Der LEH will Teile seines Fleischangebotes auf 5xD umstellen. Während die Schlachter die ersten Weichen stellen, fordern die Schweinehalter das Ausflaggen fairer Boni.
Michael Werning, SUS
Nur noch Fleisch von Tieren, die in Deutschland geboren, aufgezogen, gemästet, geschlachtet und verarbeitet wurden. Die Handelskette Rewe kündigte im August letzten Jahres an, bis zum bevorstehenden Sommer fast das komplette Sortiment an Schweinefrischfleisch auf 5xD umstellen zu wollen. Mit diesem Vorstoß löste der Lebensmittelhändler eine Art Dominoeffekt aus.
Denn nur wenig später zogen die beiden Discountriesen Lidl und Aldi nach, die im Frühling bzw. im vierten Quartal ihr Sortiment entsprechend ausrichten wollen. Kaufland verfolgt dieses Thema schon länger und bezieht bereits jetzt 80% des Frischfleisches und die Fleisch- und Wurstwaren der Eigenmarke „K-Wertschätze“ zu 100% aus deutscher Herkunft.
Doch wie kann diese Differenzierung des Fleischsegments gelingen? Und welche Chancen, aber auch Herausforderungen, ergeben sich für die deutsche Schweinefleischbranche?
Inlandsmarkt immens wichtig
In Zeiten, wo die Preise für Ferkel und Schlachtschweine am Boden liegen und viele Betriebe um ihre Existenz kämpfen, ist das Bekenntnis des LEH zur heimischen Erzeugung ein Lichtblick. Denn neben den Auswirkungen der Covid- 19-Pandemie krankt die Branche an einem überfüllten EU-Binnenmarkt und der ASP-bedingten Exportsperre für wichtige Drittlandsmärkte. Wie lange diese Negativfaktoren noch vorherrschen, weiß niemand, weshalb dem Inlandsmarkt allein deshalb schon eine immense Bedeutung zuteil wird.
Hinzu kommen die steigenden Produktionskosten für die deutschen Schweinehalter. Mit höheren Futter- oder Energiekosten haben auch die Wettbewerber auf den internationalen Märkten zu kämpfen. Richtig ins Kontor schlagen Gesetzesverschärfungen und der gesellschaftlich bzw. politisch vorangetriebene Umbau der Tierhaltung. Vorausgesetzt, diese Mehrkosten werden auf allen Stufen fair bezahlt, wird die deutsche Ware mit ihrem hohen Preisniveau gegenüber Exportländern mit niedrigeren Umwelt- und Tierschutzstandards weiter ins Hintertreffen geraten.
Herkunft kennzeichnen
Der Vorstoß der großen Handelsketten wird wahrscheinlich auch andere Händler zu einer Anpassung ihres Fleischbezuges drängen. Und damit könnte die Wirtschaft die Impulse setzen, um der verpflichtenden Herkunftskennzeichnung auf politischer Ebene Rückenwind zu verleihen. Denn nachdem sich daran bereits CDU/CSU und SPD in der vergangenen Legislaturperiode abmühten, haben auch die neuen Regierungsparteien sich dies in den Koalitionsvertrag geschrieben.
Sollte sich die Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen auf eine verplichtende Herkunftskennzeichnung verständigen, ist es entscheidend, dass diese für alle Fleischsegmente und Vermarktungswege gilt. Denn aktuell haben auch die genannten LEH-Riesen vornehmlich das Frischfleisch für die 5xD-Kennzeichnung im Blick. Einige machen zudem noch Abstriche in Bezug auf Filets, Bio-Ware und ausländische Spezialitäten.
Gastro & Co. einbinden
Das Frischfleischsegment steht im Einzelhandel nur für 20 bis 30% der Verkaufsmenge, der Rest geht als Verarbeitungsware über die Ladentheke. Hier hat sich Lidl insofern aus der Deckung getraut, dass man nach dem Frischfleisch auch zeitnah die Verarbeitungsware umstellen will – führt hier aber erstmal nur die Wurst-Eigenmarke „Wurstfrisch“ an.
Welche Durchsetzungskraft die 5xD-Initaitive im heimischen Schweinefleischmarkt entwickeln wird, hängt auch maßgeblich vom Einkaufsverhalten der Großhändler und Gastronomen ab. Ohne Kennzeichnungspflicht, die z.B. für einen gut sichtbaren Herkunftshinweis auf Speisekarten sorgen würde, besteht die Gefahr, dass diese mengenmäßig wichtigen Abnehmer auf günstigeres Schweinefleisch aus dem Ausland ausweichen.
Genug deutsche Ferkel
Sollte sich die deutsche Herkunft zu einem gefragten Qualitätskriterium entwickeln, stellt sich auch die Frage, ob die Erzeugerstufe dem produktionstechnisch nachkommen kann. Angefangen beim deutschen Ferkel.
Den vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes Destatis zufolge wurde im vergangenen November ein Sauenbestand von nur noch knapp 1,6 Mio. Tieren ausgewiesen. Sollte sich der seit Jahren zu beobachtende massive Rückgang des Sauenbestandes fortsetzen, könnte diese Zahl in absehbarer Zeit auf 1,3 Mio. Tiere sinken, so Branchenkenner.
