Der Schweine- und Ferkelmarkt steht unter dem Einfluss der Coronakrise. Zudem erschweren US-Dumpingpreise das Asiengeschäft.
Dr. Albert Hortmann-Scholten, LWK Niedersachsen
Das Wirtschaftsjahr 2019/20 dürfte ökonomisch eines der besten für die deutschen Sauenhalter werden. Die global hohe Nachfrage nach Schweinefleisch beflügelte auch den Ferkelmarkt. Zu- dem lag das Angebot an Schlachtschweinen das gesamte letzte Jahr unter dem Vorjahresniveau. So knackte die Notierung für Schlachtschweine im März die Schallmauer von 2 €.
Danach war der Marktverlauf mehr als enttäuschend. Bis Mitte Mai brach die Notierung binnen weniger Wochen um mehr als 40 Cent ein. Mäster und Ferkelerzeuger sind verunsichert.
Corona: Weniger Nachfrage
Der Preiscrash resultiert zum einen aus dem Rückgang der Fleischnachfrage in Deutschland. Denn die Corona-Pandemie hat die Verbraucher verunsichert und das Konsumverhalten verändert. Zwar verkauft der Lebensmittelhandel mehr Frischfleisch. Doch dies konnte den Ausfall der Gastronomie und der Großverbraucher nicht kompensieren.
Die Fleischindustrie hatte nach den Hamsterkäufen die Supermärkte wieder befüllt und benötigte weniger Ware. Auch durch die Kontaktsperren blieben Impulse des Grillgeschäftes bis in den Frühsommer weitgehend aus. Ab Mitte Mai sorgten Corona-bedingte Produktionsausfälle in deutschen Schlachtbetrieben für zusätzlichen Druck.
Zu den Problemen im Zuge der Coronakrise kommen Handelsverwerfungen am internationalen Fleischmarkt. Auslöser ist der massive Einbruch der Schweinepreise in den USA und Brasilien. Die Erzeugerpreise liegen in Nordamerika ca. 60 bis 70% unter dem EU-Niveau und waren über das gesamte Jahr nicht kostendeckend.
Preiscrash in USA
Seit dem Frühjahr drücken die USA ihr Fleisch mit Dumpingpreisen auf die internationalen Märkte. Dies setzt global die Schweinepreise massiv unter Druck. Es ist besorgniserregend wie das mühsam angehobene Verbraucherpreisniveau nunmehr auf Großhandelsebene wegbricht.
Die in den USA grassierende Corona-Pandemie hat die Lage zusätzlich verschärft. So ist der US-Konsum stark beeinträchtigt und zahlreiche große Schlachthöfe mussten wegen der Corona-Ausbrüche mehrere Wochen schließen. Dennoch finden nach wie vor keine Bestandsabstockungen statt, da Washington das schlechte Preisniveau mit Subventionen ausgleicht.
Die USA haben ihre Produktion in den letzten Jahren auf neue Rekordniveaus gesteigert. Das hat die Abhängigkeit vom Fleischexport weiter erhöht. Die Vereinigten Staaten mussten im vergangenen Jahr 30% der Inlandserzeugung bzw. knapp 2,8 Mio. t Schweinefleisch im Ausland absetzen.
Ferkel unter Druck
Die billigen Offerten der Amerikaner wecken Begehrlichkeiten bei den Importländern. So hat z.B. China abgeschlossene Kaufverträge storniert. Es hat die Hoffnung, das Fleisch später bzw. an anderer Stelle billig zu kaufen.
Aufgrund des deutlich höheren Preisniveaus in Europa kamen auch die deutschen Exporte vielfach zum Erliegen. Die Politik bemüht sich um neue Absatzwege. Die EU und Mexiko haben kürzlich ein neues Handelsabkommen abgeschlossen. Es sieht für praktisch alle EU-Schweinefleischerzeugnisse zollfreie Lieferungen nach Mexiko vor. Welche Mengen und Teilstücke absetzbar sind, bleibt abzuwarten.
