Rainer Brügge und seine Söhne Tim und Niklas verfeinern ihr Fertigfutter mit Lebendhefen und weiteren Extras.
Michael Werning, SUS
Tüfteln liegt der Familie Brügge im Blut. Denn Rainer Brügge und sein Sohn Tim arbeiten beide bei einem Maschinenbauunternehmen. Nach Feierabend kümmern sie sich um den eigenen Betrieb mit knapp 700 Mastplätzen und 44 ha Land in Ibbenbüren in der Nähe von Osnabrück. „Obwohl die Schweinehaltung nicht unser Haupteinkommen darstellt, wollen wir uns in puncto Tiergesundheit und Leistung immer weiter verbessern“, erklärt Senior Brügge.
Tatkräftig unterstützt werden sie vom zweiten Sohn Niklas. Der 26-Jährige ist genau wie sein Vater und sein Bruder begeisterter Landwirt. Seit dem Abschluss seines Agrarstudiums berät er Betriebe schwerpunktmäßig im Bereich Fütterung. Da überrascht es nicht, dass diese auf dem Betrieb einen hohen Stellenwert einnimmt. „Mittlerweile setzen wir nur auf Fertigfutter, welches nach unseren eigenen Vorstellungen gemischt wird“, so Niklas Brügge.
Säure gegen Salmonellen
Dass sich das Dreiergespann so intensiv mit der Futterkonzeption auseinandersetzt, ist auch dem Umstand geschuldet, dass es vor rund drei Jahren starke Probleme mit Salmonellen gab. „Wir waren in Kategorie 3 und uns drohten Abzüge“, schildert Rainer Brügge die damalige Lage.
Verschiedenen Empfehlungen folgend setzten Brügges zunächst auf die Zugabe von bis zu 5 kg Ameisensäure je dt Futter. Mit Erfolg, denn nach einem halben Jahr erhielt der Betrieb wieder eine Einstufung in Kategorie 1. Gleichzeitig waren aber die Nachteile des Säureeinsatzes offensichtlich. „Die Stalleinrichtung wies schon nach wenigen Monaten Ätzschäden auf und die Tiere fraßen das Futter nicht gerne. Außerdem verzeichneten wir durch das verstärkte Auftreten von Magengeschwüren einen höheren Antibiotikaverbrauch“, blickt Tim Brügge zurück.
Unterm Strich eine verfahrene Situation, in die erst Bewegung kam, als Niklas Brügge Ende 2016 für seine Bachelorarbeit einen Fütterungsversuch startete. Dabei erprobte der Ibbenbürener mit Unterstützung des Futterherstellers HS Schräder und der Hochschule Osnabrück auf einem Versuchsbetrieb den Einsatz von Lebendhefen in Mastrationen.
Eigenversuch mit Lebendhefe
Dieser probiotische Futterzusatz wird bislang vor allem bei Kühen und in der Bullenmast zur Pansenstabilisierung eingesetzt. Beim Schwein liegt der Wirkungsschwerpunkt im Dickdarm. Dort sollen bestimmte Hefen die Rohfaserverdaulichkeit erhöhen. Außerdem besetzen sie mögliche Bindungsstellen für krankmachende Keime und konkurrieren mit diesen um Nährstoffe.
Während des Versuches bestätigten die ersten Eindrücke diese positiven Effekte, sodass Brügges nicht lange zögerten, die Lebendhefen auch im eigenen Stall zu testen. Zumal die baulichen Voraussetzungen es hergaben, eine 160er-Ferkelpartie auf zwei gleich große Gruppen aufzuteilen und futtertechnisch getrennt zu versorgen. So erhielt die Kontrollgruppe ein Futter ohne und die Versuchsgruppe ein Futter mit Lebendhefe-Zusatz.
Vom Einstallen der 28 kg-Ferkel bis zum Ende der Mittelmast entwickelten sich beide Versuchsgruppen gleich gut. „Dann gab es einen Influenza-Einbruch und die beiden Partien reagierten sehr unterschiedlich“, erinnert sich Tim Brügge. So zeigten die Kontrolltiere über 14 Tage deutliche Krankheitsanzeichen und ein Antibiotikaeinsatz in Form von Tetracyclin war nötig. Die Verluste lagen bei Mastende mit über 6% deutlich über den Normalwerten.
Auch an den Tieren mit Lebendhefe-Topping ging die Influenzawelle nicht spurlos vorbei. Über drei Tage zeigten sie typische Krankheitssymptome, darunter eine spürbar verminderte Futteraufnahme. „Danach verbesserte sich der Allgemeinzustand der Tiere allerdings wieder und eine Antibiotikagabe war nicht nötig“, berichtet Rainer Brügge. Die Verluste lagen mit 2,8% deutlich unter dem Wert der Kontrollgruppe, und auch hinsichtlich der Futterwertung konnte sich die Lebendhefe-Gruppe mit 1:2,8 zu 1:3,2 positiv absetzen.
Mehrkosten bei 50 Cent/dt
Für Niklas Brügge hängt der unterschiedliche Krankheitsverlauf mit den Lebendhefen und deren stimulierender Wirkung auf das Immunsystem zusammen: „Lebendhefen kommen natürlicherweise im Darm nicht vor. Das Immunsystem des Tieres stuft sie deshalb als potenziell schädlich ein und schaltet in einen Zustand ständiger Alarmbereitschaft. Treten dann tatsächlich krankmachende Keime auf, sind die Abwehrkräfte sehr schnell mobilisiert.“
Seit diesem Eigenversuch gehört das Lebendhefe-Topping zum festen Bestandteil aller fünf Mastrationen. Die Schweinemäster gehen sogar so weit, sich vom Futterhersteller die vierfache Menge von dem einmischen zu lassen, was dieser seinen Standardfuttern beisetzt. „Durch die höhere Dosierung stabilisieren wir nicht nur die Gesundheit und Leistung der Tiere, sondern steigern sie noch weiter“, ist Niklas Brügge überzeugt. Die Kosten dafür beziffert er auf circa 50 Cent pro dt. Das ist vergleichbar mit den Mehrkosten eines Säurezusatzes.
