Das Reich der Mitte kämpft mit den Folgen der ASP. Wie wird sich die Situation dort weiterentwickeln? Was bedeutet das für den Weltmarkt?
Michael Werning, SUS
Die internationale Schweinebranche kennt aktuell nur ein Thema: China und dessen Kampf gegen die Afrikanische Schweinepest (ASP). Seit dem Erstausbruch im Spätsommer letzten Jahres hat die Seuche das gesamte Land durchzogen. Bestimmten zunächst Meldungen von infizierten und gekeulten Großanlagen mit mehreren zehntausend Schweinen die Schlagzeilen, geht es jetzt um die sich anbahnenden Verschiebungen auf dem globalen Schweinemarkt.
Denn die chinesische Regierung hat zwar seit Monaten eine Nachrichtensperre zur aktuellen Seuchenlage verhängt. Offizielle Zahlen zur Entwicklung des Schweinebestandes wurden aber veröffentlicht – und die haben es in sich. Seit Februar 2018 ist dieser binnen Jahresfrist um 16% eingebrochen. Für den Sauenbestand fiel das Minus mit 19% sogar noch stärker aus. Und die ASP-bedingten Bestandskeulungen und Betriebsaufgaben sind hier noch nicht richtig mitgerechnet.
Land der Superlativen
Um zu verstehen, warum dieser Einbruch sehr wahrscheinlich zu großen Verwerfungen auf den Weltmärkten führen wird, muss man sich den Dimensionen dieses Landes bewusst werden. Das Reich der Mitte nannte zu Jahresbeginn 2018 mit über 442 Mio. Tieren den mit Abstand größten Schweinebestand der Welt sein Eigen (siehe Übersicht 1). Zum Vergleich: Alle 28 Mitgliedstaaten der EU hielten letztes Jahr zusammengenommen gut 148 Mio. Schweine. Die USA auf dem dritten Rang wiesen einen Bestand von 74,5 Mio. Tieren aus.
Der weltgrößten Schweineproduktion steht eine Bevölkerung von geschätzten 1,4 Milliarden Menschen gegenüber. Und während der Schweinefleischverzehr in Deutschland immer weiter abnimmt, ist er in China auf zuletzt über 40 kg pro Kopf und Jahr gestiegen. Der wirtschaftliche und soziale Aufschwung der letzten Jahre hat die Mittelschicht gestärkt. Mit steigendem Wohlstand wird mehr Fleisch verzehrt – zumal dies in den asiatischen Ländern als Statussymbol gilt.
Für China ergab sich so im vergangenen Jahr ein Inlandsbedarf von gut 55,7 Mio. t Schweinefleisch. Das entspricht rund 60% des Verzehrs der fünf größten Schweinefleischkonsumenten der Welt (siehe Übersicht 2, S. 16). Mit 54,75 Mio. t konnte ein Großteil davon durch die eigene Produktion abgedeckt werden. Angesichts dieser Zahlen wird deutlich, wie hart die Chinesen die Einschleppung der ASP trifft.
Flächendeckend durchseucht
Als die Welttiergesundheitsorganisation OIE am 3. August letzten Jahres den Erstausbruch in einem 400er-Mastbetrieb in der Provinz Laoning offiziell bestätigte, erklärte die chinesische Tierseuchenbehörde CCDC zunächst, dass es sich um ein isoliertes Krankheitsgeschehen handelt.
Das entpuppte sich aber als Fehleinschätzung. Ende April diesen Jahres musste selbst die lange als krankheitsfrei geltende Insel Hainan den Ausbruch der ASP vermelden. Damit sind alle Provinzen, direktverwalteten Städte und autonomen Gebiete betroffen.
Aufgrund der schnellen und flächendeckenden Durchseuchung des Landes gehen internationale Experten davon aus, dass es bereits im Frühjahr 2018 zum Erstausbruch kam. Da in China derselbe ASP-Erregerstamm identifiziert wurde wie in Russland, ist die Seuche vermutlich durch den illegalen Grenzhandel von Schweinen, Fleischprodukten oder Futter in die chinesischen Kleinstbestände eingeschleppt worden.
Dort fand das Virus optimale Bedingungen vor, um sich weiter auszubreiten. Ein geschlossenes Gesundheitsmonitoring gibt es in den Hinterhofhaltungen ebenso wenig wie eine kontrollierte Kadaverentsorgung.
