Schweinehalter ziehen immer häufiger eine Ertragsschadenversicherung in Betracht. Doch für wen rechnet sich diese und wer bietet noch Verträge an?
Dr. Maria Meinert, SUS
Angesichts der verheerenden Schäden durch den ASP-Ausbruch im Emsland erscheint eine Ertragsschadenversicherung für viele Landwirte derzeit attraktiv: Im ASP-Fall entstehen Wertminderungen in Höhe von mehr als 200 €/Mastschwein und 15 bis 20 €/Mastferkel, zuzüglich weiterer betrieblicher Kosten und Ertragsschäden über einen Zeitraum von mindestens 90 Tagen. „Auf Basis früherer Schweinepestausbrüche hat das niemand erwartet, weder in der Höhe noch in der Dauer. Daher fragen viele Schweinehalter, die bisher eine Absicherung nicht für notwendig erachtet haben, jetzt doch eine an“, so Andreas Stärk, Geschäftsführer der ISW Versicherungsmakler, Cloppenburg. Betriebe, die in einer Restriktionszone liegen, müssen mit erheblichen Liefereinschränkungen rechnen: Die Mastschweine werden nur teilweise, stark verzögert oder gar nicht abgenommen. Landwirte, die ihre Schlachtschweine aus den ASP-Restriktionszonen verkaufen, müssen enorme Preisabzüge hinnehmen. Schlachtabrechnungen von emsländischen Betrieben zeigen, dass Mäster für ihre viel zu spät und überschwer vermarkteten Schweine 0 € Erlös erhalten. Obendrein sollen Rechnungen über die Transportkosten der separat zu schlachtenden Tiere folgen.
Es gibt generell zwei Möglichkeiten, wie Landwirte von der Afrikanischen Schweinepest betroffen sein können:
- Bei einem ASP-Fall bei einem Wildschwein müssen laut Schweinepest-Verordnung gefährdete Gebiete in einem Mindestradius von 15 km eingerichtet werden. Liegt der Betrieb in diesem Bereich, darf der Landwirt die Schweine nur verkaufen, wenn er vorher Blutproben zieht, die frei von ASP sind. Transporte sind mit Ausnahmegenehmigung möglich. Wahrscheinlich ist dann, dass der Landwirt für seine Schweine einen geringeren Preis erzielt. Weitere Kosten fallen an, da er nur bestimmte Schlachthöfe anfahren darf, Desinfektionsmöglichkeiten schaffen und den Betrieb vor Wildschweinen schützen muss.6
- Bricht ASP in einem Schweinebetrieb aus, müssen alle Schweine sofort getötet werden. Im Verdachtsfall auch Schweine von Kontaktbetrieben. Zudem zieht das Veterinäramt um den Seuchenbestand eine Schutzzone (ehemals „Sperrbezirk“) mit einem Radius von mindestens 3 km. Hier gilt ein Transportverbot. Auch die künstliche Besamung ist verboten. Zudem wird um den Seuchenbestand herum eine Überwachungszone (ehemals „Beobachtungsgebiet“) eingerichtet. Der Radius beträgt mindestens 7 km um das Sperrgebiet herum, also 10 km um den Seuchenbetrieb. Es gilt ebenfalls ein Verbot für den Transport und die künstliche Besamung. Die Behörde darf eine Sondererlaubnis für den Transport erteilen.7
Vorteil einer Versicherung
„Die größten finanziellen Risiken gehen von den Handelsbeschränkungen aus. Es ist 70-mal wahrscheinlicher, mit dem Betrieb in einem Sperrgebiet zu liegen, als von einer Keulung betroffen zu sein. Die Wahrscheinlichkeit von Liefer- und Verkaufsbeschränkungen innerhalb einer Überwachungszone ist sogar 550-mal höher als die für eine Keulung“, so Bernhard Post von der Westfälisch-Lippischen Versicherungs- und Unternehmensberatungsgesellschaft (WVU).
Die Tierseuchenkasse (TK) entschädigt aber nur, wenn die Tiere gekeult werden. Dann zahlt sie den Nettowert der Tiere. Zusatzleistungen wie die Erstattung von Tierarztkosten oder Desinfektionskosten gewährt die TK nur von Fall zu Fall. Sie ist nicht dazu verpflichtet. Für Verluste und Kosten aufgrund von Sperren oder für Ertragsausfälle kommt sie nicht auf. Bedrohlich sind solche Schäden daher vor allem für Betriebe, die mit viel Fremdkapital, hohen Pachten und Löhnen wirtschaften und deren Einkommen in hohem Maße von der Tierhaltung abhängt, d.h. Höfe, welche die Verluste nicht durch alternative Einkommensquellen abdecken können. Das sind z.B. stark gewachsene Sauenbetriebe. Sie leiden aufgrund der hohen Schäden eher als Mäster. Landwirte können aber auch z.B. nur einen Teilbereich absichern oder ganz auf die Versicherung verzichten. Das gilt z.B. für auslaufende Betriebe.
