Die stark N/P-reduzierte Fütterung erhöht das Risiko einer Unterversorgung. Die Schinkengewichte zeigen, ob die Tiere ihr Wachstumspotenzial ausschöpften.
Hartwig Vallan, Beratungsring Cloppenburg
Die nährstoffreduzierte Fütterung ist voll im Trend. Denn aufgrund knapper Gülleflächen und hoher Kosten für die Gülleabgabe wollen viele Betriebe den Nährstoffanfall weiter senken. Dabei sorgen moderne Rationen mit hochverdaulichen Komponenten, freien Aminosäuren und Enzymen dafür, dass die Mast- und Schlachtleistungen nicht abfallen.
Allerdings lassen sich Sicherheitszuschläge mit der starken N- und P-Absenkung kaum vereinen. Somit steigt die Gefahr einer zeitweisen Mangelversorgung. Am größten ist das Risiko in Belastungsphasen wie Krankheiten, Hitze oder Futterwechseln.
Risiko Der Unterversorgung
Fehlen den Tieren Nährstoffe, entstehen erhebliche Schäden. Zum einen blockieren die Schweine länger den Stall und benötigen mehr Futter, um die Schlachtgewichte zu erreichen. Bei einem Aminosäuremangel setzen sie zudem verstärkt Fett an. Das verschlechtert die Futterverwertung und den Schlachterlös.
Auch scheiden die Tiere mehr Nährstoffe aus, was die Gülleabgabe verteuern kann. Unter dem Strich können bei einer ungenügenden Nährstoffzufuhr Schäden von 5 € und mehr je Schwein auftreten. Auch Schwanzbeißen kann durch einen Nährstoffmangel ausgelöst werden.
Um dies zu verhindern, muss der Betrieb eine Unterversorgung möglichst früh erkennen. Erste Hinweise kann die Betriebszweiganalyse (BZA) liefern. Hier ist zunächst der Nettoerlös der Schlachtschweine im Vergleich zum Basispreis zu prüfen. Liegt er z.B. 1 ct/kg unter dem Nettoerlös anderer Betriebe, müssen der MFA bzw. die Teilstückgewichte sowie die Sortierung auf den Prüfstand.
Im zweiten Schritt sind die Schlachtdaten detailliert auszuwerten. Hier bieten Online-Datenbanken vielfältige Möglichkeiten. Aus den Agrarportalen lassen sich die Daten in eine Excel-Anwendung für die weitere Auswertung übertragen.
Schinkengewichte prüfen
In diesem Zusammenhang macht es Sinn, die Schinkengewichte näher unter die Lupe zu nehmen. Denn dieses Teilstück beeinflusst beim AutoFOM am stärksten den Erlös. Gleichzeitig ist der Schinken der größte Muskel und zeigt, ob das Schwein sein Fleischbildungsvermögen ausgeschöpft hat.
Wichtig: Die Grundlage für den Fleisch- bzw. Muskelansatz wird in der ersten Mastphase gelegt. Denn in der Jugend setzt das Tier die Nährstoffe vorrangig in Muskelmasse um. Mit zunehmendem Alter legt der Fettansatz zu.
Potenziale zur Muskelbildung, die in der Jugendphase ungenutzt blieben, lassen sich später nicht nachholen. Vor allem in der frühen Mastphase sowie der Ferkelaufzucht kommt es darauf an, dass die Tiere ausreichend Protein bzw. Aminosäuren erhalten.
Der Schinken als Kenngröße für den Muskelansatz ist stets in Relation zum Schlachtgewicht zu sehen. Beim Einsatz von bewährten Endprodukt-Ebern für die AutoFOM-Vermarktung sollten die Mastschweine im Mittel der Verkaufspartie mindestens Schinkengewichte von 200 g je kg SG erreichen. Erfolgreiche Betriebe erzielen auch bei stark N/P-reduzierter Fütterung hohe Schinkengewichte von 201 bis 202 g je kg SG.
Bei der Einordnung der Schinkenmasse ist das Schlachtgewicht des Einzeltieres zu berücksichtigen. So erreichen Schweine unter 90 kg SG aufgrund ihres Körperbaus besser die Zielgröße von 200 g Schinken/kg SG. Hingegen wird es bei schweren Schweinen über 100 kg SG immer schwieriger, die Marke für den Schinken einzuhalten. Denn bei ihnen steigt der Anteil an Fett, Haut und Knochen im Vergleich zur Muskelmasse.
