Abwehrkräfte über den Darm stärken

Das Darmmikrobiom hat eine große Wirkung auf die Gesundheit. Es geht auch um die Lungengesundheit und das Verhalten. SUS hat mit zwei Experten diskutiert.

Dr. Heinrich Niggemeyer, SUS

Was versteht man genau unter dem Begriff Mikrobiom?

Kühn: Der Begriff bezeichnet im weitesten Sinne die Gesamtheit aller Mikroorganismen im oder am Körper. Sie besiedeln z.B. den Darm als sogenannte Darmflora, aber auch die Haut. Zum Mikrobiom zählen vor allem Bakterien, aber auch Pilze und Viren. In und auf einem Schwein leben mehr Organismen als dessen Körper Zellen aufweist. Auf den Gesamtorganismus eines Tieres bezogen, stehen sich im Zahlenverhältnis 10% tierische Zellen, also Muskeln oder Organe, und 90% Mikroorganismen gegenüber. Und das bei einem umgekehrten Massenverhältnis von 97 zu 3.

Was ist das Besondere am Mikrobiom im Darm?

Kleine Klausing: Das Darmmikrobiom setzt sich aus verschiedenen Arten von Bakterien zusammen, die an den Wänden und in dessen Inhalt siedeln. Der Darm ist durch eine besonders dichte mikrobielle Kolonisierung charakterisiert. Auch Hefen und Viren sind beteiligt. Das kollektive Darmmikrobiom kann bis zu 35000 verschiedene Spezies umfassen. Es ist ein hochkomplexes Ökosystem. Im Gleichgewicht wirkt es förderlich auf eine Vielzahl von Körperfunktionen.

Welche Funktionen übt das Darmmikrobiom aus?

Kleine Klausing: Eine gesunde Darmflora hilft bei der Verwertung von Nährstoffen. Die Darmbewohner produzieren zudem Vitamine, Hormone und Enzyme. Weiterhin spielt die Darmflora bei der Entwicklung des Immunsystems sowie der Vorbeugung der Ansiedlung durch Krankheitserreger eine wichtige Rolle.

Bis zu 80% aller Immunzellen sollen im Darm entstehen. Wie geht das?

Kühn: Der dosierte Kontakt mit vielen unterschiedlichen pathogenen, aber auch harmlosen Mikroorganismen im Darm stärkt und schult das Immunsystem. Der Darm bietet diesbezüglich einen großflächigen Kontaktbereich. Das hat etwas mit der Darmwandstruktur zu tun. Auf einen Quadratzentimeter Dünndarm befinden sich bis zu 4000 Darmzotten, die noch einmal durch Mikrozotten vergrößert werden. Haben Keime diese physikalischen Schutzbarrieren überwunden, setzen sie sich mit den Abwehrzellen auseinander und das Immunsystem wird entsprechend angeregt.

Wie werden pathogene Keime in Schach gehalten?

Kühn: Eine optimale Zusammensetzung der im Darm lebenden Organismen ist ein wichtiger Schlüssel für die Kontrolle der Darmgesundheit. Darmpathogene Erreger nutzen meist gestörte Gleichgewichtsverhältnisse und erlangen dadurch einen Wachstumsvorteil.

Kleine Klausing: E.coli-Keime oder auch Clostridien sind in geringem Umfang Teil der normalen Darmflora. Sie werden erst durch massive Vermehrung unter dem Einfluss verschiedener fördernder Umstände pathogen. Über Hygienemaßnahmen lässt sich eine massive Ausbreitung solcher potenziell pathogener Erreger verhindern. Genauso wichtig ist aber auch die physiologisch angepasste Fütterung.

Wie wird das Mikrobiom bestimmt?

Kühn: Mithilfe von Hochdurchsatz-Sequenzierungen von 16S rRNA Genfragmenten lässt sich die Zusammensetzung...