Neue Berechnungen zeigen, inwieweit heimische Eiweißträger die deutschen Nutztierbestände versorgen können.
Prof. Dr. Gerhard Bellof, Hochschule Weihenstephan-Triesdorf und Dr. Manfred Weber, LLFG Iden
Für die Versorgung von Schweinen mit Eiweiß landen überwiegend Nebenprodukte aus der Ölsaatenverarbeitung wie Rapsextraktions-schrot (RES) aus europäischem Anbau sowie Sojaextraktionsschrot (SES) aus Übersee im Futtertrog. Insbesondere der Import von gentechnisch veränderten Sojaprodukten aus Übersee wird jedoch zunehmend kritisch gesehen.
Hinzu kommt, dass die EU ab 2024 den Einsatz von Sojaschrot verbietet, das die Entwaldung in Südamerika fördert. Die Fütterung „gentechnikfrei“ ist zudem bei vielen Eigenmarken der Lebensmitteleinzelhändler oder Markenfleischprogramme inzwischen Pflicht. Der Krieg in der Ukraine verschärft die Versorgungssituation weiter.
Drei Szenarien modelliert
Die in der deutschen Nutztierfütterung im Jahr 2021 eingesetzten Eiweißfuttermittel stammten zu etwa 44% aus heimischem Anbau. In Deutschland wurden nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 2022 rund 1,2 Mio. ha mit Ölfrüchten bestellt und knapp 0,3 Mio. ha mit Körnerleguminosen wie Erbsen, Ackerbohnen, Sojabohnen und Süßlupinen.
Bis 2030 strebt die Bundesregierung im Rahmen der Ackerbaustrategie einen Anteil von 10% Leguminosen in der Fruchtfolge an. Die Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen e.V. (UFOP) hat als möglichen Lösungsansatz eine „10+10-Strategie“ vorgeschlagen, um jährlich je 10% der Ackerfläche mit Raps bzw. Leguminosen zu bestellen.
In diesem Zusammenhang hat die UFOP in einer Studie untersucht, ob die deutschen Nutztierbestände künftig vollständig mit heimischen Eiweiß versorgt werden können. Dafür modellierte man drei Szenarien für sinkende Bestandszahlen im Zieljahr 2030 für die Schweine-, Rinder- und Geflügelhaltung.
Für die Schweinebestände in Deutschland unterstellte man ausgehend vom Bezugsjahr 2020 für das Szenario „moderat“ einen jährlichen Bestandsrückgang von 2%, für das „drastische“ Szenario einen Rückgang um 3% und für „sehr drastisch“ sogar minus 5% pro Jahr. Anschließend wurde ermittelt, wie sich die sinkenden Bestände auf die Einsatzmengen von Erbsen, Ackerbohnen, Sojabohnen aus europäischer Erzeugung, Süßlupinen und RES auswirken. Für die verschiedenen Tiergruppen kalkulierte man Alleinfuttermischungen mit stark abgesenkten Rohproteingehalten (siehe Übersicht 1). Die berechneten Verbrauchsmengen und die erforderlichen Anbauflächen sind in Übersicht 2 dargestellt. Das sind die Ergebnisse:
- Beim moderaten Bestandsrückgang ergibt sich ein Jahresverbrauch an Körnerleguminosen in Höhe von rund 1,6 Mio. t. Der jährliche RES-Verbrauch beträgt für dieses Szenario 1,1 Mio. t. Damit ergäbe sich eine Anbaufläche von knapp 392000 ha für Körnerleguminosen bzw. 236000 ha für Raps.
- Für das Szenario eines drastischen Bestandsrückgangs ergäben sich Verbrauchsmengen von 1,4 Mio. t Körnerleguminosen und 948000 t RES pro Jahr. Somit wären im Szenario „drastisch“ zur Bereitstellung der genannten Verbrauchsmengen 343000 ha Körnerleguminosen bzw. 206000 ha Rapssaat anzubauen.