Auch das Geschlecht hat einen Einfluss. Weibliche Tiere weisen im Mittel etwa 3 g Schinken je kg SG mehr auf als Kastraten. Wichtig ist, dass viele Tiere im Optimalbereich der Gewichtsmaske platziert werden und diese die Vorgabe für das Schinkengewicht erbringen.
Passen Eber und Gesundheit?
In Problembetrieben können die Schinkengewichte auf 195 bis 193 g/kg SG absinken. Wie Übersicht 1 zeigt, weisen vor allem die schweren Tiere oft eine zu kleine Schinkenmasse auf. In diesem Fall muss der Mäster umgehend handeln. Zunächst ist die Eberauswahl mit der Besamungsstation zu durchleuchten. Der Eber bietet aber nur in Einzelfällen Verbesserungspotenzial.
Im zweiten Schritt muss die Tiergesundheit auf den Prüfstand. Denn Krankheiten steigern den Eiweißbedarf, sodass weniger Nährstoffe zum Fleischansatz bereitstehen. Zwar können Schweine nach einer Erkrankung durch kompensatorisches Wachstum einen Teil der Tageszunahmen aufholen. Das genetisch mögliche Potenzial zum Muskelansatz wird aber nicht mehr ausgeschöpft.
Zu prüfen ist auch die Sortierung. Denn erhöhte Schlachtgewichte wirken sich negativ auf den Schinkenanteil aus.
Dies zeigen Daten aus einem Spitzenbetrieb, der im vergangenen Wirtschaftsjahr im Mittel 201 g Schinken/kg SG erzielt hat (siehe Übersicht 2). Im letzten Januar kam es jedoch abnahmebedingt zu Verzögerungen, sodass die Schlachtgewichte auf 95 kg stiegen. In dem Monat sank die Schinkenmasse auf 198 g/kg SG.
Bereits im Februar war das Problem gelöst und die Schlacht- und Schinkengewichte stabilisierten sich. Auch in den ersten beiden Monaten des neuen Wirtschaftsjahres liegt der Betrieb mit einer Schinkenmasse von 201,5 g/kg SG im Spitzenbereich. Durch die Kürze der Problemphase und hohen Verkaufsgewichten im Januar ließen sich Fütterungsfehler ausschließen.
Genug Aminosäuren?
Sind Eber, Gesundheit und Sortierung abgeklopft, geht es an die Fütterung. Denn sie ist mit Abstand die häufigste Ursache für ein unzureichendes Schinkenwachstum. Im Beratungsgebiet in Südoldenburg arbeiten viele Mäster mit Fertigfutter. Hier erfolgt zunächst ein Soll-Ist-Abgleich für das Lysin-Energie-Verhältnis in den einzelnen Gewichtsabschnitten bzw. Rationen. Wobei zwischen 850 und 950 g Tageszunahme für fleischreiche Herkünfte unterschieden wird. Wir empfehlen bei der Aminosäurenausstattung einen kleinen Zuschlag zur offiziellen Fütterunsgempfehlung, um Mangelsituation auch bei Hitze oder Krankheit zu vermeiden.
Insbesondere in den ersten Mastabschnitten ist eine knappe oder mangelhafte Aminosäurenausstattung aus den geschilderten Gründen kritisch. In unserem Beratungsgebiet spielen unzureichende Aminosäurengehalte im Mastfutter eine untergeordnete Rolle.
Ein häufigeres Problem ist dagegen, dass die hochwertigen ersten Mastrationen nicht lange genug gefüttert werden. Auslöser ist meist der höhere Preis für das Anfangsmastfutter. Doch der Spareffekt ist aufgrund der relativ kleinen Verbrauchsmengen im ersten Mastdrittel gering. Gleichzeitig werden die negativen Folgen eines verfrühten Futterwechsels vielfach unterschätzt. Bei der Nährstoff-reduzierten Fütterung ist es daher ein Muss, die geplanten Futtermengen in den Mastabschnitten einzusetzen.
Hofmischer sollten ihre Futterkurven unter die Lupe nehmen. Es kann zudem sinnvoll sein, Futterproben ins Labor zu geben. Denn bei selbst hergestellten Rationen kann ein ungenügender Proteinansatz auch aus Mischfehlern resultieren.