Explodierende Preise für Futter und Energie treiben die Produktionskosten in die Höhe. Das erfordert auch höhere Fleischpreise an der Ladentheke.
Stefan Leuer, LWK Nordrhein-Westfalen
Zusätzlich zur langen Durststrecke bei den Ferkel- und Schlachterlösen müssen sich die Schweinehalter nun mit einem drastischen Kostenanstieg auseinandersetzen. Hauptgrund ist das Futter. Der Ukrainekrieg hat das hohe Preisniveau bei wichtigen Futtermitteln nochmals angeheizt. Im Vergleich zum langjährigen Mittel haben sich die Preise für Sauen-, Ferkel- und Mastfutter fast verdoppelt. Steigende Energiepreise verschärfen die Situation zusätzlich, was insbesondere die Ferkelerzeuger trifft.
Fachleute erwarten, dass die Futterpreise mindestens bis zur nächsten Ernte auf hohem Niveau bleiben. Der weitere Verlauf hängt stark davon ab, wie sich der Ukrainekrieg entwickelt. Es zeichnet sich ab, dass aus den Konfliktländern deutlich weniger Futtergetreide für Westeuropa bereitstehen könnte.
Kosten neu berechnen
Für die hiesigen Schweinebetriebe ist es daher unverzichtbar, ihre Produktionskosten neu zu berechnen. Als Basis für die folgende Kalkulation dienen typische Ferkelerzeuger und Mäster im Beratungsgebiet der Landwirtschaftskammer NRW.
In der Sauenhaltung sind Leistungen von 29,3 abgesetzten Ferkeln sowie in der Ferkelaufzucht 450 g Tageszunahme bei 2,2% Tierverlusten hinterlegt. In der Mast bilden 850 g Zunahme, 2,8 Um-triebe sowie 2,2% Verluste die Basis.
Die eingesetzte Arbeit soll mit 25 € je Stunde vergütet werden. Für alle Betriebe ist bei den Gebäuden ein Alterungsfaktor von 50% angesetzt. Das heißt, sie verfügen über unterschiedlich alte Ställe, von denen rund die Hälfte bereits abgeschrieben ist. Die Umsätze sollen der Regelbesteuerung unterliegen. Die Kalkulation erfolgt also mit Nettowerten. Beim Kostenblock Futter werden für die Rückbetrachtung Durchschnittswerte der Betriebe im Beratungsgebiet angesetzt. Das Gros arbeitet mit hofeigenem Getreiden plus Ergänzer. Die Futterkosten des laufenden Jahres basieren auf aktuellen Marktpreisen.
Früher 148 € Kosten je Schwein
Um den Kostenanstieg zu bewerten, wurden die aktuellen Werte dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre von 2016 bis 2021 gegenübergestellt. Die Kalkulation berücksichtigt vier Tierwohlstufen von der konventionellen Produktion mit QS-Standard in Haltungsform 1 bis zur Premiumstufe in Haltungsform 4. Wobei die höheren Haltungsformen nur in der Mast umgesetzt werden. Zunächst zur Kostensituation der vergangenen fünf Jahre: Die Kalkulation weist hier für die konventionelle Produktion bzw. Haltungsform 1 Vollkosten von gut 36 € (netto) je Absetzferkel bzw. gut 61 € für ein 28 kg-Ferkel aus. Die Kosten für das Sauen- und Ferkelfutter summierten sich im Schnitt der letzten fünf Jahre auf rund 26 € je verkauftem Ferkel. Das entspricht 41% der Gesamtkosten.
Auf der Maststufe kamen im Rückblick im Schnitt weitere Kosten von gut 87 € je verkauftem Schwein hinzu. Unter dem Strich kostete die Erzeugung eines Mastschweins damit gut 148 €. Dies entspricht bei 96,8 kg Schlachtgewicht Gesamtkosten von 1,53 € je kg SG (siehe Übersicht 1). Hierfür bedurfte es einer mittleren Schlachtschweinenotierung von 1,59 € pro kg SG.
In den höheren Haltungsformen war die Schweinehaltung bereits in den letzten fünf Jahren deutlich teurer. So schlug die Umsetzung der Haltungsform 2 in der Mast mit Gesamtkosten von 1,59 € je kg SG zu Buche. In den Haltungsformen 3 und 4 stiegen die Gesamtkosten aufgrund der wesentlich höheren Tierwohlkriterien nochmals deutlich auf 1,87 € bzw. 2 € pro kg SG an.
Futterpreise explodieren
Doch der jüngste Preissprung beim Futter und bei der Energie macht die rückblickende Kalkulation fast zur Makulatur. So sind die Gesamtkosten für die Erzeugung eines 28 kg-Ferkels auf knapp 81 € netto gestiegen. Das sind rund 20 € je Ferkel bzw. 30% mehr als im zurückliegenden Fünfjahresmittel.
Das Gros der Kostensteigerung entfällt auf das Sauen- und Ferkelfutter, das mit 45 € je Verkaufstier rund 19 € teurer ist als zuvor. So ist beim Sauenfutter eine Verteuerung von knapp 25 € auf mehr als 45 € je dt zu verzeichnen. Während die Kalkulation beim Ferkelaufzuchtfutter einen Preissprung von 34 auf 56 € je dt berücksichtigt. Hinzu kommen die auf rund 4,70 € je verkauften Ferkel gestiegenen Energiekosten, was einer Verteuerung um etwa 1,50 € entspricht.
