Forscher der Universität Hohenheim haben aus Grünland-Schnitt Proteinfutter hergestellt. Prof. Andrea Kruse und Prof. Markus Rodehutscord berichten über die Chancen als Schweinefutter.
Regina Imhäuser, SUS
Im Forschungsprojekt ProGrün ist es gelungen, ein Grünland-Proteinextrakt herzustellen. Wie machen Sie das?
Kruse: Bei unserer Pilotanlage wird zunächst frisches Gras mit einer Schneckenpresse ausgepresst. Das funktioniert ähnlich wie das Auspressen von Öl aus Ölsaaten. Dabei entstehen Grünsaft und Presskuchen. Für Schweine und Geflügel sind die im weiteren Herstellungsprozess aus dem Grünsaft gewonnenen Produkte nutzbar. Mengenmäßig macht der Saft zwei Drittel der Masse aus und er enthält ein Drittel des im Gras enthaltenen Rohproteins.
Wie geht es nach dem Pressen weiter?
Kruse: Im nächsten Schritt werden die Proteine im Grünsaft mit Säure in einem Tank ausgefällt. Zitronensäure hat sich hier als eine zielführende Säure herausgestellt, die auch für den Ökologischen Landbau geeignet ist.
Dann wird ein Großteil der enthaltenen Feuchtigkeit aus dieser Grünsaft-Säure-Mischung mit einer kontinuierlich arbeitenden Dekanterzentrifuge abgetrennt, wodurch eine feuchte Paste entsteht. Diese feuchte Paste muss dann sofort getrocknet werden.
Warum ist das Trocknen wichtig?
Kruse: Es ist notwendig, weil die Paste mit etwa 75% Feuchtigkeit, angereicherten Proteinen und anderen Nährstoffen sehr anfällig für Verderb ist. Zum Trocknen verwenden wir einen Vakuum-Walzentrockner. Damit kann man mit Temperaturen von deutlich unter 100°C trocknen, was einer Verringerung des Futterwerts vorbeugt. Solche Trockner sind in der Nahrungsmittelherstellung weit verbreitet.
Bei der Trocknung bilden sich Flocken aus kleinen Partikeln. Sie enthalten nur noch etwa 5% Feuchtigkeit und sind somit lagerstabil.
Das klingt relativ unkompliziert.
Kruse: Ja, die Herstellung erfolgt in grundsätzlich relativ einfachen Produktionsschritten und mit unproblematischen Stoffen. Das sehen wir als großen Vorteil.
In unserer ersten Produktionskampagne haben wir etwa 500 kg des trockenen Grünland-Proteinextraktes hergestellt. Der Großteil ist zurzeit noch eingelagert, um in diesem Jahr einige Fütterungsversuche mit Masthähnchen und Schweinen durchzuführen.
Aus welchen Pflanzen haben Sie das Grasprotein gewonnen?
Kruse: Wir haben bislang Grünlandaufwuchs mit der Zusammensetzung verarbeitet, wie es auf den Grünflächen der Versuchsstation der Universität Hohenheim im unmittelbaren Umkreis unserer Pilotanlage zu finden ist. Als wir unsere Anlage etabliert haben, haben wir einen Bestand mit hauptsächlich Rispengras, Lieschgras und Knaulgras und geringere Anteile an Klee und Kräutern herangezogen – also eine typische Grünland-Zusammensetzung der Gegend. Wegen der Trockenheit wuchs auf der ausgewählten Fläche allerdings zu wenig, sodass wir auf einen luzernereichen Bestand ausweichen mussten.
Welche Anforderungen müssen die Pflanzen also erfüllen?
Kruse: Grundsätzlich sind die Anforderungen an den Bestand für die Produktion einfach. Erstens muss der Aufwuchs ausreichend Rohprotein enthalten. Das macht Mais oder Miscanthus mit etwa 9% und 4% Rohprotein wahrscheinlich weniger geeignet. Zweitens braucht der geerntete Aufwuchs eine gewisse Feuchtigkeit, sonst sinkt die Ausbeute beim Pressen erheblich.
Werden die Gräser erntefrisch verarbeitet oder zuvor einsiliert?
Kruse: Bislang haben wir ausschließlich erntefrischen Grünlandaufwuchs verarbeitet. Aus produktionstechnischer Sicht steht einer Verarbeitung von Silage vermutlich nichts im Wege. Wahrscheinlich ist die Proteinausbeute wegen Verlusten beim Silierprozess kleiner, dafür ist die Gefahr des Verderbs bis zur Verarbeitung zu Grasprotein geringer. Wir beabsichtigen, das in Zukunft zu prüfen.
Wie viel Eiweiß liefert das Grasprotein und wie sieht das Aminosäuremuster aus?
Rodehutscord: Unsere bisherigen Chargen an Grünland-Proteinextrakt wiesen eine Rohprotein-Konzentration von 32 bis 40% in der Trockenmasse auf. Bemerkenswert ist das Aminosäuremuster, das mit 5,6bis6,0 g Lysin/100 g Rohprotein und 2,8bis 3,0 g Methionin+Cystein je 100 g Rohprotein nur knapp unter dem ist, was man üblicherweise bei Soja findet.
