Ausländische Konzerne bauen riesige Schweineställe in Russland. Auch der deutsche Schlachter Tönnies mischt kräftig mit.
Vladislav Vorotnikov, Moskau
Russlands Schweinehaltung ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Seit 2012 legte der Bestand um 30% auf 23,3 Mio. Schweine zu. Musste Russland noch vor wenigen Jahren ein Drittel seines Schweinefleisches zukaufen, kann sich das Land heute nahezu selbst versorgen.
Das Wachstum hat mehrere Gründe:
- Die höhere Kaufkraft hat die Nachfrage nach Fleisch angekurbelt.
- Das knappe Angebot trieb die Schweinepreise auf bis zu 2,50 €/kg.
- Das Importembargo für EU-Fleisch hat die Erzeugerpreise weiter beflügelt.
- Moskau hat hohe Subventionen in die Veredlung gepumpt.
Profiteure sind die russischen Agrarkonzerne. Sie haben kräftig expandiert. Die vier größten Betriebe erzeugen heute zusammen 30% des russischen Schweinefleisches (siehe Übersicht 1).
Investoren willkommen
Auch ausländische Konzerne haben das positive Marktumfeld in Russland erkannt und kräftig in die Schweinehaltung investiert. Sie konnten auf die Unterstützung Moskaus sowie regionaler Entscheidungsträger bauen. Denn der Regierung war klar, dass ein schneller Ausbau der Tierhaltung nur mit ausländischer Hilfe gelingt. So fehlte Russland neben moderner Stalltechnik und Genetik auch Know-how.
Deshalb öffnete sich Moskau im Agrarbereich für ausländische Investoren. Wesentliche Voraussetzung für den Einstieg in die Tierhaltung ist ein Firmensitz in Russland. Wichtig sind zudem ein Konto bei einer regionalen Bank und die Abfuhr der Steuern in Russland. Wer diese Bedingungen erfüllt, hat dieselben Privilegien wie heimische Investoren.
Offen für nicht-russische Investoren sind vor allem die Verwaltungsbezirke Belgorod und Voronezh im Südwesten Moskaus. Beide liegen im fruchtbaren Schwarzerde-Gürtel und bilden das Zentrum der russischen Veredlung.
Neben attraktiven Ackerflächen vermitteln die Bezirke Standorte für neue Ställe. Wichtig sind zudem die Subventionen in Form verbilligter Darlehen. So bekommen auch ausländische Konzerne sehr günstige Kredite und können mit 20% Eigenkapital in große Schweineställe in Russland investieren.
Die Ställe sind meist mit westlicher Technik bestückt. Oft koordinieren gut ausgebildete Herdenmanager aus dem Westen die Produktion. Die Voraussetzungen für hohe biologische Leistungen sind damit gegeben.
Tönnies prescht vor
Der größte ausländische Investor in Russlands Schweinehaltung ist der deutsche Schlachtkonzern Tönnies. Das Unternehmen verfügt über seine 2007 gegründete russische Tochtergesellschaft APK Don über sechs Niederlassungen. In der Schweinehaltung betreibt Tönnies mit Donskoi Bacon und Alekseevsky Bacon zwei Niederlassungen. Beide liegen in den Veredlungshochburgen Belgorod und Voronezh im Südwesten Moskaus.
Die Niederlassungen bestehen aus 14 Anlagen bzw. Standorten. Zwölf Anlagen sind identisch aufgebaut und beherbergen insgesamt 30 000 Sauen plus Mast. Jede Anlage ist eigenständig, um das Seuchenrisiko zu senken. In den weiteren Anlagen stehen die Nukleusherde und die Besamungsstation. Nach damaligem Umrechnungskurs hat Tönnies rund 110 Mio. € in die russische Schweinehaltung investiert. Tönnies hat laut Vereinigung russischer Schweinehalter im letzten Jahr Schlachtschweine mit 86 300 t Lebendgewicht erzeugt (siehe Übersicht 2). Der Konzern erreichte 2016 rund 2,2% Marktanteil und lag auf Rang neun der größten Schweinehalter Russlands.
Neben der Schweinehaltung ist Tönnies mit vier Niederlassungen im Futtermittelgewerbe tätig. Auf 34 000 ha bauen sie Futtergetreide an, mit dem jährlich 240000 t Fertigfutter erzeugt werden. Diese Futtermittelwerke versorgen die eigenen Schweineställe und produzieren Futter für den Verkauf.
Weitere Investoren aktiv
Stark in Russland investiert hat auch die thailändische Charoen Foods. Der Großkonzern macht global 45 Mrd. $ Umsatz. Die Tochtergesellschaft Russia Baltic Pork betreibt seit 2015 Schweineanlagen in Kaliningrad und in Novgorod nordwestlich von Moskau.
