Spaniens Schweinehalter stocken weiter auf und verdrängen uns von Platz 1 in der EU. Auch im Fleischexport sind die Spanier stärker geworden.
Dr. Albert Hortmann-Scholten, LWK Niedersachsen
Seit 2015 ist Spanien mit nunmehr 29,2 Mio. Schweinen der größte Schweinehalter in der EU. Die iberische Halbinsel hat den bisherigen Primus Deutschland (27,3 Mio. Schweine) an der Spitzenposition abgelöst (siehe Übersicht 1). Zwar werden in der Bundesrepublik mit jährlich ca. 58,5 Mio. Stück immer noch die meisten Schweine geschlachtet und verarbeitet. Allerdings dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis auch hier die Spanier auf die erste Position innerhalb der EU drängen.
So stieg im ersten Quartal 2017 die spanische Schweinefleischerzeugung erneut um 2,8%. Zwar signalisieren aktuelle Zahlen, dass die Iberer jetzt eine Verschnaufpause einlegen. Doch der Abstand zu Deutschland wird größer, da hierzulande die Zahl der gewerblichen Schlachtungen leicht zurückgeht, zuletzt um die 2%. Die Entwicklung der Schweinefleischproduktion ist allerdings auch von den durchschnittlichen Schlachtgewichten abhängig, die zuletzt unverändert ausfielen.
Spanien: Mehr Sauen
Die Entwicklung zum führenden Schweinefleischerzeuger Europas zeichnet sich am deutlichsten bei den Sauenbeständen ab (siehe Übersicht 2). War Spanien noch vor 20 Jahren ein bedeutender Importeur von Ferkeln, wovon seinerzeit auch Deutschland und die Niederlande profitierten, ist man nun relativ autark, was die Ferkelerzeugung angeht.
Derzeit stehen in spanischen Ställen rund 2,4 Mio. Sauen, und es werden weitere Aufstockungen auf insgesamt 2,5 Mio. Sauen erwartet. Sollte es den Spaniern darüber hinaus gelingen, z.B. durch den Austausch der Sauengenetiken die biologischen Leistungen weiter nach oben zu schrauben, könnte die Bruttoeigenerzeugung an Schweinefleisch noch deutlicher steigen. Denn auch in Zukunft werden die in Spanien geborenen Ferkel in der Regel auch vor Ort gemästet.
In Deutschland hingegen gehen Marktexperten von einem verstärkten Strukturwandel in der Ferkelerzeugung und sinkenden Sauenzahlen aus. Nicht zuletzt wegen der Diskussionen um den Kastenstand im Deckstall sowie dem drohenden Verbot der betäubungslosen Kastration werden für 2020 rund 10% weniger Sauen erwartet. Bei derzeit 1,9 Mio. Sauen wären es dann nur noch 1,7 Mio. Muttertiere. Da bei den Ferkelzahlen bereits ein sehr hohes Niveau erreicht worden ist, sind hier kaum noch merkliche Steigerungen zu erwarten. Somit könnte das Ferkeldefizit um weitere 3 bis 4 Mio. Tiere zunehmen. Aktuell wird der Saldo auf etwa 9 Mio. Ferkel geschätzt.
Abhängig vom Export
Die aktuellen Entwicklungen in beiden Ländern unterstreichen die Wichtigkeit des Exportes. Dies gilt für Spanien, da hier die Bruttoinlandsproduktion steigt und der inländische Schweinefleischverzehr konstant zu bleiben scheint. Aber auch Deutschland kann nicht auf den Export verzichten, da der Inlandsfleischverzehr stetig sinkt und demzufolge die Schlachtbranche weniger Ware vor Ort absetzt und mehr Fleisch exportieren muss.
Beide Länder sind hier gut aufgestellt und liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen, wenn es um die exportierten Mengen geht. Insgesamt müssen sie etwa 1,9 Mio. t Schweinefleisch auf ausländischen Märkten platzieren. Deutlich zu erkennen ist, dass sich die Spanier innerhalb der EU beispielsweise immer stärker in Italien und Frankreich etablieren.
Bei den Schweinefleischexporten in Drittländern sind die Iberer ebenfalls sehr gut aufgestellt. Die Zahl der Exportlizenzen ist etwa doppelt so hoch wie die der Deutschen. Noch haben wir bei den Drittlandsausfuhren die Führungsposition. Diese wird kaum zu halten sein, wenn die spanische Schweineproduktion weiter zunimmt.
Auch gehen viele Marktexperten davon aus, dass der spanische Selbstver-sorgungsgrad für Schweinefleisch binnen drei Jahren von 180 auf 200% steigen wird (siehe Übersicht 3, Seite 54).
