Tote Schweine, zerbombte Ställe, fehlendes Futter, unterbrochene Lieferketten: Die Schweinehalter in der Ukraine stehen derzeit vor großen Herausforderungen.
Chris McCullough, freier Agrarjournalist
In der Ukraine werden rund 5,5 Mio. Schweine gehalten, davon 65% auf landwirtschaftlichen Betrieben und der Rest in Hinterhofhaltungen. Rund 34% des Fleischkonsums entfallen in der Ukraine auf Schweinefleisch. Das entspricht einem jährlichen Schweinefleischverzehr von knapp 20 kg pro Einwohner.
Die Schweinefarmen sind im ganzen Land verteilt. Viele größere befinden sich im Osten der Ukraine. Nach Angaben des Verbandes der ukrainischen Schweineproduzenten (AUPP: Association of Ukrainian Pig Producers) wurden in der Vorkriegszeit 23% des kommerziellen Schweinefleischs in den Regionen Donezk, Luhansk, Charkiw, Cherson und Saporischschja produziert, also in den Regionen, die derzeit von den Russen besetzt sind.
Der größte Schweineproduzent der Ukraine, der etwa 11,5% des Schweinefleischs erzeugt, und die beiden nächstgrößten Farmen befinden sich alle in den Regionen Donezk und Charkiw.
Ställe zerbombt
Seit Beginn der russischen Invasion wurden in den Kriegsgebieten viele Schweineställe zerstört und Schweine getötet. Etliche Mitarbeiter der Betriebe wurden zwangsrekrutiert und haben das Militär unterstützt bzw. unterstützen es noch. Hinzu kommen logistische Probleme: der Transport zu den Schlachthöfen ist schwierig, und es fehlt der Nachschub von Futter, Medikamenten und weiteren Bedarfsartikeln.
In den Hinterhofhaltungen läuft es häufig viel besser, da man hier in der Lage ist, Schweine vor Ort zu schlachten und das Schweinefleisch an die örtlichen Dorfbewohner, Schulen und die ukrainische Armee zu verkaufen oder zu spenden. In den anderen ukrainischen Regionen, in denen keine kriegerischen Auseinandersetzungen stattfanden oder aus denen sich die Russen wieder zurückgezogen haben, versuchen die Schweinehalter laut AUPP den normalen Betrieb aufrecht zu erhalten bzw. wieder aufzunehmen und die Logistik wiederherzustellen.
Menschen auf der Flucht
Seit März 2022 sind mehr als 6,4 Mio. Menschen aus der Ukraine ins Ausland geflohen. Weitere 8 Mio. wurden innerhalb der Ukraine vertrieben und sind vor allem in den westlichen Landesteilen gestrandet. Dieser große Bevölkerungszuwachs führt zu einem Mangel an lokal produziertem Schweinefleisch, weshalb die Schlacht- und Verarbeitungsbetriebe derzeit hart an der Kapazitätsgrenze arbeiten – im Gegensatz zu 60% bis 70% Auslastung in der Vorkriegszeit.
Doch auch wenn einige Regionen wieder voll produzieren können, sind sie nach wie vor mit großen Herausforderungen beim Verkauf des Fleisches konfrontiert, berichtet Oksana Yurchenko, die Präsidentin von AUPP. So wurden in der Zentralukraine mehrere große und wichtige Lagerhallen des Lebensmitteleinzelhandels zerstört. „Zum Beispiel haben die Russen in der Region Kiew über 400000 m² Lagerhallen schwer beschossen. Das sind etwa 20% der Lagerkapazitäten der Lebensmittelhändler in der Ukraine“, sagt Yurchenko. „Zudem sind viele Supermärkte geschlossen oder zerstört.“
Produktion in Gang bringen
Der Verband AUPP versucht die Schweinehalter im ganzen Land zu unterstützen. In den Kriegsgebieten sowie in den von den russischen Truppen geräumten Gebieten steht dabei die humanitäre Hilfe an erster Stelle. In den besetzten Gebieten unterstützt man die Schweinefarmen dabei, andere Landwirte zu finden, die Getreide für Futter abgeben können. Darüber hinaus beschafft der Verband Betriebsmittel und stellt diese den Schweinehaltern zur Verfügung, um die Produktionszyklen wieder in Gang zu bringen. Darunter fallen Mineralfutter, Impfstoffe, Antibiotika und andere wichtige Bedarfsartikel.
Des Weiteren steht AUPP ständig mit den Tierarzneimittelherstellern in Kontakt, um so die Landwirte über die verfügbaren Veterinärprodukte und ihre Mengen zu informieren. „Eine der größten Herausforderungen ist aktuell aber die Umverteilung von Schweinen in der gesamten Ukraine, um die unterbrochenen Lieferketten wiederherzustellen. Dies ist im Moment eine unserer Prioritäten als Verband“, berichtet Oksana Yurchenko. AUPP fungiert also als Netzwerk, um Mäster und Verarbeiter zusammenzubringen, und schaltet sich auch aktiv in Verhandlungen ein, beispielsweise um Betriebe mit Logistikproblemen zu unterstützen.
Fazit
- Der russische Angriffskrieg stellt die ukrainischen Schweinehalter vor große Herausforderungen.
- In den Kriegsgebieten wurden Ställe zerbombt und Tiere getötet.
- Dort fehlt es an Personal, Futter, Medikamenten und Bedarfsartikeln.
- Im Westen der Ukraine versuchen die Farmer, den Normalbetrieb aufrechtzuerhalten.
- Die Schlachter arbeiten hart, um die hohe Fleischnachfrage durch die Geflüchteten zu decken.