Derzeit verfügt das Unternehmen über drei Standorte für jeweils 180 000 Schweine. Inzwischen wurden mehr als 150 Mio. € investiert. Bis 2020 soll der vierte Standort mit selber Größe realisiert sein. Zudem plant der Konzern die Übernahme von Betrieben zur Fleischverarbeitung im Großraum Moskau.
Auch die dänische Idavang-Gruppe ist gut im Geschäft. Sie verfügt in der Region Leningrad sowie in Pskov in Grenznähe zu Estland über zwei Schweineanlagen. Diese bieten Platz für 300 000 Schweine und erzeugen rund 35 000 t Schweinefleisch im Jahr.
Idavang plant derzeit seine dritte Anlage für rund 75 000 Schweine in Luga in der Region Leningrad. Hierfür hat die Gruppe im Rahmen von EU-Anleihen ein Investitionsvolumen von umgerechnet rund 85 Mio. € generiert.
Weiterer Investor ist Otrada. Dies ist ein Joint Venture von Fleischunternehmen aus den USA und Frankreich und privaten Investoren aus Europa und Nordamerika. Otrada ist der offizielle Vetriebspartner für dänische Sauengenetik in Russland.
Risiken durch ASP
Der Konzern hat für 65 Mio. € im Oblast Lipetsk südlich von Moskau Ställe gebaut, die jährlich 60 000 Zuchtund 140 000 Mastschweine erzeugen. Otrada ist der einzige ausländische Investor, der eigene Einzelhandelsprojekte gestartet hat. Das Unternehmen will in Russland 60 Geschäfte eröffnen und hochwertiges Schweinefleisch mit eigenem Label anbieten. Allerdings gibt es auch ausländische Investoren, die in Russland Schiffbruch erlitten. Ein Beispiel ist die dänische Axzon-Gruppe. Ihre russische Tochter DanKob hat 2010 in der Region Krasnodar an der Schwarzmeerküste einen Betrieb für 2 600 Sauen plus Mast gebaut. Dieser wurde jedoch 2012 durch die Afrikanische Schweinepest getroffen. Alle 60 000 Schweine wurden gekeult und die Tierhaltung am Standort für drei Jahre eingestellt.
Im Jahr 2015 fasste DanKob neuen Mut und investierte 1,5 Mio. € zum Wiederaufbau. Doch bereits 2016 wurde der Bestand erneut Opfer der ASP und vollständig geräumt. Zwar gab das Unternehmen Pläne bekannt, wonach die Schweinehaltung erneut aufgebaut werden sollte. Doch im März ging DanKob offiziell in Insolvenz.
Nicht nur die Schweinepest erschwert die Schweinehaltung in Russland. So stehen die Erzeugererlöse durch den starken Ausbau der Bestände zunehmend unter Druck. 2014 konnten große Schweineanlagen noch traumhafte Eigenkapitalrenditen von bis zu 22 % erzielen. Durch den Preisverfall ging die Rendite bis Ende letzten Jahres auf rund 8 % zurück.
Moskau stoppt Fördermittel
Dieses Jahr könnte sich die Rendite nochmals halbieren. Denn die Pläne, russisches Schweinefleisch nach China oder Japan zu exportieren, bleiben wegen der ASP-Probleme Illusion.
Erschwerend kommt für neue Projekte hinzu, dass Moskau die Fördermittel bereits 2017 zurückgefahren hat. 2018 will der Kreml die Unterstützung für den gesamten europäischen Teil Russlands einstellen. Dies ist auch die Forderung bestehender Betriebe, um den Markt nicht weiter zu belasten.Trotz der deutlich verschlechterten Rahmenbedingungen tätigen bzw. planen etliche ausländische Konzerne weitere Investitionen in Russlands Schweinehaltung. Hingegen haben die Russisch-stämmigen Großkonzerne ihre Expansionsläne bereits gestoppt.
Auch Tönnies tritt auf die Bremse. So gab die Konzernspitze in Rheda-Wiedenbrück kürzlich bekannt, dass der geplante Einstieg in den russischen Schlacht- und Zerlegesektor nicht erfolgen soll. Und ob der bis 2022 geplante Bau weiterer sieben Anlagen für je 2 500 Sauen plus Mast umgesetzt wird, steht nicht fest. Zumindest will Tönnies dieses Jahr keine weiteren Ställe bauen.
Wir halten fest
- Russland hat seinen Schweinemarkt zum Ausbau der Selbstversorgung für ausländische Investoren geöffnet.
- Investoren decken oft die Kette vom Futter bis zum Schlachtschwein ab.
- Investoren erzielen hohe Renditen.
- Der größte ausländische Konzern im Schweinebereich ist Tönnies.
- Die ASP und gesunkene Erzeugerlöse könnten die Expansion bremsen.