Drei Landkreise an der polnischen Grenze sind von ASP bei Wildschweinen betroffen. Die systematische Kadaversuche sowie der Zaunbau haben begonnen.
Heinrich Niggemeyer, SUS
Seit Jahren grassiert die Afrikanische Schweinepest (ASP) in Osteuropa. Im November 2019 hatte sich das Virus bereits bis an die deutsch-polnische Grenze vorgearbeitet. Ein Ausbruch auf deutscher Seite war für viele nur eine Frage der Zeit.
Dennoch war der Schock groß, als die Meldung vom ersten ASP-Fall die Runde machte. In Schenkendöbern, Landkreis Spree-Neiße wurde ein totes Wildschwein etwa 7 km von der Grenze zu Polen gefunden, welches positiv auf ASP getestet wurde. Wahrscheinlich hat ein infiziertes, polnisches Wildschwein den Grenzfluss Oder bzw. Neiße durchschwommen und auf deutscher Seite ein lokales Infektionsgeschehen ausgelöst.
Risikogebiete festlegen
Amtlich bestätigt wurde der erste Fall am 10. September. Daraufhin wurde der ASP-frei-Status aberkannt, was verheerende Folgen für den Markt hatte (siehe Interview ab S. 18). Wenig später wurden tote Wildschweine bei Neuzelle, Kreis Oder-Spree, entdeckt. Dort ging die Seuche möglicherweise schon seit Juli 2020 um.
Neben den Kreisen Oder-Spree und Spree-Neiße ist inzwischen auch der Kreis Märkisch-Oderland betroffen, wiederum direkt an der Grenze zu Polen. Experten sehen keinen direkten Zusammenhang zu den bereits bekannten Funden in Schenkendöbern/Neuzelle. Die Hotspots liegen 60 bis 80 km auseinander. Bis zum 9. Oktober bestätigte das Friedrich-Loeffler-Institut 55 Fälle.
Unmittelbar nach den ersten ASP-Funden wurde ein Kerngebiet mit einem 3-km-Radius eingerichtet und mit E-Zäunen gesichert. Das Kerngebiet um die Fundorte in den Landkreisen Spree-Neiße und Oder-Spree hat eine Fläche von rund 15000 ha. Die Risikozone im Kreis Märkisch-Oderland weist eine Fläche von 6500 ha auf. Die Batterien an den Zäunen werden täglich geprüft und ggfs. gewechselt. Im Kerngebiet ruhen zudem alle landwirtschaftlichen Tätigkeiten. Das Ziel ist, möglicherweise erkrankte Wildschweine in dem ausgewiesenen Areal zu halten.
An die Kerngebiete schließt sich ein sogenanntes gefährdetes Gebiet mit einem Radius von circa 20 bis 25 km an. Mittlerweile gibt es nur noch ein zusammenhängendes gefährdetes Gebiet von 220000 ha. Eine Pufferzone umschließt das gefährdete Gebiet von Frankfurt (Oder) bis zur sächsischen Grenze.
Gezielte Kadaversuche
Mit der Fertigstellung der mobilen Zäune um die Kerngebiete konnte der nächste Schritt gegangen und mit der systematischen Fallwildsuche begonnen werden. Zum Einsatz kommen dabei Suchtrupps am Boden, Drohnen und erstmals auch speziell ausgebildete Kadaversuchhunde. Gerade im dichten Unterholz sind die Hunde sehr effiziente Helfer. Dort allein mit Menschenketten zu suchen, ist äußerst schwierig.
Die Kadaversuchhunde sind darauf trainiert, in freier Suche totes Schwarzwild aufzuspüren. Ausgestattet mit Warnweste und GPS-Sender wird eine bestimmte Parzelle durch die ausgebildeten Spürnasen systematisch abgesucht und gefundene Tiere werden angezeigt. Der Suchhund geht aber nicht an den Kadaver, damit er oder auch die Hundeführer das Virus nicht weitertragen.
