Im dritten Teil der Serie geht es um die Stabilisierung des Darm-Mikrobioms. Der Fokus liegt auf den Futterkomponenten und Zusatzstoffen.
Dr. Heinrich Kleine Klausing, Gesellschaft für Tierernährung mbH, Wildeshausen
Der Verdauungstrakt bestehend aus Magen, Dünn- und Dickdarm ist in der Lage, das aufgenommene Futter in seine Einzelbestandteile zu zerlegen und dem Blutkreislauf zuzuführen. Dies gelingt jedoch nur, wenn die Unterstützung unzähliger kleiner Helfer im Darmtrakt gesichert ist. Das setzt ein ausbalanciertes Darm-Mikrobiom voraus.
Neben der reibungslosen Verdauung und guten Futterverwertung stimuliert eine gesunde Mikrobiota auch das Immunsystem. Größe und Zusammensetzung hängen sehr stark von den Futtersubstraten ab, welches das Tier aufnimmt. Folglich kann die Darmflora über Futterkomponenten und -zusätze gesteuert werden (Übersicht 1). Das Ziel ist, den Tierbestand in der bestmöglichen Gesundheitskondition zu halten.
Rohstoffqualität sicherstellen
Zunächst sollte die Rohstoffqualität geprüft werden. Denn deren Quelle und Qualität sind bedeutende Faktoren für die Zusammensetzung des Mikrobioms, der biologischen Leistung sowie der Darmgesundheit.
Bakterielle Kontaminationen und Mykotoxine sind möglichst niedrig zu halten. In diesem Zusammenhang wird dringend empfohlen, das Getreide und den Mais zu reinigen. Insbesondere die Belastung mit Mykotoxinen kann auf diesem Wege signifikant verringert werden.
Zudem können verschiedene Futtermittelrohstoffe sogenannte Antinutritional Factors (ANFs) enthalten, welche die enzymatische Nährstoffverdauung behindern. Andere Substanzen führen zu veränderten physikalischen Verhältnissen im Magen-Darm-Trakt (MDT).
Um eine ausgewogene Verdauung zu gewährleisten, können technische Behandlungen wie Toasten, Expandieren oder Extrudieren hilfreich sein. Aber auch neue Techniken wie kombinierte Langzeitkonditionierung mit anschließender extrusionsähnlicher Behandlung stehen zur Verfügung, um Rohstoffe schonend zu veredeln.
Auf Verdaulichkeit achten
Die Nährstoffgehalte im Futter müssen immer an die Anforderungen des Schweines in den entsprechenden Produktionsphasen angepasst werden. Dies gilt insbesondere für die Proteinversorgung. Hier sollte das Futter für Schweine auf Basis der praecaecal verdaulichen (pcv) Aminosäuren zusammengesetzt werden. Dies stellt sicher, dass die hinteren Darmabschnitte nicht mit enzymatisch unverdautem Protein überladen werden. Dies könnte zu einem Wachstum potenziell pathogener Bakterien, speziell gram-positiver Keime wie Clostridien, führen.
Vor allem bei Ferkeln in der Phase des Absetzens ist dies eine Gefahr. Denn das Darm-Mikrobiom muss sich von der Milchernährung auf die Ernährung mit fest oder flüssig aufgenommenem Futter umstellen. Eine Futterformulierung auf Basis verdaulicher Aminosäuren bei Begrenzung des Proteingehaltes ist hier besonders wichtig. Empfehlungen hierzu sind in Übersicht 2 aufgeführt.
Diätetische Faser wichtig
Besonderes Augenmerk gilt dem Gehalt an Kohlehydraten im Futter und deren Zusammensetzung. Stärke und Zucker stellen dabei nur einen Teil dar. Eine zunehmende Beachtung muss der Bereich der unlöslichen diätetischen Fasern finden. Hierbei handelt es sich um mehr als die heute vor allem verwendete Größe Rohfaser.