In Deutschland hingegen wurde bislang eher ein abnehmender Trend beim Selbstversorgungsgrad vorausgesagt. Doch entscheidend ist, wie sich der Inlandsverzehr weiterentwickelt. Sollte dieser deutlicher als bislang prognostiziert absacken, könnte die Selbstversorgung in den kommenden Jahren sogar wieder leicht steigen. Aktuell werden um die 120% erreicht.
Integratoren bestimmen Kurs
Für den Wachstumskurs der Spanier gibt es verschiedene Gründe. Zunächst einmal sind große Unterschiede in der Organisation und der Betriebsstruktur offensichtlich. Während es in Westeuropa einschließlich Deutschland überwiegend unabhängige Schweinebetriebe gibt, dominieren in Spanien integrierte Systeme. Sie machen mittlerweile 80% der dortigen Schweinehaltung aus.
Der größere Anteil an vertikal integrierten Unternehmen ist für die Landwirtschaft nicht per se als Kostenvorteil zu sehen, hilft aber aus sektoraler Sicht bei der strategischen Weiterentwicklung des Gesamtsystems. Insbesondere in Preiskrisen verleiht es der Erzeugerstufe eine größere finanzielle Stabilität.
Viele der Integrationen wollen weiter wachsen und es entstehen Betriebe mit 3000 Sauen und mehr. Unter anderem durch diese Größenordnung bedingt, bewegt sich die spanische Ferkelproduktion auf hohem Hygieneniveau. Darüber hinaus wird durch Importe ausländischer Genetik das biologische Leistungsspektrum weiter verbessert.
Während auf der Produktionsseite eindeutig die Großbetriebe den Ton angeben, sind die Schweineschlachthöfe bezüglich ihrer Größe bei Weitem nicht mit den deutschen Riesen vergleichbar. Vion schlachtet etwa doppelt so viele Schweine wie das größte spanische Unternehmen und Tönnies alleine etwa so viel wie die ersten vier der Hitliste zusammen.
Deutschland: Mehr Tierwohl
Neben der Organisationsform in der Schweineproduktion dürften vor allem die Kostenvorteile der Spanier zu Buche schlagen und die Investitionsbereitschaft fördern. Im direkten Vergleich sind die Bau- und Lohnkosten in Spanien erheblich günstiger. Dies dürfte noch eine ganze Weile anhalten, da Spanien längst noch nicht die Banken- und Wirtschaftskrise überwunden hat.
Hinzu kommt, dass in Deutschland zusätzliche Bau- und Produktionsauflagen die Schweinehaltung verteuern. Alles in allem macht der Unterschied zwischen den Ländern mittlerweile 0,15 und 0,20 € je Kilo Schlachtgewicht aus. Dies sollte hierzulande bei den derzeitigen Diskussionen um mehr Tierschutz nicht außer Acht gelassen werden. Schließlich ist der EU-Binnenmarkt extrem preisorientiert.
Die vielfach in Deutschland in den Mittelpunkt gestellte Prozessqualität in puncto Tierwohl, Umweltschutz und Nachhaltigkeit wird vor allem bei den Verarbeitungsprodukten nicht bezahlt. Insbesondere im Export tätige Fleischeinkäufer handeln nach der Devise „Nice to have, but not necessary”.
Auch ist die gesellschaftliche Akzeptanz der Produktionssysteme entscheidend für eine Rechts- und Planungssicherheit der Produzenten. Hier unterscheiden sich Spanien und Deutschland ebenfalls gravierend. Während bei uns in Deutschland eine gewisse Orientierungslosigkeit und Blockade bezüglich der Weiterentwicklung der Veredlungswirtschaft zu beobachten ist, gehen die Spanier gesellschaftlich abgesicherte Wege. Die Integratoren haben die Un-terstützung der Politik. Die schwere Wirtschaftskrise, die Spanien vor zehn Jahren ereilte, spielt hier sicherlich psychologisch eine wesentliche Rolle.
Wir halten fest
Seit zwei Jahren hält Spanien die meisten Schweine in der EU und hat Deutschland überholt. Die Iberer halten an diesem Wachstumskurs fest. Der Selbstversorgungsgrad nähert sich der 200%-Marke.
In Deutschland ist die Ferkelproduktion rückläufig. Auch bei den Schlachtzahlen müssen leichte Abstriche hingenommen werden. Aufgrund sinkendem Inlandsverzehr könnte der Selbstversorgungsgrad mit Schweinefleisch trotz leichter Bestandsrückgänge konstant bei 120% bleiben.
Hintergrund der unterschiedlichen Entwicklungen sind größer werdende Differenzen bei den Produktionskosten. Die in Deutschland angestrebten höheren Tierwohlstandards werden im Export und bei den Verarbeitungsprodukten kaum bezahlt.