Die betroffenen Landkreise erarbeiten langfristige Einsatzpläne unter Einbeziehung unterschiedlicher Kräfte. Auch die Bundeswehr hilft. Bis zu 140 Soldaten des Jägerbataillons Torgelow durchkämmen das Risikogebiet bei Neuzelle.
Zaun aus Maschendraht
Die E-Zäune sind nur provisorisch. Für den Bau fester Umzäunungen will das Land Brandenburg 6 Mio. € locker machen. Auch Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern planen, den mobilen Zaun an der Grenze zu Polen durch einen festen zu ersetzen. Brandenburg hat bereits mit den Arbeiten begonnen. Im Süden des Landkreises Spree-Neiße habe der Landesbetrieb Forst einige Kilometer fertig. Auch im Norden sollen an der Neiße mit dem restlichen Abschnitt begonnen werden.
In enger Abstimmung mit dem Landeskrisenzentrum soll auch die Pufferzone um das erste Kerngebiet Schenkendöbern/Neuzelle fest eingezäunt werden. Betroffen sind die Landkreise Spree-Neiße, Oder-Spree und Dahme-Spreewald. Es handelt sich um einen 5 km tiefen Streifen, der eine Fläche von mehr als 20000 ha aufweist. Die Länge des äußeren Zaunes beträgt 50 km, die des inneren Zaunes 40 km. Mit den Bauarbeiten ist man bereits gestartet.
Wildschwein-freie Zone
Wie lange es dauert, bis die halbkreisförmige Pufferzone geschlossen ist, bleibt ungewiss. Es werde mit Nachdruck daran gearbeitet, heißt es aus dem Ministerium.
Sobald der Schwarzwild-sichere Zaun steht, sollen in dieser sogenannten Weißen Zone möglichst alle Wildschweine erlegt werden, auch die Leitbachen und die Frischlinge. Das sei für den Seuchenschutz absolut notwendig, heißt es aus dem Ministerium in Potsdam.
Um die letzten Wildtiere zu eleminieren, wird man nicht umhinkommen, Lebendfallen einzusetzen, wie belgische Erfahrungen zeigen. Auch wird es zur täglichen Arbeit gehören, die Metallzäune auf Schlupflöcher zu kontrollieren und entsprechend zu warten.
Anders als in der Weißen Zone wird im Kerngebiet das Wild zunächst bewusst in Ruhe gelassen. Der einzige Weg, überlebende Wildschweine in den Kernzonen zu keulen, sind Fallen. Die Saufänge aus Metall wurden bereits geliefert. Die Idee dahinter ist, Beunruhigung des Schwarzwildes zu vermeiden und das Virus seine Arbeit machen zu lassen. Nach dem Seuchenzug sollen es ausgewählte Spezialisten übernehmen, die verbliebenen Wildschweine zu erlegen – vor allem durch Abschüsse an Kirrungen bei Nacht. Für diese Aktion liegen Nachtzielgeräte bei den Forstbehörden bereit.
Polen einbeziehen
Doch mit dem festen Zaun um die Kerngebiete und entlang der Grenze ist es nicht erledigt. Denn die eigentliche Kernzone reicht theoretisch auch auf die polnische Seite. Zwar gibt es einen länderübergreifenden Informationsaustausch. Doch die Dynamik des ASP-Geschehens ist besorgniserregend und die Lage unüberschaubar. Westpolen meldete allein in diesem Jahr bereits über 1000 Fundorte, teilweise mit mehreren Kadavern (siehe Übersicht).
Für die Polen ist die Ausdehnung der ASP in die Veredlungsregionen ein Desaster. Die Preise liegen ebenso wie in Deutschland am Boden. Zwar gibt es in Grenznähe und in nördlicheren Regionen keine offiziellen ASP-Fälle. Experten vermuten, dass auch hier die Seuche grassiert. Insgesamt ist das Krisengebiet so groß, dass eine zeitnahe, intensive Kadaversuche nicht zu bewerkstelligen ist.
Um so dringender ist die Forderung nach festen Zäunen aus Maschendraht entlang der Grenze. Es muss verhindert werden, dass weitere infizierte Wildschweine von Polen nach Deutschland wechseln.