Ein Gutachten belegt erhebliche Schwachpunkte im Grundwassermessnetz in NRW. Hierdurch können auch starke Abweichungen bei den Nitratwerten auftreten.
Fred Schnippe, SUS
Die Agrarbranche diskutiert derzeit heftig über das Messnetz zur Grundwasserqualität. So wird hinterfragt, ob die Messstellen die Nitratgehalte repräsentativ darstellen. Für die Landwirtschaft ist dies besonders wichtig. Denn in Regionen mit erhöhten Nitratwerten plant Berlin erhebliche Einschränkungen bei der Düngung.
Um das Messnetz zu bewerten, hat die Landesregierung in Nordrhein- Westfalen 2016 einen renommierten Hydrogeologen beauftragt.
300 Messstellen überprüft
Das Unternehmen Hydor Consult aus Berlin hat 300 Messstellen in ganz NRW umfangreichen Prüfungen mit mehr als zehn Kriterien unterzogen. Einige der Messpunkte weisen einen Verdacht auf bauliche Mängel auf. Die Ergebnisse zeigen aber ein realistisches Bild aller 1500 Messstellen in NRW.
Das Gutachten unter der Leitung des Hydrogeologen Dr. Stephan Hannappel wurde 2018 abgeschlossen aber nicht veröffentlicht. Die SUS-Redaktion hat die Ergebnisse per Akteneinsicht im Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) gelesen.
Bei der Untersuchung der Messpunkte traten im großen Umfang bauliche und technische Mängel zutage. Der Fokus soll hier auf den Schwachstellen liegen, die auch Auswirkungen auf die Nitratgehalte haben können.
Lufteintrag im Filter
Ein wichtiger Punkt ist die sogenannte Belüftung der Messstellen. Hierunter versteht man das Problem, dass die in den Messstellen verbauten Filter während der Wasserentnahme nicht mehr vollständig bedeckt sind. Das heißt, es läuft zu wenig Wasser nach, um einen ausreichenden Füllstand zu garantieren. In der Folge kommen Teile des Filters mit Luft in Berührung.
Während der Untersuchung wurden rund 200 der 300 Brunnen umfangreichen Versuchen unterzogen. In fast 50% der Fälle traten Probleme mit der Belüftung der Filter auf. So zeigten 15% der Messpunkte eine geringe Belüftung von bis zu 25% der Filterstrecke (siehe Übersicht 1). Weitere 10% der Messpunkte zeigten eine Belüftung von bis zu 50% des Filters. In 23% der Fälle wurden sogar mehr als 50% der Filterstrecke beim Abpumpen belüftet.
Der Lufteintrag in den Filter kann zu falschen, überhöhten Nitratergebnissen führen. Denn durch den mit der Luft eingedrungenen Sauerstoff wird der natürliche Nitratabbau im Bereich der Messstelle stark herabgesetzt.
Brunnentiefe stimmt nicht
Ein weiterer wichtiger Punkt sind Ablagerungen am Boden der Filter. Fachleute sprechen von Auflandungen. Nachweisen lassen sich diese durch den Abgleich der Soll- und Ist-Tiefe der Messstellen. Auflandungen im Filter können die hydraulische Leistungsfähigkeit der Messstelle deutlich herabsetzen. Dies wirkt sich insbesondere bei kurzen Filterstrecken negativ aus. Auflandungen sind ein Hinweis für eine mangelhafte Wartung.
Bei den 200 im Pumpversuch geprüften Brunnen wiesen 38% geringe Auflandungen von bis zu 25% des Filters auf (siehe Übersicht 2). In weiteren 4% der Messstellen waren bis zu 50% der Filterstrecke von Auflandungen beeinträchtigt. Eine sehr starke Auflandung mit mehr als 50% betroffener Filterstrecke wurde in 4% der Fälle ermittelt.