Analytisch werden die unlöslichen diätetischen Fasern oder Strukturkohlenhydrate durch die NDF (Neutrale Detergenzien-Faser) charakterisiert. Sie sind enzymatisch im Dünndarm unverdaulich und werden mehr oder weniger durch bestimmte Bakterien im Dickdarm fermentativ abgebaut. Der Grad der Fermentationsfähigkeit kann durch die analytischen Größe ADF (Saure Detergenzien-Faser) abgeleitet werden.
Die Steuerung der Gehalte an NDF und ADF im Futter ist heute ein wichtiger Aspekt in der Rationsformulierung. Es wird gezielt zur positiven Beeinflussung der Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms und somit zur Verhinderung von Dysbiosen sowie zur Förderung der Leistungsparameter genutzt. Dies hat gerade in der Sauenfütterung große Bedeutung, um z.B Verstopfungen vorzubeugen und damit das MMA-Risiko deutlich zu minimieren.
Kurzkettige Fettsäuren helfen
Bei der sogenannten Faserfermentation entstehen kurzkettige Fettsäuren, die positiv auf die Stabilität des Mikrobioms wirken. Insbesondere grampositive Bakterien wie bestimmte Clostridien werden so in ihrer Entwicklung begrenzt.
Auch dienen Essig-, Milch-, Propion- und Buttersäure als Energiequelle. Bereits Ferkel können mit bis zu 20% einen durchaus bemerkenswerten Teil ihres Energiebedarfes aus der Fermentation im Dickdarm decken.
Buttersäure unterstützt darüber hinaus die Entwicklung der Darmzotten im Darm. Dies ist wichtig für die Absorption der Nährstoffe in den Stoffwechsel und somit für die Leistung und auch die Stabilität des Mikrobioms.
Enzyme anreichern
Gleichzeitig kann das Futter mit exogenen Enzymen angereichert werden. Die Verwendung von Phytase in der Schweinefütterung gilt heute als Standard. NSP-spaltende Enzyme wie Xylanase, Glucanase, Mannanasen und deren Kombination werden im Ferkelfutter erfolgreich zur Unterstützung der Verdauungsabläufe eingesetzt.
Phytase führt zu einer verbesserten Verdaulichkeit des in Pflanzen vorhandenen Phytat-Phosphors wie auch weiterer Mineralstoffe und Spurenelemente. Somit kann der Calcium- und Phosphorgehalt im Futter reduziert und eine Senkung des Puffervermögens der Futterrezeptur erreicht werden.
NSP-spaltende Enzyme wirken auf lösliche und unlösliche Nicht-Stärke-Polysaccharide. Sie vermindern bei den löslichen NSP den für die Verdauung und Darmgesundheit negativen Viskositätseinfluss im Darm. Die Bereitstellung fermentativ verwertbarer Teilstücke aus den unlöslichen NSP führt zu einer verbesserten Futtereffizienz.
Pro- und Präbiotika einsetzen
Bei Futterzusätzen stehen auch die Probiotika an vorderer Stelle. In der Tierernährung werden verschiedene probiotische Stämme erfolgreich eingesetzt. Sie stabilisieren die intestinale Mikroflora über Verdrängung potenziell pathogener Keime und beeinflussen die Aktivität bestimmter Verdauungsenzyme. Es wird in wissenschaftlichen Untersuchungen auch über eine Stimulierung des Immunsystems berichtet.
Während Probiotika lebende Mikroorganismen enthalten, sind Präbiotika das Futter für die Winzlinge: Es handelt sich hierbei um lösliche Ballaststoffe, die im Dünndarm nicht verdaut werden können, sondern in den Dickdarm gelangen und dort den guten Darmbewohnern als Nahrungsquelle dienen.
Zu den Präbiotika zählen vor allem sogenannte Oligosaccharide. Das sind Verbindungen, die aus mehreren Zuckerbausteinen aufgebaut sind. Einzelne dieser Oligosaccharide haben auch ein Bindungspotential für z.B. gram-negative Bakterien wie E. coli.
Verbreitet in der Fütterung sind u.a. präbiotische Produkte aus Bierhefe, die neben den Oligosacchariden auch beta-Glucane enthalten. Diese haben über bestimmte Rezeptoren im Darm eine immunstimulierende Wirkung und nehmen so ebenfalls Einfluss auf die Stabilität des Darm-Mikrobioms.
