Auch in Dänemark wurde zuletzt ein starker Bestandsabbau verzeichnet. Wie sind die Zahlen zu bewerten?
Die Kombination aus niedrigen Erlösen und extrem gestiegenen Kosten, vornehmlich beim Futter, setzt auch unseren Betrieben zu. Beim Bestand an trächtigen Sauen haben wir bei der Julizählung im Vergleich zum Vorjahr ein Minus von 6,5% ausgewiesen. Der gesamte Schweinebestand sank sogar um 7,5%. Ich erwarte, dass sich dieser Abwärtstrend bis zum Jahresende ziehen wird. Sollten sich bis dahin die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gebessert haben, wird man sehen, wie viele Stallkapazitäten nachhaltig aus der Produktion ausgeschieden sind. Ich weiß von einigen Ferkelerzeugern, die die aktuelle Niedrigpreisphase für eine Bestandssanierung nutzen und wieder aufstallen wollen.
Klimaschutz ist ein großes Thema in der Branche. Was steckt dahinter?
Wir haben in den letzten Jahren intensiv daran gearbeitet, die Produktivität zu steigern sowie die Stallsysteme und Fütterungsstrategien ressourcenschonend auszurichten.
Besonders im Fokus steht der Umgang mit der Gülle. Viele Betriebe setzen auf die Ansäuerung oder Kühlung der Gülle und führen diese in kurzen Abständen aus den Ställen ab. Allein durch das wöchentliche Abführen der Gülle, idealerweise in eine Biogasanlage, rechnen wir mit einer Reduzierung der Klimagasemissionen um 170000 t CO2-Äquivalente. Die Schweinebranche ist auch angesichts der ehrgeizigen Ziele gefordert. Bis zum Jahr 2030 sollen die CO2-Emissionen der dänischen Land- und Ernährungswirtschaft 70% geringer ausfallen als 1990. Bis 2050 wird eine Klimaneutralität angestrebt.
Welche Zukunftstrends zeigen sich in der dänischen Schweinehaltung?
Im Hinblick auf das Tierwohl verfolgen wir z.B. mit der Kombination aus Raufuttergabe und geschlossenen Flächen oder der Freilaufhaltung im Abferkelstall ähnliche Ansätze wie die deutschen Schweinehalter.
Züchterisch liegt der Fokus auf robus-ten Schweinen, die auch mit unkupierten Schwänzen problemlos gehalten werden können. In diesem Zusammenhang ist auch die Metabolomische Selektion zu nennen. In diesem neuen Verfahren vermitteln Blutproben einen Einblick in den Stoffwechsel auf Molekülebene. Anhand dieser zusätzlichen Informationen lässt sich das genetische Potenzial der Tiere noch genauer prognostizieren.
Spannend sind auch die Forschungen zur Bioraffinierung von Grünlandpflanzen. Als neue einheimische Proteinquelle könnte das Verfahren die Sojaimporte reduzieren.
Wie geht man angesichts volatiler Märkte mit der hohen Exportabhängigkeit um?
Die Erzeugerseite durchlebt schwierige Zeiten. Innerhalb von nur drei Jahren haben wir sowohl die höchste als auch die niedrigste Notierung der jüngsten Geschichte erlebt. Damit unternehmerisch umzugehen, ist sehr anspruchsvoll. Unsere Exportabhängigkeit macht es nicht einfacher. Mit unserer hocheffizienten Produktion werden wir uns aber an den Weltmärkten behaupten können.
Wie ist es um die dänischen Schlachter und Verarbeiter bestellt?
Ähnlich wie in Deutschland kommen weniger Schweine an den Haken und der inländische Fleischverzehr sinkt. Danish Crown musste deswegen auch kürzlich mehrere Hundert Leute entlassen.
Wir Schweinehalter versuchen die Akteure der Fleischbranche zu ermutigen, neue Wege zu gehen. Über unsere genossenschaftliche Strukturen können wir hier stärkeren Einfluss nehmen als bei einem privatwirtschaftlich geprägten Fleischsektor.
Wie ist das Verhältnis zwischen Erzeugern und Lebensmitteleinzelhandel?
In Dänemark fahren der Lebensmitteleinzelhandel und die anderen Großabnehmer, wie die Cateringbranche und Gastronomie, ihr eigenes Rennen. Als dänischer Schweinehalter vermisse ich, dass unser heimisches Fleisch nicht an erster Stelle steht und unsere hohen Qualitätsstandards nicht stark genug hervorgehoben werden.
Sieht man in Dänemark einen Trend zu Ställen mit Außenklimareiz?
Unmittelbar sehe ich in unserem Land keine Entwicklung, wie sie vielleicht gerade in Deutschland zu beobachten ist. Diese Art der Produktion ist mit höheren Emissionen verbunden. Das passt nicht zu den Klimaschutzzielen unserer Agrarwirtschaft.
Wie steht es um das staatliche Tierwohllabel?
Obwohl es mehrere große Marketingkampagnen gab und das Produktsortiment über das Frischfleisch auch auf verarbeitete Ware wie Aufschnitt ausgedehnt wurde, konnte sich das Label nicht etablieren und ist im Schweinefleischsegment weitgehend eingestellt. Dabei zeigte eine Umfrage im vergangenen Winter, dass es unter den 25- bis 75-jährigen Dänen einen Bekanntheitsgrad von über 70% erreicht hatte. Unterm Strich wurde es weder vom LEH, noch von den Verbrauchern angenommen.