Auflandungen können ebenfalls zu einer Fehlinterpretation der chemischen Analysewerte und damit zu falschen bzw. überhöhten Nitratwerten führen. Denn in den Datenbanken der Behörden sind die Solltiefen aller Messpunkte vermerkt. Hiermit wird u.a. berechnet, wie die Messstelle durch das Grundwasser angeströmt wird. Dies wiederum hat Auswirkungen darauf, ob die Messstelle als repräsentativer Nitratmesspunkt herangezogen wird.
Rohre und Filter beschädigt
Weitere Hinweise für die Qualität einer Messstelle liefert die Überprüfung mit einer Rohrkamera. Hiermit lassen sich Probleme bei den Pumpversuchen teils erklären. Im Rahmen der Untersuchung wurden NRW-weit neun Messpunkte mit Kameras befahren. Die ausgewählten Messpunkte sind repräsentativ für das ganze Messnetz des Landes.
Die Kamerabefahrung brachte erhebliche technische Mängel ans Licht. So zeigt Übersicht 3, dass mehr als die Hälfte der untersuchten Messstellen starke oder sehr starke Ablagerungen an den Rohrinnenwänden aufweist. Diese können ähnlich beschaffen sein wie ein Biofilm, der z.B. in Tränkewasserleitungen auftreten kann.
Ablagerungen an den Rohr- bzw. Filterinnenwänden können den Wassernachfluss hemmen. Weiterhin können die Ablagerungen die Wasserqualität beeinträchtigen und zu abweichenden Messergebnissen führen.
Die Rohrkamera bestätigte außerdem die großen Probleme mit Auflandungen im Filter, die bereits durch die Abweichungen bei der Tiefe der Messstelle ermittelt wurden. So wiesen sieben von neun Messpunkten geringe bis sehr starke Auflandungen auf. In diesen Fällen ist die Aussagekraft der Messstelle zur chemischen Beschaffenheit des Grundwassers stark herabgesetzt.
Auffallend ist weiterhin, dass alle per Kamera überprüften Grundwassermesspunkte starke bautechnische Mängel aufweisen. Die Untersuchung zeigte insbesondere folgende Probleme:
- verstopfte Filterschlitze,
- aufgeweitete Filterschlitze,
- Risse/Undichtigkeit im Vollrohr,
- undichte Rohrverbindungen,
- starken Wurzeleinwuchs,
- Fremdkörper im Rohr,
- sehr starke Wassertrübung.
Vor allem undichte Rohrsysteme und Filterschäden stellen gravierende Mängel dar. Denn sie haben unmittelbare Auswirkungen auf den Wasserstand und die Wasserqualität. Dazu zählt auch, wenn wegen eines Rohrversatzes oder Wurzeleinwuchses der Einsatz der Prüftechnik (Pumpe, Schwimmer) nicht möglich ist. Technische Mängel zeigen zudem, dass die Messstelle nicht gut gewartet wurde. Diese hätten insbesondere mit Pumpversuchen öfter regeneriert werden müssen.
Auch in puncto Nitrat sind technische Mängel relevant. So kann z.B. über Risse im Vollrohr Oberflächenwasser eindringen und zu falschen, überhöhten Nitratgehalten führen. Das Gutachten wirft deshalb Zweifel auf, ob das Messnetz die Grundwasserqualität realistisch abbildet.
So ist ein erheblicher Anteil von zwei Drittel der untersuchten Messstellen in NRW in seiner Funktion maßgeblich eingeschränkt. Der Gutachter Dr. Stephan Hannappel bestätigt auf Anfrage von SUS: „Relevante chemische Kennwerte wie auch die Nitratgehalte lassen sich bei solchen Messstellen nicht repräsentativ ermitteln.“
Fazit
Ein Gutachter hat in NRW 300 Messstellen für Grundwasser überprüft:
- Rund zwei Drittel der Messpunkte gelten als nicht funktionsfähig.
- Die Prüfung deutet auf eine unzureichende Wartung der Messstellen hin.
- Die Aussagekraft des Messnetzes ist auch in puncto Nitrat begrenzt.
- Die übrigen NRW-Messstellen lassen ebenfalls große Mängel erwarten.
- Das Messnetz muss vollständig überprüft und die bereits begonnene Sanierung fortgesetzt werden.