Der zunehmende Preisdruck am Schweinemarkt führt zu einer stark zurückhaltenden Kaufbereitschaft der Mäster. Seit dem Höchststand im März gaben die Ferkelpreise bis Mitte Mai um mehr als 20 € nach. Damit hat sich die saisonale Talfahrt beschleunigt.
China-Boom bleibt!
Es gibt auch einige günstige Faktoren. So hat unser Schweinemarkt in den letzten Wochen enorm von der ASP-Situation in China profitiert. Denn dort ist der Wiederaufbau der Bestände nach dem Seuchenzug durch Corona ins Stocken geraten. Zwar berichtet Peking, dass es seit November 2019 bei Hausschweinen keine ASP-Fälle mehr gab. Doch im ersten Quartal 2020 ist die Fleischerzeugung gegenüber dem Vorjahr kräftig gesunken.
Allerdings gibt es seit einigen Monaten wieder Aufstockungen. Im ersten Quartal 2020 ist der chinesische Schweinebestand um 10,8 Mio. Tiere oder 3,5% gewachsen. Bei den Zuchtsauen gab es sogar ein Plus von 10% auf 33,8 Mio. Stück. Voraussichtlich wird es den Chinesen allerdings 2020 nicht gelingen, die Schweinefleischproduktion gegenüber dem Vorjahr zu steigern.
Mit dem Ende der Coronakrise dürfte sich in Asien der Fleischverzehr normalisieren. Auch die logistischen Probleme bei der Belieferung der asiatischen Zielmärkte wurden zwischenzeitlich überwunden. Damit ergeben sich für die Europäer voraussichtlich weiterhin lukrative Absatzmöglichkeiten für Schweinefleisch in Asien.
EU-Konkurrenz stockt auf
Bei der Bewertung des Ferkel- und Schweinemarktes kommt es auch auf die Bestandsentwicklung in unseren Nachbarländern an:
- Spanien ist mit über 2,6 Mio. Sauen der größte EU-Ferkelerzeuger. Das Land setzt die ungebremste Expansion fort. Die Sauenzahl weist ein Plus von 3,1% gegenüber dem Vorjahr aus. Die Schweinefleischexporte in Drittländer stiegen im letzten Jahr um 36%. Die überwiegend integriert aufgestellte spanische Fleischwirtschaft punktet mit niedrigen Kosten. Weitere Schlachtstätten erhielten eine Zertifizierung für den Chinaexport. Hiervon profitiert auch die Ferkelerzeugung.
- In Deutschland setzt sich der Trend zum Rückgang in der Ferkelerzeugung fort. Zuletzt verzeichnete unser Sauenbestand ein Minus von 2,9% gegenüber dem Vorjahr. Jedoch sind die Ferkelzahlen der verbleibenden 1,8 Mio. deutschen Sauen vergleichsweise hoch. Dennoch werden Ferkel bei uns auf absehbare Zeit knapp bleiben. Zum Jahresende rechnen Marktexperten mit einem spürbaren Rückgang der Halterzahlen. Anfang 2021 werden schätzungsweise weitere 10 bis 20% der Sauenhalter ausscheiden.
- Die Niederlande verzeichnen ein deutliches Wachstum der Sauen von 8,3% gegenüber dem Vorjahr. Das Land bereitet sich beim Ferkelexport auf die 2021 anstehenden rechtlichen Änderungen in unserer Sauenhaltung vor. Die Holländer versprechen sich gute Geschäfte in Deutschland.
- Der dänische Sauenbestand stieg in der Aprilzählung gegenüber dem Vorjahr um 3,4 %. Der Schweinebestand legte insgesamt um 4,8 % zu und bewegt sich auf einem 13-Jahreshoch. Der Ferkelexport leidet unter Corona-Sperren. Zudem will Dänemark aufgrund der guten Exportmöglichkeiten für Fleisch viele Ferkel selbst mästen. Bleiben die Asienexporte hoch, werden die dänischen Ferkelausfuhren sinken. Damit könnte der Einfuhrdruck nach Deutschland nachlassen.