- Bei einem „sehr drastischen“ Rückgang lägen die kalkulierten Verbrauchsmengen bei 1 Mio. t Körnerleguminosen und 675000 t RES pro Jahr. Somit wären im Szenario „sehr drastisch“ zur Bereitstellung der genannten Verbrauchsmengen 245000 ha Körnerleguminosen bzw. 147000 ha Raps anzubauen. Bezieht man auch die für die Rinder- und Geflügelhaltung erforderlichen Mengen ein, ließe sich heimisches Eiweiß vollständig in der Nutztierfütterung einsetzen. Bei einem sehr drastischen Rückgang aller Nutztierbestände bis zum Zieljahr 2030 ergäbe sich bei ausschließlicher Verwendung heimischer Eiweißfuttermittel eine nahezu ausgewogene Situation. Auf die Anbaufläche bezogen wären rund 1,2 Mio. ha Körnerleguminosen bzw. knapp 1,4 Mio. ha Raps erforderlich, um diesen Verbrauch bereitzustellen.
Angesichts dieser Ergebnisse stellt sich für Schweinehalter die Frage, wie sich heimische Eiweißfuttermittel am besten bei Sauen, Ferkeln und Mastschweinen einsetzen lassen und was beim Einsatz zu beachten ist.
Soja: Proteingehalt schwankt
In Deutschland wurden in 2022 rund 128000 t Sojabohnen auf 55000 ha angebaut. Europäisches Sojaextraktionsschrot (SES) weist mit 436 g RP pro kg hohe Proteingehalte auf, die jedoch stark schwanken können. Eine Futtermitteluntersuchung ist deshalb vor dem Verfüttern wichtig. Bei Sojabohnen und deren Nebenprodukten müssen zudem die sekundären Inhaltsstoffe, insbesondere Trypsininhibitoren, beachtet werden. Sie können im Dünndarm die Wirkung des eiweißspaltenden Enzyms Trypsin hemmen. Vor der Verfütterung ist daher eine thermische Inaktivierung notwendig.
Bemessen am Bedarf des Schweins weist Sojaprotein eine zu knappe Ausstattung an Methionin auf. Dagegen sind insbesondere die nachrangig essenziellen Aminosäuren in ausreichender Menge vorhanden. SES kann in der Schweinefütterung als alleiniges Eiweißfuttermittel eingesetzt werden.
Raps: Hohen P-Gehalt beachten
Rapsextraktionsschrot (RES) fällt als Nebenprodukt bei der Rapsölgewinnung an. Etwa 5,5 Mio. t RES stehen in Deutschland jährlich zur Verfügung, rund 4,3 Mio. t davon landen im Mischfutter. Mit rund 340 g RP pro kg enthält heimisches RES etwa 10% weniger Eiweiß als klassisches Sojaextraktionsschrot. Dafür sind die RP-Gehalte laut jährlichem RES-Monitoring sehr stabil. Betriebe mit stark nährstoffreduzierter Fütterung müssen bei der Rationsgestaltung den relativ hohen Phosphorgehalt beachten. Positiv auf die Darmgesundheit wirkt sich der mit 12,5% recht hohe Fasergehalt aus. Auch der Methioningehalt ist hoch (siehe Übersicht 3). Bei den Gehalten der anderen Aminosäuren liegt das RES aber unter dem von Sojaextraktionsschrot.
Der Gehalt an Glucosinolaten, die die Futteraufnahme und -verwertung einschränken, sind im Vergleich zu früher reduziert. Bei Einsatzmengen von bis zu 15% in Alleinfuttermischungen spielt der Gehalt in der Regel keine Rolle mehr.
Viel Faser in Sonnenblumen
Deutschland hat 2021 rund 0,4 Mio. t Sonnenblumenextraktionsschrot (SBES) verfüttert. In puncto Rohproteingehalt kann das SBES gut mit RES mithalten. Die Lysin- und Methionin-Gehalte sind aber wesentlich geringer. Dieses Defizit lässt sich mit freien Aminosäuren ausgleichen. Der hohe Fasergehalt von ca. 20% fördert zwar die Verdauung, schränkt aber den Einsatz in der Ferkelaufzucht und Anfangsmast ein. Kritisch kann bei nährstoffreduzierter Fütterung auch der mit knapp 10 g pro kg recht hohe Phosphorgehalt sein.
