der Befunde sensibilisiert. Zudem wurde darauf geachtet, dass die Inhalte einprägsam und verständlich sind. So wurden die Tierwohlindikatoren u.a. anhand von Bildern erläutert. Weiterer Schwerpunkt war die Lungenbefundung. Denn diese stellt besonders hohe Anforderungen. So sind schlachttechnische Befunde wie Blutaspirations- oder Brühwasserlungen oft schwer von pathologischen Veränderungen zu unterscheiden.
Der zweite wichtige Aspekt des Schulungs-Konzeptes ist das Benchmarking. Hiermit können die Befunderheber ihre Ergebnisse untereinander vergleichen. Um den Datenschutz zu sichern und den Zugriff des Schlachthofes zu unterbinden, fließen die Befund- und die Erfasserdaten erst im Hoheitsgebiet des Landkreises zusammen. In einem Online-Portal kann jeder Erfasser seine sowie die anonymisierten Daten seiner Kollegen und den Mittelwert abrufen.
Eine große Herausforderung war, die Befunde sicher dem Erfasser zuzuordnen. Denn in der Regel sind mehrere Befunderheber gleichzeitig im Einsatz. Daher wurde jeder Befunderfasser mit einem Armband-Chip ausgestattet. Tritt der Erheber ans Eingabeterminal, wird er über eine Lesestelle registriert.
Projekt zeigt Wirkung
Mithilfe der Befundzuordnung wurden 15 Fachassistenten näher betrachtet. In der sechswöchigen Auswertung erhielten 24,5 % der Tiere Organbefunde. Wobei Lungen- und Leberbefunde mit je gut 10 % überwogen.
Am Beispiel der Lungenbefunde lässt sich gut erkennen, wie sich die Schulungen auswirken. So zeigen die Übersichten 3 und 4 insbesondere zwei relevante Verschiebungen:
- Die Position der einzelnen Fachassistenten verändert sich. So beanstandete Assistent 1 (grüne Säule) vor der Schulung relativ wenige Lungen. Nach der Schulung liegt er über dem Mittel.
- Die Befundfrequenz der Erheber hat sich angenähert. So ist die Zahl der starken Ausreißer nach oben sowie nach unten merklich gesunken.
Auch die Betrachtung einzelner Befunderheber ist interessant. So vergab Assistent 1 im Auswertungszeitraum bei 27,4 % der Tiere einen Organbefund. Seine Kollegen lagen 2,9 % darunter.
Die Bewertung des Assistenten änderte sich, nachdem er seine Ergebnisse mit den Kollegen verglichen hat. So ist seine Befundquote noch höher geworden. Bei den Kollegen hat sich der Anteil der beanstandeten Tiere jedoch stärker erhöht. Insgesamt hat sich der Fachassistent also den Befundhäufigkeiten seiner Kollegen genähert.
Jedoch zeigen sich auch Grenzen. So lag der Fachassistent 12 vor der Schulung bei den Lungenbefunden auf dem letzten Platz (siehe Übersicht 3). Nach der Schulung weist er den zweitgrößten Wert auf. Er hat also überreagiert, muss seine Bewertung anpassen.
Tipps fürs Benchmarking
Aus dem Projekt lassen sich Hinweise für ein Benchmarking ableiten:
- Für taggenaue Vergleiche müssen genügend Daten vorliegen. Dies ist bei den meisten Organbefunden gegeben.
- Bei Befunden bis 2 % sind Wochen- oder Monatsdaten auszuwerten. Dies gilt für Tierschutzbefunde wie Lahmheiten oder Hautverletzungen.
- Weitere Kategorien wie Abzesse oder Liegebeulen treten so selten auf, dass ein Benchmarking keinen Sinn macht.
- Nur ein kontinuierliches Benchmarking führt zum gewünschten Erfolg.
Fazit
Eine Projektgruppe hat sich zum Ziel gesetzt, die Erhebung von Schlachtbefunden zu optimieren. Hierzu wurden 16 Schlachtbetriebe befragt und ein neues Schulungskonzept erstellt.
Denn trotz rechtlicher Vorgaben ist die Befunderhebung wenig standardisiert. Auch die interne Auswertung der Befunde und die Rückmeldung an die Landwirte sind verbesserungswürdig.
Mithilfe von Schulungen und Vergleichen der Befunderfasser konnte die Erhebung verbessert werden. Wichtig ist, dass die Schulungen fortgeführt werden.
Die Optimierung der Befunderfassung ist die Voraussetzung für Rückschlüsse auf die Tiergesundheit und den Tierschutz. Allerdings sind hier weitere Untersuchungen notwendig.