Da für viele Kleinsterzeuger die Schweinehaltung die einzige Einkommensquelle darstellt, trat bei den ersten ASP-Fällen das Szenario ein, welches China schon bei anderen Tierseuchen zum Verhängnis wurde. Statt bei den ersten klinischen Symptomen und vermehrten Todesfällen die Behörden einzuschalten, wurden die verendeten Schweine vergraben und der Restbestand schnellstmöglich verkauft. Denn bei Bestandskeulungen gibt es keine staatlichen Entschädigungszahlungen.
Sobald die ASP-infizierten Schweine in den Handel gelangt waren, griff dann ein weiterer Negativfaktor in die Speichen: die extrem langen Lebendviehtransporte. Aufgrund der Infrastrukturen lässt sich in China kaum eine Kühlkette aufrechterhalten. Aus diesem Grund werden die Schweine aus den ländlichen Regionen teils über Tausende Kilometer zu den Schlachthöfen am Rande der Großstädte gefahren. In einer Stadt mit 10 Mio. Einwohnern sind in der Regel 60 bis 70 Schlachthöfe angesiedelt, die die Schweine schlachten und das Frischfleisch direkt an den Endverbraucher verkaufen.
Ausbrüche werden vertuscht
Vor diesem Hintergrund wirken auch die aktuellen Zahlen zur Seuchenlage unglaubwürdig. Denn Peking hat erst 132 ASP-Fälle offiziell bestätigt. Auch das bislang nur 1,1 Mio. Schweine im Zuge der Seuchenbekämpfung gekeult worden sind, darf bezweifelt werden. Nicht zuletzt, weil neben kleinen Hinterhofhaltungen inzwischen auch moderne Schweineanlagen großer Integratoren der Seuche zum Opfer gefallen sind. Darunter ein Betrieb mit über 70000 Schweinen.
Auffällig ist zudem, dass innerhalb einer Provinz oftmals nur einzelne Betriebe als ASP-infiziert gemeldet wurden. Einem dort tätigen Berater aus Deutschland zufolge lässt sich dies damit erklären, dass die Provinzverwaltungen bewusst Infektionen in mehreren benachbarten Betrieben gegenüber der Tierseuchenbehörde in Peking als einen ASP-Fall deklarieren.
Denn auch die Provinzen selbst haben wenig Interesse daran, sämtliche ASP-Fälle publik zu machen. Ab dem zweiten offiziell bestätigten Fall werden nämlich von Peking aus weitgehende Restriktionen verhängt. Unter anderem wird die Provinz zum Sperrgebiet erklärt und ein Handel von Schweinen außerhalb dieser Grenze ist dann nicht mehr möglich. Erst wenn die Zahl der Neuinfektionen abnimmt, erhalten die Provinzverwaltungen schrittweise ihre Befugnisgewalten zurück.
ASP spaltet Inlandsmärkte
Die strengen Handelsrestriktionen erklären auch die enormen Schweinepreisdifferenzen zwischen den Provinzen bzw. den sieben geographischen Regionen des Landes. Die nördliche Tiefebene, der Südwesten, die Mitte und der Osten gelten als Kornkammer des Landes. Außerdem ist hier 70% der chinesischen Schweineproduktion angesiedelt. Als diese Gebiete mit Handelssperren belegt wurden, stürzte der Preis aufgrund des massiven Überangebotes im ersten Quartal des Jahres auf umgerechnet 1,09 €/kg Lebendgewicht ab. Im relativ schweinearmen Süden hingegen erreichten die Preise ein Niveau von mehr als 2,60 € pro kg.
Die Durchsetzung der Handelsauflagen wird zwar tatsächlich streng kontrolliert und Vergehen hart bestraft. Die Preisunterschiede zwischen benachbarten Provinzen und die nach wie vor fehlende Kontrolle über die Hinterhoferzeugung lassen dennoch den seuchenhygienisch fatalen Schwarzhandel mit Lebendschweinen und Fleisch weiter aufblühen.
Großbetriebe werden bleiben
Die Chancen, die ASP in absehbarer Zeit wieder zurückzudrängen, dürften unter diesen Umständen verschwindend gering sein. Das wissen auch die Pekinger Regierung und die Provinzleitungen. Aus diesem Grund wird die Seuche maßgeblich dazu beitragen, dass sich die Strukturen in der chinesischen Schweinehaltung grundlegend verändern.