Weiteres Wachstum in der Sauenhaltung wird in Rumänien, Polen und auch Großbritannien erwartet. Aktuell begrenzt dort aber die ASP die Ferkelerzeugung. Im Frühjahr waren vor allem polnische Großanlagen durch die ASP betroffen. Auch schrumpfen die Sauenbestände in Frankreich, Italien, Belgien, Ungarn und Portugal. In Summe dürfte sich der EU-Sauenbestand stagnierend bis rückläufig entwickeln.
Mehrkosten durch Kastration
Eine wichtige Frage ist auch, wie es mit der Kastration weitergeht. Denn die verfügbaren Alternativen zum betäubungslosen Eingriff führen zu Mehrkosten. Dies ist ein Wettbewerbsnachteil für die deutschen Erzeuger.
Fakt ist: Die Jungebermast stagniert. Unsere Schlachtbetriebe haben den Bezug niederländischer Eber nochmals zurückgefahren. Schätzungsweise werden dieses Jahr von im Wesentlichen fünf Schlachtunternehmen 4 Mio. Eber deutscher Herkunft geschlachtet. Dies entspricht etwa 15% Marktanteil bezogen auf die männlichen Tiere. Die eingeschränkte Vermarktung der Eberteile mindert die Gesamterlöse stark.
Der Anteil der mit Improvac geimpften Eber liegt deutlich unter 1%. Zum Jahresende könnte sich dies ändern. Denn es kommt zu Verzögerungen bei der Zulassung der Narkosegeräte. Auch die zweitägigen Schulungen für die Narkosegeräte erfolgen aufgrund der Coronakrise teils erst später.
Viele Ferkelerzeuger werden voraussichtlich zu Beginn des Jahres 2021 unkastrierte Ferkel anbieten. Die Mäster müssen dann zwei Impfungen einsetzen, um ein marktfähigeres Produkt als bei der Ebermast anzudienen. Sie müssen dabei die Sicherheit haben, dass der Schlachthof geimpfte Tiere annimmt. Auch über die Abrechnung muss Klarheit herrschen. Basis ist, dass die Tiere als Kastrate und nicht über die nachteilige Ebermaske abgerechnet werden.
Bis zum Frühsommer 2020 nehmen in Deutschland nur wenige Schlachthöfe in Projekten geimpfte Eber ohne Preisabzüge ab. Tönnies in Rheda-Wiedenbrück und der zugehörige Schlachtbetrieb in Sögel sowie die Westfleisch nehmen zwar geimpfte Eber ab, ziehen jedoch 3 Ct/kg SG ab. Eine einheitliche Branchenregelung könnte die nötige Planungssicherheit geben.
Mittelfristig könnte die Eberimpfung kostengünstiger werden, wenn die Patente auslaufen. Im Norden und Osten der Republik kann die Impfung in einigen Betrieben der richtige Anpassungsweg sein. Das gilt insbesondere in geschlossenen Systemen. Im Süden werden die Ebermast und die Eberimpfung auch künftig kaum eine Rolle spielen. Denn die Müller-Gruppe ist einer der wenigen süddeutschen Schlachthöfe, die in nennenswerten Mengen unkastrierte Tiere abnimmt.
Fazit
- Die Coronakrise schwächt den Inlandskonsum.
- Im Export drücken Dumpingpreise der USA das Niveau. Doch der Exportboom nach China ist nicht vorbei.
- Ab Mai verschärften Ausfälle deutscher Schlachthöfe die Lage.
- Einige EU-Staaten stocken Sauen auf. In Deutschland ist eher mit rückläufigen Sauenzahlen zu rechnen.
- Ab 2021 verteuern die Kastrationsalternativen unsere Produktion.
- Die Vielzahl gravierender Ereignisse erschwert Marktprognosen. Die Ferkelpreise werden vermutlich nicht mehr das Vorjahresniveau erreichen.