Seit Ende Juni ist auch in Dänemark der Einsatz von Zink verboten. Welche Konsequenzen hat das?
Das Zinkverbot treibt die Branche um. Nicht wenige, dazu zähle ich auch, fürchten, dass im Gegenzug der Antibiotikaverbrauch wieder ansteigen könnte. Das möchte natürlich niemand und deswegen fand vor wenigen Monaten der Fachkongress Zero Zink Summit statt. Hier haben Fachleute, Forscher und Landwirte über Lösungen diskutiert.
Das Seges Pig Research Centre hat z.B. kürzlich drei Absetzfutter-Alternativen getestet, die einem Durchfallgeschehen vorbeugen können. Aktuell laufen auch Untersuchungen zu einem neuen Impfstoff gegen Ferkeldurchfall. Interessanterweise brachten hier Forschungen zur Entwicklung eines COVID-19-Impfstoffs auch für die Nutztier-Vakzine verwertbare Ergebnisse.
Wie steht es um das Danish Crown-Projekt zur antibiotikafreien Aufzucht?
Das Produktionssystem „Gezüchtet ohne Antibiotika“ (GOA) ist eigentlich ein guter Ansatz, da man sich stark auf die Optimierung von Fütterung, Haltungsbedingungen und Stallhygiene fokussiert.
Seitdem GOA im Jahr 2015 im Rahmen des staatlich geförderten Forschungsprojektes zur nationalen Reduktion des Antibiotikaverbrauchs gestartet wurde, ist es Schlachtbetrieben aber nicht gelungen, bei den Verbrauchern ausreichendes Interesse an dieser Produktion zu wecken. Die Tierzahlen sind sehr überschaubar.
Welche Erfahrungen machen die Landwirte mit der lokalen Betäubung?
Das Verfahren ist für uns wichtig, um weiter Ferkel nach Deutschland liefern zu dürfen. Die dänischen Schweinezüchter setzen ausnahmslos auf die lokale Betäubung per Injektion. Dafür werden die Landwirte und ihre Mitarbeiter entsprechend geschult. Meines Wissens nach sind die Erfahrungen mit diesem Verfahren positiv.
Aktuell gibt es viel Wirbel um die dänische Tönnies-Tochter Tican.
Ja, über 80 Schweinehalter haben sogar eine Sammelklage gegen das Schlachtunternehmen eingereicht. Tican zahlt, genau wie Danish Crown, den Lieferanten zusätzlich zur normalen Vergütung der Schlachttiere einmal im Jahr einen Bonus aus. Bei deren Höhe hat sich Tican lange bedeckt gehalten. Die Landwirte gingen aber davon aus, dass der Bonus wie die Jahre zuvor mit dem des großen Mitbewerbers identisch sein wird. Das war dann aber nicht der Fall. Deswegen sind mehrere Schweinehalter vor Gericht gezogen. Die Verfahren laufen noch.
Außerdem ist das Verhältnis zwischen Tican und seinen Lieferbetrieben generell angespannt, weil einige von ihnen im Schweinestau im letzten Jahr über zehn Wochen auf die Abholung ihrer überschweren Tiere warten mussten. Die Kommunikation läuft hier nicht optimal.
Warum fällt die dänische Notierung im EU-Vergleich so stark ab?
Unsere Schweinenotierung liegt seit Monaten deutlich unter dem Preisniveau anderer wichtiger EU-Produzenten. Im Frühjahr betrug die Spanne zur deutschen Notierung satte 30 Cent je kg Schlachtgewicht. Danish Crown argumentiert, dass in Deutschland die Schlachtkapazitäten nicht so schnell abgebaut werden wie der Schweinebestand. Daher würde es einen Kampf um die Tiere geben. Am Fleischmarkt seien die Preisanstiege dagegen kaum umzusetzen, weil in der EU noch große Mengen Schweinefleisch verfügbar sind.
Für uns Erzeuger ist die Situation sehr unbefriedigend und wir fordern eine Notierung, die mindestens auf dem Niveau von Deutschland und den Niederlanden liegt.
Wie blicken die dänischen Schweinehalter auf die Entwicklungen in Deutschland?
Natürlich ist es schlimm mit anzusehen, wie sich die Situation für unsere deutschen Berufskollegen verschlechtert.
Auf der anderen Seite sehen wir hier ehrlicherweise auch Chancen für uns. Sei es bezogen auf eine steigende Ferkelnachfrage bei deutschen Mastbetrieben oder Marktanteile auf den globalen Fleischmärkten.
Wie ordnen Sie den Abbau des deutschen Sauenbestandes und die Diskussionen um 5xD ein?
Wir halten es für einen erschreckenden Trend, dass vor dem Hintergrund des Umwelt- und Klimaschutzes so einseitig auf Produktionsbegrenzung um jeden Preis gesetzt wird.
In Dänemark wird der volkswirtschaftliche Wert der Schweinehaltung gesehen und gesetzliche Vorgaben werden branchenverträglicher umgesetzt.