So stehen bzw. standen vor Ausbruch der ASP noch rund ein Viertel und damit weit über 100 Mio. Schweine in nicht professionellen Haltungen. Diese Zahl dürfte drastisch zurückgehen. Neben wirtschaftlichen Zwängen werden die Behörden mit zunehmender Härte die Kleinsterzeuger aus der Produktion drängen, um die Großanlagen seuchenhygienisch zu schützen. So soll unter anderem der Leiter einer Provinz im Süden des Landes das Ziel ausgegeben haben, die Zahl der Schweinehaltungen im Provinzgebiet binnen dieses Jahres von aktuell 30000 auf 600 zu reduzieren. Übrig bleiben sollen nur moderne Großanlagen, die effizienter produzieren und hohe Biosicherheitsstandards erfüllen.
Wer profitiert?
Bis sich dieser Strukturwandel vollzogen hat, wird sich der chinesische Bestand aber nach einhelliger Meinung internationaler Marktexperten über einen längeren Zeitraum in einer noch nie dagewesen Abwärtsspirale bewegen. Während die niederländische Rabobank für 2019 mit einem Einbruch von rund 35% kalkuliert, geht das amerikanische Landwirtschaftsministerium von einem Minus von knapp 20% aus.
Selbst die konservative Einschätzung der Amerikaner würde einen Verlust von annähernd 100 Mio. Tieren bedeuten. Setzt sich der Negativtrend insbesondere im Sauenbestand fort, wird der Bestandseinbruch in seinem Umfang und seiner Nachhaltigkeit noch spürbar zulegen.
Ersten Schätzungen zufolge wird die Eigenerzeugung in 2019 zunächst auf 49 Mio. t fallen. Zieht man den Inlandsbedarf aus 2018 heran, würde sich in diesem Jahr ein Versorgungsdefizit von annähernd 7 Mio. t Schweinefleisch ergeben. Eine gewaltige Menge angesichts dessen, dass in diesem Jahr weltweit vermutlich rund 9 Mio. t gehandelt werden. Marktexperten gehen aber nicht davon aus, dass die Chinesen den Weltmarkt leerkaufen.
Denn vermutlich wird das Schweinefleisch seinen Anteil von 65% am chinesischen Fleischkonsum nicht halten können (siehe Übersicht 3). Viele Chinesen fürchten im Zusammenhang mit der ASP um die Lebensmittelsicherheit. Die Zentralregierung ist zwar bemüht, die Ungefährlichkeit der Seuche für den Menschen zu betonen. Dennoch zeigen die steigenden Preise und Importmengen bei anderen Fleischsorten, dass Teile der Bevölkerung bereits Schweinefleisch meiden. Allein dem Geflügelfleischkonsum in China wird daher für 2019 ein Wachstum von gut 10% zugetraut.
Eine Versorgungslücke beim Schweinefleisch wird es ungeachtet der sinkenden Inlandsnachfrage dennoch geben und diese wollen vor allem die großen Exporteure wie die EU, Brasilien und die USA schließen. Die Vorzeichen für die EU bzw. Deutschland stehen dabei nicht schlecht. Bereits im vergangenen Jahr nahm das Staatenbündnis mit einem Mengenanteil von 63% unter Chinas Lieferanten die Spitzenposition ein.
Fazit
Die Afrikanische Schweinepest (ASP) hat China hart getroffen. Auch wenn Peking versucht, die Ausmaße herunterzuspielen, deuten die offiziellen Erhebungen auf einen dramatischen Bestandsrückgang hin.
Aufgrund der Erzeugungs- und Vermarktungsstrukturen wird es dem Land sehr schwer fallen, die Seuche mittelfristig einzudämmen.
Trotz einer aktuell sinkenden Inlandsnachfrage nach Schweinefleisch wird sich bereits in diesem Jahr ein Millionen Tonnen schweres Versorgungsdefizit auftun. Die EU hat gute Chancen, diese Lücke mit auszufüllen.
Trotz einer aktuell sinkenden Inlandsnachfrage nach Schweinefleisch wird sich bereits in diesem Jahr ein Millionen Tonnen schweres Versorgungsdefizit auftun. Die EU hat gute Chancen, diese Lücke mit auszufüllen.
Ansprechpartner: Dr. Jörg Krapoth, Beratungsunternehmen farm concepts