Kein Roggen, mehr Vitamin E
Brügges Sondermischungen zeichnen sich noch durch weitere Besonderheiten aus. So wird bewusst kein Roggen verfüttert, um Problemen mit Mutterkorn vorzubeugen. Auffällig ist auch der niedrige Rapsanteil von 5%. „Raps macht das Futter zwar günstig, aber auch weniger schmackhaft für die Schweine“, so Tim Brügge.
Gleiche Prioritäten gelten bei den Rohfaserträgern, wo der Familienbetrieb auf Trockenschnitzel setzt. Dieses Nebenprodukt der Zuckergewinnung ist frei von Mykotoxinen und besitzt ein hohes Quellvermögen. „Das sorgt für Ruhe in der Gruppe und beugt so Schwanzbeißen vor“, erläutert Rainer Brügge. Abgerundet werden die Rationen mit erhöhten Vitamin E-Gehalten, um den Bewegungsapparat der Tiere zu stärken (siehe Kasten, S. 40).
Mittel gegen Heimweh
Die Schweinehalter richten ihren Fokus nicht allein auf die Fütterung, auch am Tierwohl-Management wird stetig gefeilt. Dazu zählt beim Einstallen der neuen Ferkel die Gabe eines „Heimwehmittels“, bestehend aus Wasser und den beiden homöopathischen Wirkstoffen Ignatia und Nux Vomica.
Ausgerüstet mit einer Rückenspritze spritzt Rainer Brügge jedem Tier davon eine Dosis auf die Rüsselscheibe. „Die Schweine sollen das Mittel über die Mund- oder Nasenschleimhäute aufnehmen. So entfaltet es seine beruhigende und darmstabilisierende Wirkung“, erklärt der Schweinemäster.
Zudem werden den Tieren verschiedene Beschäftigungsmaterialien angeboten. Auch weil Brügges merken, dass ihre Danzucht-Ferkel in den 80er-Großgruppen sehr agil sind und unter Stress schnell zum Schwanzbeißen neigen. Daher setzen die Mäster neben klassischen Spielzeugen wie Jutesäcke auf grobe Salzlecksteine. Diese sorgen für Ablenkung und enthalten zudem ernährungsphysiologisch wertvolle Mineralstoffe wie Natrium. Pro Durchgang werden zwei Steine gebraucht. Die Kosten liegen bei ca. 4 € pro Stück.
Wirkt eine Gruppe dennoch unruhig oder es fallen Tiere durch Ohrrandnekrosen bzw. Steifheit auf, werden die Strohraufen mit Kälberstroh gefüllt. Dabei handelt es sich um kurz gehäckseltes und entstaubtes Gerstenstroh, welches von den Tieren gerne aufgenommen wird. Stroh direkt vom Feld kommt wegen der möglichen Mykotoxinbelastungen nicht in Frage. „Die Kosten sind trotzdem überschaubar und wir setzen es nur sehr dosiert ein, um unsere Gülletechnik nicht zu überfordern“, merkt Tim Brügge an.
Topleistungen am Haken
Der hohe Aufwand, den Brügges für die Futterkonzeptionierung und das Tierwohl betreiben, spiegelt sich im Gesundheitsstatus der Schweine wider. Der Antibiotikaverbrauch tendierte in den vergangenen drei Quartalen gegen Null und auch ohne jeglichen Säurezusatz wird die Salmonellen-Kategorie 1 sicher gehalten.
„Dabei spielt auch unsere strenge Betriebshygiene eine Rolle“, merkt Tim Brügge an. Für ihn ist es beispielsweise selbstverständlich, dass in jedem Stallgebäude eigene Stiefel bereitstehen und seine Kontrollgänge bei den jungen Tieren beginnen und bei den Älteren enden.
Damit geht die Rechnung gesunde Schweine gleich gute Leistungen zumindest auf dem Betrieb Brügge auf. Aktuell erreichen die Verkaufspartien im Schnitt 1,022 Indexpunkte pro kg Schlachtgewicht. Das liegt nach den Erfahrungen der Mäster bei 94 kg, weshalb auch jedes Schwein vor dem Verkauf gewogen wird. Auch die Tageszunahmen lassen sich mit knapp 900 g sehen. Wirklich herausragend ist die Futterverwertung, die sich innerhalb eines Jahres von 1:2,8 auf 1:2,52 verbessert hat.
Fazit
Brügges halten im Nebenerwerb 700 Mastschweine. Vor drei Jahren gab es Probleme mit Salmonellen. Der Einsatz von Ameisensäure im Futter half zwar, war aber mit Nachteilen behaftet.
Seit anderthalb Jahren lassen sie ihr Fertigfutter nach eigenen Wünschen mischen. Statt Säure werden nun Lebendhefen eingemischt. Das hat sich positiv auf die Darmgesundheit und die Robustheit der Tiere ausgewirkt. Zudem enthält die Ration keinen Roggen und die Rohfaser liefern Trockenschnitzel. Beides erhöht die Schmackhaftigkeit des Futters und senkt das Mykotoxin-risiko.
Komplettiert wird das Bestandsmanagement von verschiedenen Tierwohl-Maßnahmen. Darunter das Angebot von Salzlecksteinen und Kälberstroh. Das Zusammenspiel dieser Positivfaktoren sorgt für hohe Leistungen und Tiergesundheit.