Bei weiteren essentiellen Aminosäuren waren beim Grasprotein im Vergleich zu Soja die Konzentrationen im Rohprotein höher oder etwa gleich hoch. Jetzt gilt es noch herauszufinden, was die Rohprotein-Konzentration und das Aminosäuremuster beeinflusst. Zurzeit erscheint die botanische Zusammensetzung des Aufwuchses und dessen Feuchtegehalt als wichtige Einflussfaktoren.
Wie ist das Produkt hinsichtlich seines Geschmacks zu beurteilen?
Rodehutscord: Unser Grünland-Proteinextrakt hat eine dunkelgrüne Farbe und noch ein gewisses grasiges Aroma. Es beinhaltet in erheblichen Anteilen auch andere Inhaltsstoffe als Aminosäuren. Mit etwa 7% Zucker und 6% Fettsäuren in der Trockenmasse wird es wohl auch für die Energieversorgung der Tiere einen relevanten Beitrag leisten.
Wie Schweine darauf reagieren, wissen wir bislang noch nicht, weil die Fütterungsversuche mit Schweinen noch ausstehen. In einem Jahr können wir mehr Konkretes berichten. Auch die Einflüsse auf die Fettbeschaffenheit des Schlachtkörpers wollen wir uns näher ansehen.
Welches Ertragspotenzial hat das Grasprotein?
Rodehutscord: Bei der bisherigen Produktion wurde aus einer Tonne frischem Grünschnitt etwa 40 kg Grünland-Proteinextrakt hergestellt, wobei ein Großteil der Gewichtsdifferenz Feuchtigkeit und die anderen hergestellten Produkte darstellt.
Der Flächenertrag hängt auch maßgeblich vom geernteten Grünschnitt pro Jahr ab, was hochvariabel ist. Beispielsweise kommt man bei einer Erntemenge von 30 bis 60 t/ha auf einen Ertrag an Grasprotein von 12 bis 24 dt/ha. Bei einer Rohprotein-Konzentration von im Durchschnitt 35% im Grünland-Proteinextrakt kommt man auf 420 bis 840 kg Rohproteinertrag/ha.
Inwieweit lassen sich damit andere Proteinfuttermittel ersetzen?
Rodehutscord: Aus einem kürzlich durchgeführten Pilotversuch mit Masthühnern wissen wir, dass der von den Tieren akzeptierte Mischungsanteil keineswegs gering ist. Welchen Mischungsanteil das Grasprotein in Schweinefutter einnehmen kann, werden unsere Versuche zeigen.
Und wie sieht die Preiswürdigkeit im Vergleich zu Sojaschrot aus?
Rodehutscord: Nachdem wir erst eine Pilotanlage etabliert haben, sind Kostenschätzungen aktuell nur bedingt möglich. Wahrscheinlich wird es keine allgemeingültigen Aussagen geben, weil die Kosten von betriebsindividuellen Faktoren wie Transport des Grünschnitts zur Anlage abhängen.
Zudem stellt das Grasprotein lediglich eines der produzierten Produkte des Herstellungsprozesses dar. Auch die weiteren Produkte beeinflussen die Preiswürdigkeit erheblich. Nach unseren derzeitigen Schätzungen dürfte das Grünland-Proteinextrakt bei einer optimierten und automatisierten Anlage in einer ähnlichen Preislage wie Sojaextraktionsschrot liegen, bei ähnlicher Aminosäure-Zusammensetzung.
Welche weiteren Produkte fallen bei der Herstellung denn an?
Kruse: Beim Auspressen des frischen Grases entsteht Presskuchen. Er eignet sich beispielsweise zur Herstellung von Graspapier oder von Fasermatten zur Isolierung oder auch zur Fütterung von Wiederkäuern.
Zudem bleibt nach dem Zentrifugieren ein Rückstand übrig, der vor allem Zucker und Säuren enthält. Dieser Rückstand und der Presskuchen können zur Herstellung einer Plattformchemikalie verwendet werden, die Grundlage für eine Vielzahl an hochwertigen Produkten ist, einschließlich Medikamente und nicht-erdölbasierter Kunststoffe. Alternativ kann man damit auch Biogas oder Bio-Ethanol erzeugen.
Können Schweinehalter das Grasprotein selbst herstellen?
Kruse: Im Moment sind wir erst im zweiten Entwicklungsjahr. Dementsprechend ist die Technologie noch nicht bereit für ein Scale-up, also für eine Maßstabsvergrößerung. Allerdings ist das Konzept der Produktion bewusst so ausgelegt, dass weiterentwickelte und vor allem mehr automatisierte Anlagen auf Betrieben durchaus möglich sind.
Noch ist die Trocknung ein Flaschenhals hinsichtlich einer einfachen Bedienbarkeit. Für ein Scale-up bedarf es einer einfacheren, günstigeren und gleichzeitig schonenden Trocknungsmethode. Wir haben hierzu bereits Ideen, die wir weiterverfolgen werden. Ein neuer Projektantrag ist schon gestellt.