Der Seuchenausbruch trifft unsere Drittlandexporte beim Schweinefleisch ins Mark. Die Folgen für die Erzeugererlöse erklärt Marktexperte Dr. Frank Greshake.
Fred Schnippe, SUS
Mit dem ASP-Ausbruch hat Deutschland beim Export von Schweinefleisch praktisch den gesamten Zugang zu Drittlandmärkten verloren. Besonders hart trifft die Branche das Importverbot Chinas. So hat Deutschland im ersten Halbjahr 2020 mehr als 230000 t Schweinefleisch für mehr als 600 Mio. € in die Volksrepublik verkauft. Das sind knapp 27% der Gesamtausfuhren.
Hinzu kommt, dass auch Nebenprodukte wie Ohren, Pfoten etc. nicht mehr in Drittländer exportiert werden dürfen. Allein China hat im ersten Halbjahr mehr als 130000 t Nebenprodukte für mehr als 200 Mio. € in Deutschland gekauft. Um den Abfluss der deutschen Schlachtschweine zu gewährleisten, hat die VEZG die Notierung umgehend um 20 Cent gesenkt. Gleichzeitig wurde der Ferkelpreis um 12 € vermindert. Nun gilt es, neue Absatzwege für deutsches Schweinefleisch in Europa aufzubauen.
Wie hoch ist der Erlösverlust durch den Wegfall der Drittmärkte?
Das hängt stark davon ab, in welchem Umfang der Schlachthof nach Fernost liefern durfte. Viele kleinere Schlachtbetriebe hatten keine Chinazulassung oder durften nur Nebenprodukte oder Segmente davon liefern. Wer zusätzlich zu Pfötchen und Öhrchen auch Fleisch – etwa Schweine dreigeteilt – ins Reich der Mitte exportierte, ist jetzt besonders hart betroffen.
Eine Zulassung für die Nebenprodukte ist sicherlich 8 bis 12 € je Tier wert. Für meist größere Schlachtbetriebe, die Fleisch nach China exportiert haben und jetzt umleiten müssen, kommt der Wertverlust für das Fleisch hinzu.
Um welche Mengen geht es?
Mit dem Exportverbot für die Drittländer hat selbst so mancher Mittelständler über Nacht 20 bis 25% seiner Absatzmärkte verloren. Gut, dass wenigstens die Ware auf See nicht zurückgeholt werden musste. Waren auf dem Landweg oder in Gefrierhäusern nahm China sofort nicht mehr ab. Sie musste umgeleitet oder sogar entsorgt werden. Auch der Verlust des südkoreanischen Marktes für die fetten Bäuche trifft uns hart.
Bei den Schlachtschweinen bauen sich wieder Überhänge auf. Warum?
Seit dem ASP-Ausbruch liegen unsere gewerblichen Schlachtungen zwischen 850000 und 880000 Schweinen pro Woche. Das sind rund 50000 zu wenig. Denn die Schweine wachsen im Herbst wieder besser.
Dabei hätte man die Kapazitäten, um mehr zu schlachten. Doch in der Zerlegung fehlt es derzeit an Fachpersonal. Zwar sind wieder mehr osteuropäische Mitarbeiter aus den Sommerferien zurück. Doch es wird jetzt deutlich mehr Personal gebraucht.
Warum steigt der Personalaufwand?
Durch den Wegfall des China-Geschäftes müssen einige Teilstücke stärker zerlegt werden. Bei den Köpfen müssen die Ohren ab- und die Backenmuskeln ausgeschnitten werden. Aus den fetten Bäuchen müssen die Rippen heraus, die Vorder- und Hintereisbeine zerlegt werden. Gäbe es noch Separatorenfleisch, wäre vieles kein Problem. Aber das wurde ja vor Jahren für viele nicht nachvollziehbar geächtet.
Und noch eins: Unsere Schweinedärme wurden bislang nach China geschickt, dort gesäubert und sortiert und kamen zur Weiterverwendung wieder zurück. Damit ist jetzt Schluss! Bleibt abzuwarten, ob sich für diese Arbeit hierzulande jemand findet.
Besteht Hoffnung, dass einige Drittmärkte wieder öffnen?
Über eine Regionalisierung im Falle eines ASP-Ausbruches in Deutschland wird mit der Volksrepublik China seit Jahren verhandelt. Erfolglos! Solange das Geschehen in Brandenburg nicht zum Stillstand kommt, glaubt man nicht an erfolgreiche Verhandlungen mit den Asiaten. Die jüngsten Gespräche lassen einen Hauch von Optimismus aufkommen. Aber: Kommt die Regionalisierung, werden weitaus größere Gebiete betroffen sein als die bisherigen Restriktionszonen.
Im Zertifikat für Hongkong steht der viel zitierte Satz mit der ASP-Freiheit nicht. Und es sollte gelingen, zumindest mit Drittstaaten wie Serbien und anderen, die nicht im Fokus stehen, schneller zu Ergebnissen zu kommen.