Säuren gezielt nutzen
Die Verwendung organischer Säuren in der Fütterung ist weit verbreitet und hat zwei Ziele: Für die Unterstützung der hygienischen Qualität von Futtermittelrohstoffen und gemischtem Futter sind organische Säuren mit einem höheren pKs-Wert zu verwenden. So ist z.B. Propionsäure mit einem pKs von 4,88 empfehlenswert. Der pKs-Wert ist der pH-Wert, bei dem 50% der Säuremoleküle undissoziiert und damit in der aktiven Form vorliegt.
Ein Einfluss auf die Verdauung im Magen kann über organische Säuren mit einem niedrigeren pKs-Wert genommen werden. So sind Ameisensäure (pKs 3,75) und/oder Milchsäure (pKs 3,87) häufig in der Anwendung.
Außerdem muss das Molekulargewicht der organischen Säuren berücksichtigt werden. So hat z.B. Milchsäure mit 90 g je mol ein annähernd doppelt so hohes Molekulargewicht wie Ameisensäure (46 g je mol). Das bedeutet, dass Milchsäure mit annähernd der doppelten Dosierung im Vergleich zur Ameisensäure eingesetzt werden muss, um den gleichen Einfluss auf den pH-Wert zu erzielen.
Daher sind heute Kombinationen derartiger Säuren – oftmals mit Ammoniak oder Natrium gepuffert – im Futter und Tränkewasser im Einsatz. Eine Übersicht zu den wichtigen organischen Säuren findet sich in Übersicht 3.
Die Effektivität organischer Säuren wird auch durch die Futterzusammensetzung beeinflusst, da die im Futter verwendeten Rohstoffe unterschiedliche Pufferkapazitäten haben. Auch proteinreiche Komponenten sowie calciumreiche Rohstoffe können die Effektivität der Säuren begrenzen. Daher sind eine hohe Proteinverdaulichkeit sowie die Begrenzung des Calcium- und Phosphorgehaltes unter Verwendung von Phytase wesentliche Faktoren zur Unterstützung der Wirkung organischer Säuren im Magen.
Phytogene Futterzusätze
Weithin anerkannt werden auch die antimikrobiellen und antioxidativen Eigenschaften von phytogenen Futterzusätzen. Dies sind Pflanzeninhaltsstoffe mit einer großen strukturellen Variabilität. Schätzungen zufolge gibt es rund 50000 verschiedene Komponenten.
Aufgrund dieser Diversität ist eine breite Verwendungsmöglichkeit in der Tierernährung gegeben. Es ist aber zu beachten, dass eine spezifische und effektive Anwendung nur umgesetzt werden kann, wenn man Wirkungsweise, Zusammensetzung und gegebenenfalls existierende Synergien kennt.
Die Gruppe der Phytomoleküle besteht aus den Stoffgruppen Phenole, Polyphenole, ätherische Öle, Tannine, Scharf- und Bitterstoffe, Alkaloide sowie Saponine. Die Wirkungsweise ist unterschiedlich. Doch der Einfluss von Spezialprodukten auf Basis von Phytomolekülen auf Leistungs- und Darmgesundheitsparameter ist vielfach wissenschaftlich und praktisch untersucht worden. Phytomoleküle finden in Fütterungskonzepten für Schweine eine zunehmende Anwendung.
Zusammenfassung
Das Ziel ist eine optimierte Darmgesundheit durch gezielte Steuerung des Darm-Mikrobioms. Dazu gehören :
- Reduzierung des Anteils an antinutritiven Faktoren;
- Verwendung hochverdaulicher Proteine insbesondere im Ferkelfutter sowie angepasste Proteingehalte ;
- Erhöhte Gehalte an fermentierbarer Faser für die Bakterien im Colon;
- Enzyme, welche die Nährstoffverwertung verbessern sowie das Mikrobiomprofil positiv beeinflussen;
- Einsatz lebender Mikroorganismen (Probiotika) und Präbiotika, um selektiv Darmbakterien zu stimulieren.
- Zusatz organischer Säuren und Phytomoleküle, um ein gesundes Mikrobiom zu fördern.