In der nächsten ITW-Phase ab 2021 ist Raufutter für alle Betriebe Pflicht. Wie bleibt das Güllesystem intakt? Lässt sich die Vorlage automatisieren?
Fred Schnippe, SUS
In gut sechs Monaten startet die Initiative Tierwohl (ITW) in die nächste Phase. Neben der Umstellung der Finanzierung auf das Marktmodell kommen neue Haltungsauflagen auf die Schweinehalter zu. Die Wichtigste: Alle ITW-Betriebe müssen ab 2021 Raufutter anbieten.
Hohe Hürden bei Raufutter
Bisher war Raufutter ein Wahlkriterium. In der Ende des Jahres auslaufenden ITW-Phase hat nur rund ein Viertel der Betriebe dieses Kriterium umgesetzt. So stellt das dauerhafte Angebot von Raufutter hohe Anforderungen. Es geht vor allem um drei Knackpunkte:
- Güllesystem: Hier kann Raufutter zu hartnäckigen Verstopfungen führen.
- Arbeit: Raufutter wird meist arbeitsintensiv von Hand vorgelegt.
- Hygiene: Von Raufutter kann eine erhöhte Mykotoxingefahr ausgehen.
Wer an der nächsten Runde der Initiative Tierwohl teilnehmen will, sollte sich daher frühzeitig überlegen, ob und wie er Raufutter einsetzen kann.
Allem voran steht die Vereinbarkeit mit dem Güllesystem. Denn bislang sind nur wenige Ställe für Raufutter geplant. Und ein Umbau des Güllesystems sprengt den Kostenrahmen. Das heißt: Raufutter kann zum K.-o.-Kriterium für die ITW-Teilnahme werden.
Vorsicht bei Stopfen-System
Das Problem von Raufutter im Güllesystem ist, dass es zu ausgeprägten Schwimmschichten kommen kann. Diese lassen sich teils mit den sonst wirksamen Spül- oder Rühreinrichtungen nicht mehr auflösen. Wobei die Gestaltung des Güllesystems die Funktionssicherheit stark beeinflusst:
- Besonders anfällig für Verstopfungen durch Raufutter sind Güllewannen oder -kanäle mit Ablassstopfen. Denn hier muss die Gülle durch kleine Öffnungen abfließen.
- Weniger störanfällig sind Wechselstauverfahren mit Schiebern. Doch auch hier sind Verstopfungen nicht auszuschließen. Die Nachrüstung von Spülleitungen kann sinnvoll sein.
- Kaum Probleme sind bei Zirkulationsverfahren mit Mixer zu erwarten. Ideal sind Systeme mit zwei Drehrichtungen. Doch selbst Zirkulationsanlagen bieten keine 100%ige Sicherheit.
Komplett vermeiden lassen sich Verstopfungen nur mit Kotschiebern. Diese Technik ist vereinzelt in neuen oder in Tierwohlställen zu finden. Die Schieber laufen im Entmistungskanal unter den Spaltenböden und fördern Kot, Harn, Raufutterreste oder Einstreu mehrmals täglich sicher aus dem Stall.
Doch lassen sich Kotschieber nur selten nachrüsten. Zudem erhöht die Schiebertechnik die Baukosten um rund 10 bis 15 € je Mastplatz. „Dennoch empfehlen wir Kotschieber heute für neue Ställe“, betont Karin Müller, Geschäftsführerin der Schweinespezialberatung Schleswig-Holstein.
Raufuttermenge begrenzen
Ob das Güllesystem intakt bleibt, hängt auch von der Menge des Raufutters ab. Praxiserfahrungen zeigen, dass begrenzte Mengen von bis zu 40 g/Tier und Tag auch mit älteren Wechselstausystemen funktionieren können. „Größere Raufuttermengen von 100 g/Tier und Tag laufen aber nur bei Mixersystemen oder Wechselstauanlagen mit Spülleitung“, schildert Georg Freisfeld vom Erzeugerring Westfalen. Wichtig ist zudem, dass möglichst wenig Raufutter ungenutzt in der Gülle landet. In Vollspaltenställen hat sich bewährt, den Bereich um das Raufutterangebot durch Gummimatten o.ä. zu verschließen. Bei Teilspaltenböden sollte der Automat für Raufutter auf der Festfläche aufgestellt werden.
