Schlechte Preise setzen Chinas Schweinehaltern zu. Doch der Bestandsaufbau nach der ASP läuft schneller als erwartet. Der Importbedarf geht weiter zurück.
Fred Schnippe, SUS
China ist eine Weltmacht. Das gilt auch im Schweinesektor. Denn mit rund 400 Mio. Schweinen kontrolliert das Land 55% der globalen Bestände. Gleichzeitig verfügt China mit gut 1,4 Mrd. Einwohnern über einen gigantischen Absatzmarkt.
Kommt es im Reich der Mitte zu Verschiebungen, hat dies oft gravierende Folgen für die Schweinepreise bei uns. So ist die Volksrepublik trotz ihrer restriktiveren Fleischimporte der größte Drittlandmarkt für Europa. Von rund 5 Mio. t Schweinefleisch im EU-Drittlandgeschäft ging 2021 gut die Hälfte nach China.
Chinesen stocken auf
Wichtig ist daher, wie sich die Schweinebestände der Volksrepublik entwickeln. Eine Schlüsselrolle spielt der Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest im Herbst 2018. Hierdurch brach der Bestand um fast 30% auf gut 300 Mio. Tiere im Jahr 2020 ein (s. Übersicht 1). In der Folge kam es zu Versorgungsengpässen mit Schweinefleisch, die Verbraucherpreise schnellten in die Höhe. Das Land musste in großem Umfang Schweinefleisch importieren. In dieser Phase konnten auch die europäischen Exporteure kräftig profitieren.
Doch der Zentralregierung in China ist die Importabhängigkeit ein Dorn im Auge. Sie startete ein breit angelegtes Förderprogramm zur Wiederherstellung der Schweinebestände. Peking unterstützt insbesondere den Aufbau von Großanlagen mit umfangreichen Finanzmitteln.
Anfang 2021 begann ein regelrechter Investitionsboom. Große, oft börsennotierte Unternehmen investierten in Mega-Anlagen mit teils über 100000 Schweinen. Die Großkonzerne kontrollieren vielfach die gesamte Produktionskette vom Schwein über die Futtermittel bis zur Fleischverarbeitung. Der unerwartete Verfall der Erzeugerpreise ab Mitte 2021 bremste die Entwicklung allerdings. Denn stark gestiegene Futterkosten machten die Schweinehaltung ebenso wie in Europa zum Verlustgeschäft.
Trend zu Mega-Anlagen
Dennoch legt Chinas Schweineproduktion schneller zu als erwartet. Die Experten des US-Landwirtschaftsministeriums USDA mussten ihre Prognosen binnen weniger Monate zweimal nach oben korrigieren. In seiner jüngsten Einschätzung aus dem März dieses Jahres erwartet das USDA, dass sich der Bestand im laufenden Jahr auf rund 410 Mio. Schweine erholt. Hiermit könnte das Land rund 665 Mio. Schweine bzw. 50 Mio. t Schweinefleisch produzieren. Das wären rund 2,5 Mio. t oder 5% mehr als im vergangenen Jahr.
Parallel zur Aufstockung steigen die Leistungen. Denn die industriellen Großanlagen setzen zunehmend auf hochfruchtbare Sauengenetiken aus dem Ausland und haben die Rationen optimiert. Ihre Standards sind mit Westeuropa vergleichbar.
Der Leistungssprung resultiert auch daraus, dass immer mehr kleine Betriebe ausscheiden. So dominierten noch 2003 Klein- und Kleinstbetriebe mit weniger als 500 Tieren mit 90% Marktanteil (siehe Übersicht 2). Doch ihr Anteil schrumpfte bis 2020 auf gut 40%. Während im vorletzten Jahr bereits 15% der Betriebe zur Spitzengruppe mit mehr als 10000 Schweinen gehörten.
Nach Einschätzung von Danish Crown setzt sich der Strukturwandel in Chinas Schweinehaltung rasant fort. So könnten Großanlagen mit mehr als 10000 Schweinen im Jahr 2025 rund 50% aller Betriebe ausmachen. Während die Gruppe der kleinen Betriebe nahezu verschwindet.
Hoher Preis schwächt Konsum
Der weitere Weg hängt auch davon ab, wie sich der Inlandskonsum entwickelt. Entscheidend ist dabei die große Preissensibilität der Chinesen beim Fleischkauf. Übersteigen die Ladenpreise das übliche Niveau von umgerechnet rund 4,50 €/kg im Mittel wichtiger Produkte, geht der Konsum sofort merklich zurück.
Die Folgen bekam die Branche 2019 zu spüren. So schnellten die Verbraucherpreise für Schweinefleisch nach dem ASP-Ausbruch in die Höhe. In der Spitze war das Fleisch im Mittel mit umgerechnet 8 €/kg fast doppelt so teuer wie üblich. In der Folge brach der Verzehr 2019 von 40 auf gut 32 kg pro Kopf ein (siehe Übersicht 3). 2020 fiel er mit 28 kg auf das Niveau der 90er-Jahre zurück.
Abkehr vom Schweinefleisch
Neben der preisbedingten Kaufzurückhaltung ist auch in China eine Abkehr vom Schweinefleisch zu beobachten. Zwar sind Schweine mit einem Anteil von 60% nach wie vor der wichtigste Lieferant für tierische Proteine. Und an Festtagen hat Schweinefleisch lange Tradition. Doch die wachsende Bedeutung von Schaf-, Rind- und Geflügelfleisch ist nicht zu übersehen.