Auf dem Markt erhältlich ist auch ein High Protein-Sonnenblumenextraktionsschrot (SBES-HP), das mit 460 g Rohprotein ähnlich hohe Gehalte aufweist wie klassisches Sojaextraktionsschrot. SBES lässt sich problemlos eins zu eins gegen SES austauschen, wenn man die Aminosäuren entsprechend ergänzt und eignet sich für Sauen und Ferkel als auch für Mastschweine. Die maximalen Einsatzmengen zeigt Übersicht 4.
Ackerbohnen analysieren
Auch Ackerbohnen lassen sich in allen Produktionsbereichen verfüttern. Die maximalen Einsatzmengen zeigt Übersicht 4. Noch hapert es aber an der ausreichenden Verfügbarkeit. Die Erntemenge ist mit 246000 t in 2022 relativ klein. Durch Anbaujahr, Boden und Witterung können die Inhaltsstoffe stark schwanken. Vor dem Verfüttern ist eine Futtermitteluntersuchung daher Pflicht.
Der Energiegehalt beträgt knapp 12,4 MJ ME/kg. Der Lysingehalt ist bezogen auf den Eiweißgehalt ähnlich hoch wie beim Sojaextraktionsschrot, sehr niedrig ist der Methioningehalt. Auch die Calcium- und Phosphorgehalte liegen im Vergleich zu anderen Eiweißfuttermitteln eher im unteren Bereich. Antinutritive Inhaltsstoffe spielen bei den üblichen Einsatzmengen keine Rolle mehr.
Erbsen: Gehalte schwanken
In Bezug auf die Nährstoffgehalte schneidet die Erbse nicht so gut ab wie andere Eiweißalternativen (siehe Übersicht 3). Futtererbsen weisen mit 20% Rohprotein nur knapp die Hälfte des Eiweißgehaltes von Sojaextraktionsschrot auf.
Der Lysingehalt hingegen ist mit 15 g Lysin je kg ähnlich hoch wie beim Sojaextraktionsschrot, wenn man es in Relation zum Eiweißgehalt sieht. Der Methioningehalt ist allerdings deutlich geringer. Die Lücke lässt sich z.B. durch Rapsextraktionsschrot ausgleichen, aber auch die Kombination Erbsen, Raps und Soja ist möglich.
Ähnlich wie bei Ackerbohnen schwanken die Gehaltswerte zum Teil erheblich. Vor dem Verfüttern muss daher in jedem Fall eine Futtermitteluntersuchung erfolgen. Futtererbsen können grundsätzlich in allen Rationen für Schweine eingesetzt werden. Arbeitet der Betrieb in der Endmast mit einer Trockenfütterung, sind sogar Einsatzmengen von bis zu 40% möglich (siehe Übersicht 3).
Lupinen mit reichlich Eiweiß
Wie Ackerbohnen und Erbsen sind auch Lupinen ackerbaulich interessant und fixieren Stickstoff aus der Luft, wodurch der N-Düngebedarf sinkt. Zudem ist der Wasseranspruch niedrig. Durch die geringe Verfügbarkeit ist der flächendeckende Einsatz in der Schweinefütterung noch nicht möglich. Einzelbetrieblich kann die Lupine aber interessant sein.
Heimische Lupinen weisen mit knapp 290 g Rohprotein den höchsten Wert der drei Körnerleguminosen auf. Der Lysingehalt ist mit 14 g je kg allerdings geringer als bei Ackerbohnen und Erbsen, wenn man es in Relation zum Eiweißgehalt sieht. Auch der niedrige Methioningehalt muss bei der Rationsgestaltung beachtet werden. Neben der Blauen Süßlupine werden aktuell auch wieder Sorten der Weißen Lupine auf den Markt gebracht. Für sie sprechen die guten Futterqualitäten. Bei den neuen Sorten muss aber noch ein Augenmerk auf mögliche höhere Alkaloidgehalte gelegt werden.
Die maximal möglichen Einsatzmengen liegen auf dem Niveau der anderen Körnerleguminosen.