Großen Einfluss hat ebenfalls die Aufbereitung des Raufutters. So zeigen Untersuchungen, dass Schweine weniger als 50% des Raufutters aufnehmen. Das heißt: Große Teile des Raufutters landen nach dem Spielen nahezu unzerkleinert in der Gülle.
Meist dient Stroh als Raufutter. Es hat sich bewährt, dieses schon beim Pressen zu zerkleinern und die Halme aufzuspließen. Der Aufbereitungsgrad lässt sich an den meisten Pressen einstellen.
Automatisch vorlegen?
Die Aufbereitung des Raufutters entscheidet auch darüber, ob und wie sich die Vorlage automatisieren lässt. Denn bei Stroh als wichtigstem Raufutter gibt es bislang keine Technik, die das Material unzerkleinert als Langstroh transportieren kann. Dabei ist die Automatisierung wichtig, um die Mehrarbeit im Rahmen zu halten. Schließlich muss jede Bucht einzeln beschickt werden.
Bisher erfolgt die Raufuttervorlage bis auf wenige Einzelbetriebe von Hand. Denn automatische Fördersysteme sind teuer und es gibt nur wenige Anbieter.
Auch Martin Stodal, MuD-Betrieb aus Hohenlohe, will im neuen Tierwohlstall das Stroh weiter von Hand nachfüllen: „Die Technik steckt noch in den Kinderschuhen. Zudem lässt sich das Nachfüllen der Strohkörbe gut mit der Tierkontrolle kombinieren.“ Der Praktiker kalkuliert je nach Tierzahl und Strohbedarf einen Aufwand von ein bis fünf Minuten pro Bucht.
Doch mit der künftigen Raufutter- Pflicht wächst das Interesse an automatischen Systemen. Denn neben der Arbeitserleichterung kann die Technik die Raufuttervorlage dokumentieren. Dies ist angesichts der Kontrollen im ITW-System wichtig. So wird Raufutter bisher auch aus Sorge nicht umgesetzt, dass bei Kontrollen einzelne Buchten gerade nicht versorgt sein könnten.
Bei den Raufutteranlagen kommen neben Rohrkettenförderern pneumatische Systeme zum Einsatz. Ältere Anlagen benötigen eine Zerkleinerung des Strohs auf 2 bis 4 cm Länge. Inzwischen transportieren einzelne Anlagen auch Stroh mit bis zu 8 cm Länge.
Erfahrungen dazu hat Johannes Burhoff aus dem Münsterland gemacht. Er hat seinen 600er-Tierwohlstall mit einer Seilförderanlage für Stroh ausgestattet. „Wichtig war mir, dass die Anlage ohne teuren Häcksler auskommt. Wir nutzen daher eine Ballenpresse mit Vorbauhäcksler, die das Stroh auf 3 bis 8 cm Länge schneidet“, erklärt Burhoff.
Nach Optimierung der Aufnahmetechnik arbeitet die Anlage zuverlässig. Burhoff legt rund 20 g Stroh je Tier und Tag über Automaten vor: „Vieles davon wird verspielt. Für die Sättigung bleibt rohfaserreiches Futter unverzichtbar.“
40000 € für Strohtechnik
Zu den Kosten moderner Raufutteranlagen gibt es unterschiedliche Einschätzungen. Laut Erzeugerring Westfalen kostet eine komplette Raufutteranlage mit Extras und Installation für einen 1000er-Maststall rund 40000 €. Bei nah anstehenden Stallgebäuden mit guten Anbindungsmöglichkeiten würden bei 2000 Mastplätzen nur etwa 10000 € zusätzliche Kosten anfallen.
