Fleisch deutscher Herkunft gilt als Hoffnungsanker für die hiesigen Schweinehalter. Kalkulationen mit aktuellen Vollkosten zeigen, wo der Erzeugerpreis liegen muss.
Bernhard Post, WVU Münster
In den vergangenen 15 Jahren konnte die Schweinebranche viele Kostensteigerungen durch Effizienzverbesserungen abpuffern. Dennoch waren die Betriebe wiederholt nicht in der Lage, ihre Vollkosten abzudecken.
Seit zwei Jahren hat sich die Lage weiter verschärft. Nach einer langen Phase ruinöser Erlöse machen die Kostenexplosionen vor allem beim Futter und bei der Energie zusätzliche Probleme.
Auch im internationalen Vergleich geraten unsere Betriebe zusehends ins Hintertreffen. Durch Haltungs- und Umweltauflagen weit oberhalb der EU-Standards ist unsere Produktion nicht mehr wettbewerbsfähig. Vor allem die expandierenden Spanier profitieren von günstigen Produktionskosten und drücken ihr Fleisch auch auf unseren Markt.
Handel setzt auf 5xD
In diesem Kontext scheint ein Label für Fleisch deutscher Herkunft als Rettungsanker. Denn bei einer breiten Umsetzung im Lebensmittelhandel und in der Gastronomie wäre Schweinefleisch aus deutschen Betrieben nicht mehr so leicht austauschbar. Wobei das 5xD-Label neben der Geburt und Mast auch die Schlachtung, Zerlegung und Verarbeitung in Deutschland vorsieht. Am Ende sollen Erzeugererlöse deutlich oberhalb des Standardpreises möglich sein.
Allerdings ist das Interesse an 5xD in der Gastronomie und in der Fleischverarbeitung bislang gering. Deutlich besser sieht es im Lebensmittelhandel aus.
Schwarz-Gruppe prescht vor
Am weitesten ist die Schwarz-Gruppe, die ihre mehr als 3200 Lidl-Filialen seit Juni beim frischen Schweinefleisch auf deutsche Ware umgestellt hat. Die ebenfalls zur Gruppe gehörende Kette Kaufland bietet beim Frischfleisch nur noch Ware aus Haltungsform 2 und bei der Eigenmarke aus Haltungsform 3 nur noch Fleisch deutscher Herkunft an.
Die Rewe-Gruppe will ihr Frischfleischsegment noch in diesem Sommer auf die deutsche Herkunft umstellen. Bei Aldi Nord und Süd soll dieser Schritt bis zum vierten Quartal erfolgen. Allerdings ist zu beachten, dass alle Lebensmittelhändler ihre Vorgaben auf das Frischfleisch begrenzen. Dieses macht etwa 25% des gesamten Fleischsegmentes aus.
Doch wie viel müssen deutsche Schlachtschweine kosten, damit die Rechnung auch für die Landwirte aufgeht? Die Westfälisch-Lippische Versicherungs- und Unternehmensberatungsgesellschaft (WVU) hat eine Kalkulation aufgestellt, die insbesondere die gestiegenen Gebäude- und Arbeitskosten berücksichtigt. Basis ist die Haltung nach ITW-Standard bzw. Haltungsform 2.
Die Kalkulation enthält auch Zinsen für Finanzierung, Pachten und Altenteil sowie Aufwendungen für Transporte und Öffentlichkeitsarbeit. Berücksichtigt sind ebenso Risikokosten, insbesondere für die starken Schwankungen der Erlöse.
Die Kalkulation erfolgt anhand eines Betriebes mit 250 Sauen-, 1500 Ferkelaufzucht- und 1500 Mastplätzen. Sämtliche Stallgebäude sollen im Jahr 2022 mit aktuellen Kosten neu erstellt worden sein. Die Baukosten sind in der Sauenhaltung mit 4020 € und in der Ferkelaufzucht mit 410 € je Platz angesetzt. In der Mast wird von Neubaukosten von 660 € je Platz ausgegangen. Die Grundlage sind KTBL-Daten und eigene Erhebungen.
Der Betrieb unterliegt der Regelbesteuerung, sodass mit Nettowerten gerechnet wird. Das Leistungsniveau soll bei 29 verkauften Ferkeln je Sau und Jahr liegen. In der Mast sind 2,9 Durchgänge mit einer Futterverwertung von 1:2,7 angesetzt.
Arbeit fair bewerten
Wichtig ist zudem ein realistischer Kostenansatz für die Arbeit. Insbesondere der Stundenansatz für die heute oft hochqualifizierten Betriebsleiter darf nicht zu niedrig ausfallen. Auch müssen Lohnnebenkosten, Urlaubsanspruch, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Fortbildungen etc. berücksichtigt werden.
Die Kalkulation geht von drei Lohnstufen aus, die mit unterschiedlichen Anteilen einfließen. Wobei die Stundenansätze einem Fremdvergleich Stand halten müssen. Auf einen Gewinnansatz auf die Arbeitskosten, wie in der Industrie üblich, wird hier verzichtet. Auf dieser Basis ergibt sich für die Aushilfskraft ein Stundenansatz von 28 € (siehe Übersicht 1). Für eine Fachkraft sind gut 42 € pro Stunde zu veranschlagen und für den Betriebsleiter gut 51 €. Im Mittel kalkuliert der Betrieb mit einem Stundenansatz von gerundet 43 €.
Gut 120 € pro Mastferkel
Auf dieser Basis wurden die aktuellen Vollkosten der gesamten Produktionskette von der Sau bis zum Schlachtschwein berechnet.
Zunächst zur Sauenhaltung. Hier sind das Futter mit gut 641 € und die Arbeit mit 516 € je Sau mit Abstand die größten Kostenblöcke (s. Übersicht 2 auf Seite 16). Nicht zu unterschätzen sind zudem die Gebäudekosten von gut 326 € sowie die Tiergesundheitskosten von 217 € je Sau. Die Vollkosten summieren sich auf gut 2270 € je Sau bzw. 78 € je Absetzferkel.
In der Ferkelaufzucht ist das Futter mit knapp 24 € je Tier ebenfalls die größte Kostenposition (siehe Übersicht 3). Die Aufwendungen für das Gebäude und die Arbeit schlagen mit gut 5 € bzw. etwas mehr als 4 € je Ferkel zu Buche. In Summe belaufen sich die Vollkosten für ein 30 kg-Mastferkel auf gut 121 €.
In der Mast schlägt die Verteuerung des Futters stark durch. Der Betrieb kalkuliert hier mit knapp 114 € pro Tier. Nach dem Ferkelzukauf ist das Futter der zweitgrößte Kostenblock. Die Gesamtkosten für die Erzeugung eines 5xD-Schweines betragen gut 292 €. Hierfür ist eine Schlachtschweinenotierung oberhalb von 3 € notwendig.
Selbst für die Erwirtschaftung der variablen Kosten ist eine Notierung von mindestens 2,44 € nötig. Wobei aus unserer Sicht die Arbeitskosten den variablen Kosten zuzuordnen sind.