„Für die Deckung des Frischfleischbedarfes mit 5xD würde das immer noch reichen“, rechnet Marktexperte Dr. Albert Hortmann-Scholten von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen vor. Er stützt sich auf die Zahl von circa 20 Mio. ITW-Schlachtschweine, die der LEH seit der Umstellung des Frischfleischsegmentes auf Haltungsstufe 2 benötigt.
Kombi Tierwohl und Herkunft
Und damit wäre man bei der nächsten Herausforderung für die Erzeugerstufe.Denn der Handel sieht die deutsche Herkunft nur im klaren Bezug zu mehr Tierwohl als marktrelevant. Das wird er mittelfristig nicht nur für die Bestückung der Frischfleischtheken, sondern auch bei der Verarbeitungsware kommunizieren.
Doch so einfach lassen sich 5xD und ITW nicht verknüpfen. Längst nicht jeder teilnehmende Mastbetrieb stallt deutsche Ferkel auf. So bewegte sich bezogen auf das Gesamtschlachtaufkommen der Anteil an Auslandsferkeln, die hier gemästet und geschlachtet wurden, in den letzten Jahren bei ca. 20%. Davon wird ein nicht unerheblicher Teil aus ITW-Betrieben gestammt haben.
Marktkenner prognostizieren, dass die Nachfrage nach deutschen ITW-Ferkeln steigen wird. Angesichts der vielen Mäster mit Importferkeln erscheint es unwahrscheinlich, dass sich die Forderung nach deutscher Herkunft durch das gesamte Sortiment an Verarbeitungsware zieht. Die Rote Seite ließ schon anklingen, dass aktuell das Tierwohl im Vordergrund steht und Ware mit 4xD in Teilmärkten weiter eine Rolle spielen dürfte. Das bedeutet allerdings auch, dass sich Mäster mit deutschen Ferkeln und „nur“ QS-Standard wenig Hoffnung auf eine höhere Wertschöpfung machen sollten.
Schlachter sieben aus
So oder so stellen sich die Schlachthöfe und Verarbeiter auf die sich differenzierende Nachfrage des LEH ein. Das bedeutet zum einen, dass sie den Mehraufwand in der Sortierung und Zerlegung stemmen müssen. Neben den bereits angewendeten Selektionsmerkmalen wie Geschlecht, QS- bzw. ITW-Zertifizierung oder Salmonellenstatus muss zukünftig nach Herkunft getrennt werden. Nicht zu vergessen, die Dokumentation für den Herkunftsnachweis. Diese Extra-Anforderungen werden insbesondere kleineren Fleischunternehmen viel abverlangen.
Zum anderen müssen die Lieferantenstrukturen angepasst werden. Befeuert durch den Schweinestau haben einige Schlachtunternehmen 70 bis 80% ihrer benötigten Stückzahlen durch Liefer- und Abnahmeverträge gesichert. Und hier wird jetzt ordentlich gefiltert. So hat die Schlachtgenossenschaft Westfleisch seinen Vertragsmästern jüngst den 1-Cent-Bonus zur VEZG-Notierung gestrichen. Dieser Zuschlag soll nun nur noch den Vertragsbetrieben vorbehalten sein, die an der ITW teilnehmen und Ferkel deutscher Herkunft mästen.
Auch Marktführer Tönnies rüstet sich für die verstärkte Nachfrage nach 5xD plus ITW. Der Konzern zahlt ebenfalls 1 Cent/kg drauf, wenn Vertragsmäster beide Kriterien erfüllen. Zudem wurde allen Lieferbetrieben, die nicht an der ITW teilnehmen und dies zukünftig auch nicht planen, mitgeteilt, dass deren Verträge auslaufen werden.
1-Cent-Bonus enttäuscht
Angesichts der sich anbahnenden Marktumwälzung fragen sich die Schweinehalter, wie sich dies auf ihre wirtschaftliche Situation auswirkt. Die Sorge ist groß, dass die in der gesamten Kette anfallenden Kosten für 5xD und Tierwohl auf die Erzeugerstufe abgeladen werden. Da die Händler erst im Laufe des Jahres umstellen wollen, ist bezüglich der Kostenverteilung bzw. Vergütung noch einiges unklar.
Die Branchenverbände begrüßen ausdrücklich die 5xD-Initiative des LEH. Gerade weil sie auch der deutschen Ferkelerzeugung eine Möglichkeit bieten könnte, bei einer steigenden Nachfrage im Fleischmarkt höhere Erlöse zu generieren. Sie fürchten aber, dass sich die Händler im Einkauf mit eindeutigen Preisofferten zurückhalten.
Der von den großen Schlachtern ausgelobte Bonus von mageren 1 Cent/kg deutet darauf hin, dass Tierwohl und deutsche Herkunft zwar nachgefragt werden, die Zahlungsbereitschaft auf Seiten der Schlachter, Fleischverarbeiter und Lebensmitteleinzelhändler aber gering ist. Und so drohen die eigentlich fälligen Aufschläge für Ferkelerzeuger und Mäster im Strudel aus verschiedenen Bezahlmodellen und Lieferverträgen mit eigenen Notierungen zu verwässern.