Die Entwicklung von Raufutteranlagen zielt darauf ab, neben Stroh auch Heu, Luzerne oder Maissilage zu transportieren. Denn diese werden gut angenommen. Und Abwechselung kann die Attraktivität des Raufutters erhöhen. Gut automatisierbar ist auch die Vorlage von Raufutter als Pellets. Wichtig ist daher, dass ITW ebenfalls hochwertige Stroh- und Heupellets im System akzeptiert. Eine Stellungnahme dazu soll im Sommer folgen.
Neben der Technik geht es beim Raufutter auch um die Hygiene. Denn insbesondere in nassen Jahren steigt die Gefahr, dass Stroh & Co. Mykotoxine enthalten. Diese können zu Leistungsdepressionen, Krankheiten und Fruchtbarkeitsstörungen bei Sauen führen.
Strohqualität prüfen!
Es ist daher wichtig, die Strohqualität zu prüfen und auf andere Raufutter ausweichen zu können. „Wir haben gute Erfahrungen mit dem Wenden des Strohs vor dem Pressen. Das reduziert die Spelzen und Verunreinigungen erheblich“, schildert Berater Freisfeld.
Zu beachten ist auch die Bevorratung des Raufutters. So kann es z.B. bei Maissilage oder Heulage aufgrund des geringen Verbrauchs schnell zur Nacherwärmung kommen. Trockene und gepresste Stroh- und Heuprodukte sind daher die bessere Wahl.
Zum Thema Hygiene gehört ebenfalls die Staubbildung durch Raufutter. So kann es vor allem bei der Ausdosierung des Raufutters aber auch bei der Vorlage auf geschlossenen Buchtenflächen zu starken Staubbelastungen kommen.
Um gegenzusteuern, lässt ein MuD-Betrieb aus Westfalen zur Ausdosierung des Raufutters eine Hochdruck-Kühlanlage mitlaufen. Sie gibt feinverstäubtes Wasser auf das Stroh, was die Staubbelastung merklich senkt.
Bei Außenklimaställen mit Windschutznetzen besteht auch die Möglichkeit, die Liegeflächen von Raufutterresten zu befreien. „Wir öffnen zweimal pro Woche die Seitenwände des Stalls und befördern feinzermahlene Raufutterreste von den Liegeflächen mit einem Laubbläser nach draußen“, schildert Landwirt Stodal.
Trotz der pfiffigen Praxislösungen ist es wichtig, dass die Initiative Tierwohl die Vorgaben zum Raufutter gut abwägt. Hierzu laufen im ITW-Steuerungskreis derzeit konstruktive Gespräche. Aus Sicht der Praxis geht es vor allem um diese Punkte:
- Einzelne Raufutterbehälter müssen kurzfristig auch leer laufen dürfen.
- Die automatische Raufuttervorlage muss zulässig sein.
- Es muss eine breite Palette an Raufuttermitteln verwendbar sein.
- Die Vorgaben zu Menge und Struktur des Raufutters sind kritisch zu prüfen.
- Der ITW-Bonus ist auf Basis der Investitionen für automatische Raufuttersysteme anzupassen.
Wichtig ist auch, dass ITW die Vorgabe aufhebt, dass nur ganze Betriebe bzw. VVVO-Nummern dabei sein dürfen. Denn so wäre künftig ein Betrieb mit mehreren Ställen bereits blockiert, wenn er in einem älteren Stall kein Raufutter vorlegen kann. Eine Lösung ist die Zulassung sogenannter abgrenzbarer Einheiten. Dies kann z.B. ein Stallgebäude sein.
Fazit
- Ab 2021 ist Raufutter für alle ITW-Betriebe Pflicht. Das bringt große Herausforderungen, da Verstopfungen im Güllesystem drohen.
- Die größte Sicherheit bieten Güllesysteme mit Mixer und Kotschieber –letztere sind aber nicht nachrüstbar.
- Die automatische Raufuttervorlage gilt als Schlüssel für eine breite Beteiligung der Bauern. Neue Systeme für grobes Raufutter sind in der Entwicklung.
- Damit genug Betriebe mitmachen, muss ITW die Vorgaben zum Raufutter praktikabel und praxisnah gestalten.