Läuft der Handel in der EU störungsfrei?
Hier könnten in den kommenden Wochen Probleme auftreten. Ein Beispiel ist Italien, unser zweitwichtigster Kunde speziell für Schinken. Die Italiener exportieren nach Asien, weshalb sie von deutschen Exporteuren „Vorzertifikate“ für den Asienexport brauchen. Die gibt es jetzt nicht mehr. Die Folge ist, dass einige Importeure keine deutschen Schinken mehr abnehmen. Andere Unternehmen fordern Preisnachlässe, weil sie deutsche Ware für den Export nach Fernost aussortieren müssen.
Was heißt das für die Schweinepreise?
Die Senkung unserer Notierung auf 1,27 € war bitter und ob das Ende der Fahnenstange erreicht ist, weiß niemand. Die deutschen Schlachtunternehmen sind im Grunde an einer weiteren Senkung des Basispreises nicht interessiert. Sie kürzen jetzt erst einmal Zuschläge.
Die VEZG-Notierung war für viele EU-Nachbarstaaten die Leitnotierung. Entsprechend sind auch dort die Preise gefallen, wenn auch nicht so stark. Spanien hingegen notiert fast unbeeinflusst vom deutschen Markt.
Wohin leitet Deutschland sein Fleisch um?
Die Nebenerzeugnisse werden jetzt zu rund 50% entsorgt. Die will niemand in der EU. Aber deutsches Fleisch ist jetzt in Europa konkurrenzfähiger – auf Kosten unserer Schweinehalter. Osteuropa wird mehr deutsches Fleisch nehmen, die Skandinavier wohl auch. Wie sich die Warenströme im Detail verändern, ist erst in einigen Wochen zu beantworten.
Und Tiere aus Brandenburg?
Die Vermarktung von Ferkeln und Schlachtschweinen aus Brandenburg ist aktuell problematisch, auch außerhalb von den Restriktionsgebieten. Das ist nicht in Ordnung! Jeder von uns kann morgen ein totes Wildschwein vor seiner Haustür haben.
Warum musste der Ferkelpreis zurückgenommen werden?
Der Ferkelmarkt steht enorm unter Druck. Viele Mäster sind durch die ASP verunsichert. Obendrein werden die in den letzten Wochen eingestallten Ferkel zum saisonalen Preistief am Jahresende ausgestallt. Anfang Oktober verständigten sich die Viehvermarkter, Schlachtschweine vorrangig nur abzuholen, wenn der Mäster auch neue Ferkel einstallt. Dies sollte einen Notstand in der Ferkelvermarktung vermeiden.
Diese Phase dürfte aber in absehbarer Zeit vorbei sein. Denn derart niedrige Schweinepreise von 1,27 € kann sich kein Schlachthof für Ende Januar 2021 vorstellen. Außerdem werden die Importferkel wieder knapper. Verlässliche Zahlen hierzu liegen aber noch nicht vor.
Wann erholt sich der Markt?
Beim Worst-Case verharren die Ferkel- und Schweinepreise in der jetzigen Höhe bis Ende Januar 2021. Dann werden sich die verminderten Einstallungen positiv bemerkbar machen. Der beste Fall wäre eine Erholung vier bis sechs Wochen nach dem ASP-Ausbruch, wenn sich die Märkte neu geordnet haben. Aber unser Schweinefleischabsatz im Inland liegt im Außer-Haus-Verzehr immer noch weit unter dem Vorjahresniveau. „CoronASP“ ist eine fatale Kombination!
Wie wirkt das auf den Strukturwandel?
Ob man das noch „Wandel“ oder besser „Bruch“ nennt, sei dahingestellt. Wer als Ferkelerzeuger ohnehin in den nächsten ein bis zwei Jahren aufhören wollte, sollte das jetzt tun. Denn es dürfte kaum möglich sein, die in diesem Wirtschaftsjahr zu erwartetenen finanziellen Verluste im nächsten Jahr wieder aufzuholen.
Soll der Staat den Markt stützen?
Die Private Lagerhaltung (PLH) ist angedacht, bleibt aber umstritten. Die EU-Wettbewerber wären erfreut. Sie könnten sich das Einfrieren von Fleisch für China vom Steuerzahler finanzieren lassen. Deutschland friert nicht für Asien ein. Denn es ist nicht klar, ob bzw. wann wir wieder dorthin liefern können. Trotzdem: Bevor die Schweine nicht mehr zu vermarkten sind, wäre die PLH eine Alternative.
Was machen die Verbraucherpreise?
Alles bleibt wie gehabt. Der Konsument bedient sich für kleines Geld an der Ladentheke. Der LEH plant schon weitere Sonderangebote. Man kann es Verramschen nennen. Doch wir müssen realistisch bleiben: Wenn der deutsche Absatz nicht besser auf Touren kommt, stauen sich die Schweine weiter auf!