Der Vorteil einer Ertragsschadenversicherung: Der Landwirt bekommt die Einbußen, welche die TK nicht deckt, von der Versicherung erstattet. Dazu zählen z.B. Kosten durch die
- Keulung und anschließende Sperre,
- Sperrung des Betriebes (ohne Keulung), oder
- Lage in einer Schutz- oder Überwachungszone (wie Kosten durch Lieferbeschränkungen, Lieferverbote und Verkaufsbeschränkungen).
Deutschlandweit haben sich bereits mit regionalen Unterschieden im Durchschnitt etwa 90% der Sauenbetriebe und bis zu 60% der Mastbetriebe für eine Ertragsschadenversicherung entschieden. „Seit der Ausbreitung der ASP in Deutschland haben jedoch mehrere Versicherer ihr Angebot eingestellt. Be-standsverträge gelten hingegen unverändert weiter“, weiß Bernhard Post. Landwirte mit bestehenden Verträgen sollten aber prüfen, ob ihr Versicherungsschutz ausreichend ist und gegebenenfalls bei der Versicherung anfragen, ob sie ihren Bestandsvertrag erweitern können.
Diese Anbieter gibt es
Neuverträge für eine Ertragsschadenversicherung im ASP-Fall bietet aktuell nur die R+V-Versicherung an. Ergänzend hat sie auch die Ertragsschadenversicherung für Pflanzenbau-Betriebe im Angebot, falls diese bei einem ASP-Ausbruch mit Bewirtschaftungsbeschränkungen oder -verboten von Nutzflächen konfrontiert sind. Achtung: Hier haben Eigentümer jedoch einen Entschädigungsanspruch gegenüber der einschränkenden Behörde, also dem Landkreis. Ob der verbleibende Risikobereich absicherungswürdig ist, sollten Landwirte daher kritisch prüfen.
Bei der LVM heißt es auf Nachfrage, dass derzeit die landwirtschaftlichen Produkte überarbeitet werden, u.a. die Ertragsschadenversicherung. Die derzeitige Ertragsschadenversicherung laufe zeitnah aus. Ob sie künftig eine Police mit anderen Konditionen anbietet, ist unklar.
Weiterhin gibt es den Zusammenschluss der Versicherungskammer Bayern, der Provinzial Versicherung, der VGH Versicherungen und der Uelzener Versicherung: Sie bilden die Mitversicherungsgemeinschaft-Tier (MVG-Tier). Diese hat einen Annahmestopp im Neugeschäft seit dem Ausbruch der ASP beschlossen und will, voraussichtlich solange diese in Deutschland nachgewiesen wird, keine Neuabschlüsse anbieten.
Bei der Allianz Agrar ist die ASP derzeit bei Neuabschlüssen bundesweit nicht abgedeckt. Es herrscht ein Zeichnungsstopp für Neuabschlüsse jeglicher Schweine-Ertragsschadenversicherungen in Landkreisen mit ASP-Fällen bei Hausschweinen und teils auch in benachbarten Landkreisen. In Landkreisen, in denen ein Neuabschluss noch möglich ist, wird die ASP allerdings ausgeschlossen. Wann das Risiko ASP wieder abschließbar sein wird, steht nicht fest.
Vor einem Vertragsabschluss sollten sich Landwirte aber über aktuelle Angebote und Konditionen informieren: „Es könnte sein, dass einige Versicherungen wieder eine ASP-Ertragsschadenversicherung anbieten, wenn sich die Lage im Emsland beruhigt hat“, so Andreas Stärk.
Leistungen Vergleichen
Wichtig ist auch, welche Schäden abgesichert sind. Die R+V erstattet Ertragsausfälle, soweit diese auf behördlich angeordnete Maßnahmen zurückzuführen sind. Bei indirekter Betroffenheit im Seuchenfall greift die Versicherung ebenfalls. Dann sind auch die Schäden versichert, die einem Betrieb entstehen, der selbst nicht in der Schutz- oder Überwachungszone liegt. Das sind Schäden, die z.B. entstehen, weil Zuliefer- oder Abnahmebetriebe von Sperren betroffen sind.
Die Ermittlung der Erstattung erfolgt anhand betrieblicher Daten. Es wird der entstandene Schaden am Deckungsbeitrag (DB) unter Berücksichtigung des vereinbarten Selbstbehaltes ermittelt und entschädigt. Um die Schadenhöhe zu ermitteln, wird ein Vergleichs-DB auf Grundlage der betrieblichen Daten berechnet, dazu werden die letzten Durchgänge ausgewertet. Die Bewertung erfolgt auf Basis der aktuellen Preise im Schadenzeitraum. Die meisten Versicherungen ermitteln wie die R+V per Gutachten die Differenz des DB im ASP-Fall zum DB ohne Seuchenfall. Es gibt aber auch Versicherungen, die mit festgelegten Pauschalen entschädigen.
