In Niedersachsen wollen 22 Landvolkverbände gegen die roten Grundwasserkörper klagen.Die Kreisvorsitzenden aus Vechta und Cloppenburg schildern das Vorgehen.
Fred Schnippe
Kaum ein Thema erregt die Gemüter der Landwirte aktuell so sehr wie die geplanten Verschärfungen im Düngerecht. Im Fokus stehen die roten Gebiete mit hohen Nitratwerten im Grundwasser. Denn hier will Berlin die Stickstoffdüngung pauschal um 20% unter den pflanzlichen Bedarf kappen.
Dies würde die Nährstoffüberschüsse einzelbetrieblich, aber auch regional stark erhöhen. Zudem drohen erhebliche Ertragseinbußen im Ackerbau.
Entsprechend groß ist die Kritik aus dem Berufsstand. Besonders stark ist der Widerstand in Niedersachsen. Hier wollen 22 Kreislandvolkverbände mit Gutachten und juristisch gegen die Festsetzung der roten Gebiete vorgehen. Über die Details haben wir mit den Kreisvorsitzenden Dr. Johannes Wilking und Hubertus Berges diskutiert.
Wie stark sind Ihre Landkreise von den roten Gebieten betroffen?
Berges: In Cloppenburg sind mehr als 75% der Kreisfläche als rotes Gebiet eingestuft. Wir wollen uns den Restriktionen für die Gebiete nicht gänzlich verweigern. So können wir die geplante Pflicht zur Gülleanalyse, längere Lagerzeiten und die unverzügliche Einarbeitung der Gülle überwiegend nachvollziehen. Doch die pauschale Absenkung der N-Düngung um 20% unter den Bedarf ist fachlich nicht zu begründen und kontraproduktiv.
Wilking: Bei uns in Vechta beträgt der Anteil der roten Gebiete etwa 50%. Doch für unsere grünen Flächen können wir keine Entwarnung geben. Denn die aktuelle Einteilung der Grundwasserkörper bezieht sich auf das Jahr 2015. Dieses Jahr werden neue Ergebnisse erhoben, die 2021 greifen sollen. Dann können Areale, die heute grün sind, rot werden und umgekehrt. Insgesamt erwarte ich aber, dass die Nitratwerte sinken. Denn die aktuelle Dünge-VO 2017 hat bereits drastische Verschärfungen gebracht, die bald ihre Wirkung zeigen werden.
Welche zusätzlichen Stickstoffmengen müssen die Region verlassen?
Wilking: Der 20%ige Abzug vom Düngebedarf entspricht im Mittel 30 bis 35 kg Stickstoff je Hektar. Vielleicht können wir mit großen Anstrengungen 50% dieser Menge beim Mineraldünger einsparen. In Vechta müssen wir dennoch mit etwa 400 000 kg Stickstoff aus Wirtschaftsdünger rechnen, die wir jährlich zusätzlich in andere Regionen abgeben müssen.
Was sind die Konsequenzen?
Berges: Der Transportaufwand und die Preise für die Gülleabgabe steigen weiter. Erschwerend kommt hinzu, dass auch unsere klassischen Abnahme-regionen im östlichen Niedersachsen rote Gebiete aufweisen. Das heißt: Die potenzielle Ausbringfläche sinkt, weil etliche Ackerbaubetriebe ebenfalls weniger Stickstoff aufnehmen dürfen. Zudem haben wir immer größere logistische Probleme die Gülle im kurzen Zeitfenster im Frühjahr über die weiten Transportwege zu fahren.
Wilkes: Hinzu kommen die Verluste im Ackerbau durch die erzwungene Unterdüngung. Wir kalkulieren hier mit Schäden von bis zu 300 €/ha. Ich erwarte, dass der Maisanbau zulegt. Denn dieser verträgt einen Mangel an Stickstoff am ehesten. Schon in wenigen Jahren werden wir aufgrund des Stickstoffmangels einen Humusverzehr in unseren Böden feststellen. Das macht die Standorte noch anfälliger für Dürre und Erosion.
Wie hoch ist das Einsparpotenzial durch N/P-reduziertes Futter?
Berges: Je nach Ausgangslage lassen sich mit nährstoffreduziertem Futter bis zu 30% Güllefläche sparen. In unseren Veredlungsregionen arbeiten viele Betriebe aber schon jahrelang mit stark N/P-reduziertem Futter. Hier sind weitere Verbesserungen nur in kleinen Schritten möglich. Bei hohen Nährstoffüberschüssen kann es sinnvoll sein, auf das letzte Gramm bei den Zunahmen zu verzichten und z. B. über die gezielte Eberauswahl stärker auf die Futterverwertung zu achten.
Wilking: Um das volle Potenzial der Nährstoffabsenkung auszuschöpfen, brauchen wir in Niedersachsen dringend eine umfassende Anerkennung der einzelbetrieblichen N- und P-Ausscheidungen. Hierzu gehört auch die behördliche Anerkennung moderner Güllefässer, die mit einer NIRS-Technik für die Gülleanalyse ausgerüstet sind.
Welchen Beitrag kann die Gülleaufbereitung leisten?