Insbesondere der Konsum von Geflügelfleisch stieg seit 2018 von gut 14 auf mehr als 17 kg pro Kopf. Fachleute erwarten, dass sich dieser Trend verstärkt. Denn Geflügelfleisch ist in den immer beliebter werdenden Convenience- und Snackprodukten gut zu verarbeiten.
Nicht zu unterschätzen ist zudem der Trend zu Fleischersatzprodukten. Hier sind Chinesen aufgrund ihrer traditionell eher fleischarmen Ernährung deutlich flexibler als Europäer. So sind Fleischersatzwaren aus Tofu oder auf Glutenbasis unabhängig vom Alter der Konsumenten in praktisch allen Haushalten fester Bestandteil des Speiseplans.
Die niederländische Rabobank erwartet daher nicht, dass sich der Schweinefleischkonsum in der Volksrepublik auf das Niveau vor dem ASP-Ausbruch erholen wird. Dieser dürfte im laufenden Jahr 2022 mit gut 30 kg rund 10 kg pro Kopf unter dem Level vor Beginn des Seuchenzuges liegen. Bei stabilen Verbraucherpreisen prognostizieren die Experten einen langsamen Anstieg des Schweinefleischkonsums auf etwa 37 kg pro Kopf bis zum Jahr 2025.
Weniger Fleisch importiert
Aufgrund der geringeren Inlandsnachfrage und des Ausbaus der Bestände muss China weniger Schweinefleisch importieren. Bereits im vergangenen Jahr ging die Einfuhr von Schweinefleisch auf rund 4,4 Mio. t zurück. Das ist ein Minus von fast 17% gegenüber dem Jahr 2020.
Trotz der sinkenden Einfuhren konnte Spanien seine Position als größter Fleischlieferant für das asiatische Land ausbauen (Übersicht 4). So lieferten die Iberer im vergangenen Jahr fast 1,1 Mio. € frisches und gefrorenes Schweinefleisch in die Volksrepublik, ein Plus von 17% gegenüber dem Vorjahr! Bei der Ausfuhr von Schlachtnebenprodukten nach China konnte Spanien mit rund 280000 t im vergangenen Jahr sogar um 20% zulegen.
Auch Chinas zweitgrößter Schweinefleischlieferant Brasilien konnte seine Ausfuhren im vergangenen Jahr um gut 14% steigern. Während die USA mit einem Minus von mehr als 40% bei der nach China ausgeführten Schweinefleischmenge der große Verlierer sind. Auf den Plätzen 4 und 5 der chinesischen Toplieferanten folgen Dänemark mit der Lieferung von rund 350000 t (-2,2%) sowie die Niederlande mit gut 280000 t Schweinefleisch (+4,6%).
Die positive Entwicklung in der Gesamtbilanz darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass China seine Schweinefleischeinfuhr zuletzt spürbar zurückgefahren hat. So hat das Land im dritten Quartal rund 20% und im vierten Quartal 2021 sogar rund 40% weniger Schweinefleisch zugekauft als im Vorjahreszeitraum. Auch im Januar und Februar 2022 blieben die Einfuhren rund ein Drittel unter der Vorjahreslinie.
Volatiler Markt
Die sinkenden Importe schmälern auch die europäischen Exporte. So konnten die EU-Länder bis Mai 2021 monatlich noch rund 300000 t Schweinefleisch in China platzieren. Seit Sommer letzten Jahres liegen die Ausfuhrmengen im Schnitt um mehr als 100000 t pro Monat niedriger. Dies deckt sich mit der Wahrnehmung, dass Peking insbesondere seit dem letzten Herbst wiederholt spanische, niederländische oder dänische Fleischbetriebe für den Export gesperrt hat, oft mit fadenscheinigen Argumenten.
Fachleute erwarten, dass China seine Fleischimporte weiter zurückfährt. Das USDA hat die Erwartungen für das laufende Jahr nochmals stark nach unten korrigiert. Laut jüngster Prognose wird Peking dieses Jahr nur 3,3 Mio. t Schweinefleisch zukaufen.
Nur noch 5% Import
Dennoch strebt die Zentralregierung nach Experten keine vollständige Selbstversorgung an. Demnach möchte Peking weiter etwa 5% des Inlandskonsums bzw. rund 2,5 bis 3 Mio. t Schweinefleisch jährlich zukaufen. So will man bei Marktschwankungen flexibel bleiben und heimische Erzeuger bei Bedarf schützen.
Eine wichtige Rolle spielen auch die Erzeugerpreise. Im März hat Peking die höchste von drei Warnstufen ausgerufen, weil die Schweinepreise im Vergleich zum Futter zu niedrig waren und die Erzeuger Verluste machen. Ein umfangreiches Ankaufprogramm des Staates soll den Markt jetzt entlasten. Damit zeichnet sich ab, dass Chinas Schweinemarkt stärker staatlichen Eingriffen unterliegt.
Sicher ist auch: Peking wird weiterhin mit verschiedenen Lieferanten in Europa sowie Nord- und Südamerika im Ge-schäft bleiben. Ziel ist diese je nach Preisgefüge und politischer Situation austauschen zu können.