In der Mast schlägt das teure Futter aufgrund des hohen Verbrauchs von knapp 260 kg je Tier noch stärker durch. In der Kalkulation verdoppelt sich der mittlere Preis für das Mastfutter von 22 auf 44 € je dt. Entsprechend explodieren die Futterkosten von 28 bis 120 kg Lebendgewicht von 57 auf fast 114 € je verkauftem Mastschwein. Hinzu kommt der Anstieg der Energiekosten um knapp 1 € auf rund 2,80 € je Mastschwein.
Mit den aktuellen Futter- und Energiekosten steigen die gesamten Produktionskosten eines Mastschweins bereits in der konventionellen Haltung auf 2,32 € je kg SG. Hierfür muss die mittlere Schlachtschweinenotierung bei fast 2,40 € liegen.
In der Haltungsform 2 liegen die Erzeugungskosten mit 2,35 € geringfügig höher. Deutlich teurer wird es dagegen in den Haltungsformen 3 und 4 mit Vollkosten von 2,77 € bzw. 2,90 € pro kg SG.
Mehrkosten in höheren Stufen
Was die Mehrkosten in den höheren Haltungsstufen im Einzelnen verursacht, zeigt Übersicht 2. Demnach wirkt in der Haltungsform 2 insbesondere das höhere Platzangebot mit 2,70 € je Mastschwein kostentreibend. Während in der Haltungsform 3 vor allem die um 0,3 Punkte schlechtere Futterverwertung und das rund 20 € je dt teurere GVO-freie Sojaschrot die Produktion verteuern. Unter dem Strich sind die Mehrkosten mit fast 44 € je Mastschwein in Haltungsform 3 gewaltig.
In Haltungsform 4 sind die zusätzlichen Kosten mit 56 € je verkauften Schwein noch höher. Den größten Mehrkostenblock verkörpert das um 100% größere Platzangebot, das allein mit Zusatzkosten von mehr als 23 € je Tier zu Buche schlägt.
Insgesamt wird deutlich, dass die Verteuerung der Futtermittel in den Haltungsformen 3 und 4 besonders stark durchschlägt. Denn auch durch das Außenklima ist die Energieeffizienz der Tiere schlechter, wodurch sie besonders viel Futter benötigen. Zudem ist das benötigte GVO-freie Futter knapp und hat besonders stark im Preis angezogen.
Auch Schlachtkosten steigen
Neben der Erzeugerstufe ist es auch in den Schlacht- und Fleischbetrieben zu erheblichen Kostensteigerungen gekommen. Die Hauptgründe sind das Verbot von Werkverträgen, neue Hygieneauflagen durch Corona, der höhere Sortieraufwand für Tierwohlprogramme sowie gestiegene Energie- und Transportkosten. Fachleute beziffern den Kostenanstieg für die Schlachtung und Zerlegung im Schweinebereich auf rund 25%.
Die Mehrkosten auf der Erzeuger- und Schlachtstufe erfordern zwangsläufig höhere Fleischpreise im Laden. Einige Lebensmittelketten haben in den vergangenen Wochen bereits reagiert. So hat Marktführer Aldi die Preise für wichtige Eckartikel vom Schwein Anfang April um 25 bis 30% erhöht.
Allerdings sind weitere Anhebungen bei den Verbraucherpreisen notwendig, um die gestiegenen Kosten in der Fleischerzeugung auszugleichen. Momentan hält sich der LEH mit weiteren Preissteigerungen bei den Fleisch- und Wurstwaren aber zurück, weil man zunehmende Umsatzrückgänge befürchtet. Die Folge ist ein hoher Preisdruck mit fehlender Kostendeckung, der insbesondere die Schweinehalter, aber auch die Schlachtbetriebe seit Monaten belastet.
25 € je Kilo Schnitzel
Doch wie teuer muss das Fleisch im Laden sein, damit die gesamte Kette auskömmliche Erlöse erzielen kann? Exemplarisch wurde dies anhand des Schnitzels als Eckartikel vom Schwein kalkuliert. Als Grundlage dienen Preiserhebung auf verschiedenen Verkaufsebenen.
Zunächst zu den notwendigen Schnitzelpreisen auf Kostenbasis der vergangenen fünf Jahre: In Haltungsform 1 war rückblickend ein Schnitzelpreis von 15 € je kg notwendig, um die Kosten der Fleischkette zu decken (siehe Übersicht 3). Bis zur Haltungsform 4 stieg der benötigte Erlös für ein Kilogramm Schnitzel auf gut 21 € an.
Durch die Kostenexplosion in den Erzeuger- und Schlachtbetrieben schnellt auch der heute notwendige Erlös für Schweinefleisch in die Höhe. So muss bereits ein Schnitzel aus der Haltungsform 1 im Laden inzwischen einen Verkaufserlös von knapp 19 € je kg erzielen. Das sind gut 25% mehr als vor der Kostenexplosion.
Für das Schnitzel aus Haltungsform 4 müssten Verbraucher heute mehr als 25 € je kg bezahlen, um alle Erzeugungskosten abdecken zu können. Weitere Anhebungen bei den Verbraucherpreisen sind vor diesem Hintergrund ein Muss.