Wie viel Tierwohl trägt der Markt?

Neben der ITW startet Berlin ein bundesweites Tierwohl-Label. Wie stehen die Chancen? Was macht das Ausland?

Michael Werning, SUS

Als auf der Grünen Woche das staatliche Tierwohl-Label für Schweinefleisch vorgestellt wurde, herrschte noch Harmonie zwischen BMEL, Bauernverband, Tierschutzbund und der Verbraucherzentrale. Seitdem Landwirtschaftsminister Christian Schmidt die dazugehörigen Kriterien für die Eingangs- und Premiumstufe verkündet hat, ist damit Schluss.

Der Tierschutzbund hat dem geplanten Label jegliche Unterstützung entsagt und auch die Verbraucherschützer sind auf Abstand gegangen. Für sie greifen die Anforderungen an die Schweinehalter nicht weit genug. Außerdem werfen sie dem Minister vor, angesichts ungelöster Fragen zu Kontrollen, Zertifizierungen oder Fördergeldern kopflos vorgeprescht zu sein.

Strittige Kriterien

Nicht ganz so kritisch, dafür aber mit ordentlich Skepsis steht die Schweine-branche dem staatlichen Label gegenüber. Sie zweifelt in erster Linie dessen marktwirtschaftliche Finanzierbarkeit an. Denn der vorgestellte Kriterienkatalog spart nicht mit kostenintensiven Produktionsanpassungen.

So wird den Ferkelerzeugern bereits in der Eingangsstufe ein alternatives Verfahren zur betäubungslosen Ferkelkastration vorgeschrieben. Zudem dürfen die Sauen im Deckzentrum nur maximal vier Tage im Kastenstand gehalten werden. Strebt ein Betrieb die Premium-Stufe an, wird die freie Abferkelung zur Pflicht.

Auch auf die Mäster sollen Vorgaben zukommen, die deutlich über den gesetzlichen Standards liegen. Schwer wiegt das erweiterte Platzangebot. Das steigt in der ersten Stufe für Tiere mit einem Gewicht zwischen 50 und 110 kg auf 1 m2 je Tier. In der zweiten Stufe muss im Gewichtsbereich von 60 bis 120 kg zusätzlich weitere 0,5 m2 im Auslauf angeboten werden.

Eine Herausforderung für Sauenhalter und Mäster gleichermaßen stellen die Auflagen zum Schwanzkupieren dar. Das ist zwar in der ersten Stufe noch erlaubt. Die Betriebe müssen aber den Übergang in die Langschwanzhaltung einleiten und dies unter anderem in Form einer einzelbetrieblichen Risikobewertung und durch Testgruppen mit unkupierten Tieren belegen. Wer an der Premium-Stufe interessiert ist, muss schon deutlich weiter sein, denn da ist das Kupieren generell verboten.

Wacklige Kostenschätzung

Minister Schmidt geht davon aus, dass für eine marktgetriebene Finanzierung des Tierwohl-Labels ein etwa 20%iger Preisaufschlag an der Ladentheke notwendig sein wird. Damit sollen nicht nur die Mehrkosten in der Produktion, sondern auch die in der Fleischverarbeitung und im Handel abgedeckt sein. Angesichts der ambitionierten Forderungen an die Erzeuger-Stufe halten viele Marktexperten diese Einschätzung für sehr optimistisch. Sie gehen davon aus, dass bereits die Landwirte in der Eingangs-Stufe einen zusätzlichen Kostenaufwand von bis zu 25 € pro Schlachtschwein stemmen müssen. In der Premium-Stufe dürften es noch einmal deutlich mehr sein.

Dass solch hohe Aufwendungen nur schwer an den Verbraucher weiterzugeben sind, belegt eine Eurobarometer-Studie. Der zufolge sind zwar...