Prämien und Pakete
Bei der R+V können Landwirte zwischen drei Versicherungspaketen wählen:
- Basisdeckung: Diese umfasst einen Ausgleich des Ertragsausfalls bei anzeigepflichtigen Seuchen inklusive ASP, soweit diese auf behördlich angeordnete Maßnahmen zurückzuführen sind. Bei indirekter Betroffenheit sind im Seuchenfall auch die Schäden versichert, die einem Betrieb entstehen, der zwar selbst nicht in der ASP-Zone liegt und deshalb gesperrt ist, aber dessen Zuliefer- oder Abnahmebetriebe von Sperren betroffen sind. Auch ein Ertragsausfall infolge eines Unfalles ist versichert, z.B. bei einem Ausfall der Lüftungsanlage. Bei der R+V berechnet sich die Prämie aus der Versicherungssumme (Umsatz) des Betriebes und des Produktionsverfahrens. Ein Sauenbetrieb mit 400 Plätzen und Ferkelaufzucht kann derzeit eine Versicherungspolice ab ca. 4500 Jahresnettoprämie abschließen. Für einen Schweinemäster mit 2500 Mastplätzen wäre eine Police von ca. 2700 Jahresnettoprämie möglich. In beiden Fällen sind Bündelrabatte möglich.27
- Premiumdeckung: Über die Basisdeckung hinaus sind Ertragsausfälle infolge aller übertragbarer Tierkrankheiten mitversichert. Die Beiträge erhöhen sich in diesem Fall um ca. 30%.28
- Zuchtbetriebe können darüber hinaus einen definierten Gesundheitsstatus absichern. Der Zusatzbeitrag wird betriebsindividuell ermittelt und liegt zwischen 0,5 und 1% der Versicherungssumme.29
Landwirte können die Höhe der Prämie auch drücken. Bei jedem Vertragsabschluss wird ein Selbstbehalt vereinbart. Je höher dieser ist, desto niedriger fällt die Prämie aus. „Der Selbstbehalt beträgt je nach Höhe der versicherten Werte und des prozentualen Selbstbehaltes im Regelfall ca. 5 bis 9 € je versichertem Mastschwein bzw. 30 bis 50 € je Sauenplatz inklusive Aufzucht“, weiß Stärk.
Schutz nach Drei Monaten
Bei der R+V beträgt die Wartezeit nach dem Vertragsabschluss drei Monate, d.h., der Versicherungsschutz startet drei Monate nach Versicherungsbeginn. Die Haftzeit beträgt zwölf Monate. Die Haftzeit ist der Zeitraum, für welchen die Versicherung den Schaden am längsten ersetzt. Sobald dieser bestätigt ist und der Schaden den festgelegten Selbstbehalt übersteigt, erfolgen Abschlagzahlungen. Bei ASP bei Wildschweinen ist davon auszugehen, dass die Restriktionen länger als zwölf Monate dauern, wahrscheinlich eher mehrere Jahre. Daher ist besonders in Wildschweinregionen eine Verlängerung der Haftzeit auf 18 oder 24 Monate ratsam.
Schadensberechnung
Ob sich eine Versicherung lohnt, hängt von den zu erwartenden Schäden ab. „Im nächsten Schritt muss der Betrieb beurteilen, wie stark ihn der Schaden treffen würde, also ob er diesen auch beispielsweise durch andere Betriebszweige abfedern kann“, so Post.
In welchem Umfang ein Schaden durch ASP entstehen kann, zeigt ein vereinfachtes Beispiel: Ein Betrieb mit 1000 Mastplätzen unterliegt für 90 Tage einer Vermarktungsbeschränkung. In einer Mastgruppe von 500 Tieren waren mit Ausweisung des Restriktionsgebietes die ersten Tiere schlachtreif. Späterer Leerstand und Ertragsverluste aufgrund von geringerer Produktion durch belegte Stallungen sind nicht berücksichtigt. Um den Schaden zu berechnen, wird zunächst ein Referenzzeitraum ermittelt (siehe Übersicht). Daraus ist das „reguläre“ Produktionsvolumen und Leistungsniveau ersichtlich. Es umfasst die Anzahl verkaufter Mastschweine, Futterverwertung, übliche Verkaufsgewichte, Vermarktungskonditionen etc. Es werden die letzten drei Wirtschaftsjahre herangezogen.
Im zweiten Schritt erfolgt ein Blick auf den Haftzeitraum. Das entspricht dem Zeitraum vom Zeitpunkt des Schadenereignis, also des ASP-Ausbruchs, bis zwölf Monate nach dem Schadenereignis. Aus der Abweichung zwischen Referenz- und Haftzeitraum ergibt sich der Schaden.
Es wird angenommen, dass die Tiere aus der ASP-Zone keinerlei Erlös erzielen. Die variablen Kosten steigen während der Sperre. Die Futterverwertung erhöht sich von 1:2,7 auf 1:2,9. Während des verlängerten Mastzeitraums fallen zusätzliche Energie- und Tierarztkosten an. Der Stall kann erst mit Verspätung wieder belegt werden. Die Schadwirkung bei den variablen Kosten beträgt 17190 €.
Die Summe der Schadwirkungen, also die Schadwirkung aus Erlösen plus Schadwirkung aus Spezialkosten, ergibt den DB-Verlust, hier 113196 €. Diesen Betrag entschädigt die Versicherung abzüglich des Selbstbehaltes.