Berges: Die Aufbereitung von Wirtschaftsdüngern kann durch die Verschärfung der Nährstoffüberschüsse neue Dynamik bekommen. Jedoch sind viele Verfahren teuer und nur bei hohen Abgabepreisen für Gülle konkurrenzfähig. Derzeit liegen viele Konzepte auf Eis, weil die rechtliche und wirtschaftliche Planungssicherheit fehlt. Die unklare Zukunft von Biogas erschwert die Lage zusätzlich.
Das Landvolk will gegen die roten Gebiete klagen. Wie ist der Stand?
Wilking: Derzeit prüfen wir mit externen Fachanwälten sowie verbandseigenen Juristen, welchen Weg wir gehen können. Klagen können wir noch nicht, weil insbesondere der 20%ige Düngeabschlag in den roten Gebieten noch im Gesetzgebungsverfahren ist. Bundesrat und Bundestag müssen erst zustimmen. Hier haben uns die kurzen Eingabefristen für die Verbändeanhörung massiv geärgert.
Wogegen wollen Sie konkret klagen?
Berges: Unser Konzept beinhaltet parallel zwei Klagewege. Zum einen streben wir sogenannte Normenkontrollverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg an. Sie sollen die Rechtmäßigkeit der Landesdüngeverordnung überprüfen. Denn diese ist maßgeblich für die Festsetzung von Sanktionen in den roten Gebieten. Die Normenkontrollklage stützt sich insbesondere auf umfangreiche Gutachten zur Qualität der Grundwasser-Messstellen in Niedersachsen.
Wilking: Parallel bereiten wir Feststellungsklagen vor. Diese können aber nur die Landwirte selbst vornehmen, die von den Sanktionen in den roten Gebieten betroffen sind. Das Landvolk wird die Praktiker dabei juristisch unterstützen. Wir stehen hierzu bereits mit etlichen Betriebsleitern im Kontakt. Die Zeit drängt, denn viele Landwirte sind massiv verunsichert, was das verschärfte Düngerecht für sie bedeutet. Wichtige Investitionen z. B. in die Erweiterung des Güllelagers verzögern sich.
Was ist Ihre Hauptkritik an den roten Gebieten?
Berges: Die Festsetzung der Gebietskulisse ist extrem grob. So führen bereits drei Messstellen mit erhöhten Nitratwerten dazu, dass ein gesamter Grundwasserkörper mit teilweise mehreren zehntausend Hektar Ausdehnung als rotes Gebiet gilt. Wir bezweifeln, dass derart wenige Messstellen einen ganzen Grundwasserkörper repräsentativ abbilden können. Wir brauchen dringend eine bessere Differenzierung der Gebietskulisse auf Basis nachvollziehbarer Daten.
Wilking: Unser zweiter Ansatzpunkt sind die Messstellen selbst. Erste Ergebnisse eigener Überprüfungen zeigen, dass ein erheblicher Teil der Messstellen technische Mängel aufweist. Wir hinterfragen auch Punkt für Punkt den Algorithmus, der vor allem bei der Binnendifferenzierung der roten Gebiete greift. Zudem wollen wir das Vorgehen in Niedersachsen mit dem in anderen Bundesländern, aber auch anderen EU-Ländern abgleichen. Hier gibt es teils große Unterschiede, die zu Nachteilen für unsere Landwirte führen.
Die Kreisverbände haben auch unabhängige Gutachten beauftragt.
Berges: Richtig. In Niedersachsen haben sich 22 Kreislandverbände zusammengeschlossen und Gutachten an einen renommierten Hydrogeologen in Berlin vergeben. Neben den Veredlungsregionen im Westen Niedersachsens sind auch einige Ackerbauregionen dabei. Insgesamt werden auf etwa 40% der Landesfläche die Messstellen in bis zu 60 Grundwasserkörpern untersucht. Die Gutachten finanzieren wir komplett aus Verbandsmittel, so dass wir die Datenhoheit haben.
Wilking: Die Kernfrage an den Gutachter lautet: Ist das Messnetz repräsentativ für die Abbildung der Nitratwerte? Die Untersuchungen im Gutachten sind weitgehend abgeschlossen, so dass wir die Ergebnisse im Frühjahr vorstellen werden. Diese bilden dann die fachliche Basis für unsere Klagen gegen die Festsetzung von Sanktionen in den roten Gebieten.
Wie positioniert sich die Politik?
Berges: Die Einschätzungen aus der Politik zum neuen Düngerecht sind sehr unterschiedlich. Selbst innerhalb der CDU/CSU gibt es abweichende Standpunkte. Erschwerend kommt hinzu, dass neben Berlin auch Brüssel sowie unsere Bundesländer am Gesetzgebungsverfahren für das neue Düngerecht mitwirken. Das macht es für uns als Berufsverband schwer, unsere berechtigte Kritik effektiv zu adressieren.
Wilking: Wir sind dennoch überzeugt, dass wir mit der Kombination aus fundierten Gutachten und Klagen nachhaltig etwas bewegen. Denn die Ergebnisse unserer Gutachten werfen viele Fragen zum Messnetz und der Einteilung der roten Gebiete auf. Dem kann sich weder die Verwaltung noch die Politik verschließen.